Die Ich-Pleite: Der Experte

Ich habe zugenommen. Ich werde für heute Abend das Essengehen absagen. Daheim ist es so gemütlich.

Gesundes Frühstück, und im Radio der Experte: „Die Menschen kommen zu uns und schlagen Alarm: Meine Batterie ist leer!“ Der Experte ist nicht vom Autofahrerklub. Er spricht über Winterdepression. Zum Glück, Autos interessieren mich nämlich gar nicht. Die Depressionen anderer aber haben was Aufbauendes. Entweder geht es einem selbst im Vergleich besser. Oder man fühlt sich zumindest nicht so allein. Der Experte zitiert seine Patienten: „Aufstehen geht noch, aber dann kämpfe ich mich durch den Tag. Und obwohl ich mir für den Abend etwas ausgemacht habe, bleibe ich lieber zu Hause und verkrieche mich in meiner Höhle.“ Ich nehme mir vor, für den Abend doch nicht abzusagen. Mit mir kann man wirklich in letzter Zeit überhaupt nichts mehr anfangen. Der Experte sieht das genauso: „Und nach einer Zeit stellen sich auch depressive Gedankeninhalte ein: Mit mir kann man nichts anfangen. Ich bin nichts wert.“ Ich diskutiere mit mir selbst, ob ich nach dem gesunden Brei noch einen halben Schokomuffin packen soll. Besser jetzt als am Abend. Frühstück macht nicht dick. „Die Patienten versuchen das dann zu kompensieren“, sagt der Experte. „Sie beginnen zu essen, weil sie denken: Essen bringt vielleicht Energie, und da gehen sie besonders auf Süßigkeiten los.“ Zu spät, Doc. Aber der Muffin war köstlich! So süß und so schwer zu halbieren. „Die Ratten machen das auch“, behauptet der Experte. Wenn man sie in dunkle Ställe einsperrt, essen sie mehr Kohlehydrate.“ Die Ratten werden schon wissen, wieso. Mir geht’s jetzt gut. Ich hab keine Winterdepression. Mich deprimiert nur, dass es keinen richtigen Winter mehr gibt.

Schaufenster.DiePresse.com/DieIchPleite

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