Die Ich-Pleite: Mutterdasein

Mütter sind Freiwild. Jeder darf ihnen Tipps geben. Am schlimmsten sind die anderen Mütter.

Bis vor Kurzem war man Jungmutter-Outlaw, wenn einen die Kumpaninnen aus der Babyschwimm-Gruppe bei einem Caffè Latte mit Kuhmilch erwischt haben oder mit lackierten Fingernägeln oder gefärbten Haaren oder gar in der Nähe eines Rauchers. Das allgemeine Mutter-Role-Model war vegan, Alternativ-Medizin-Hardlinerin, fit durch Mutter-Kind-Turnen und ehrenamtlich in einer privaten Kleinkind-Spielgruppe tätig. Ein Leben neben der Mutterschaft weder nötig noch erstrebenswert. Sicher gelang nicht allen eine so perfekte Berufsmutterschaft, aber ein Ideal ist dazu da, angestrebt zu werden, oder? Das hat sich jetzt aber alles geändert. Vergangenes Jahr hat Gertraud Klemms Roman „Aberland“ die #Re­gretting-Motherhood-Bewegung ausgelöst. Und seither mehren sich die Bekenner-Rabenmütter-Postings in allen sozialen Medien. Plötzlich will keine Mutter mehr glücklich mit ihrer Situation sein. Jede spricht offen aus, dass ihr eigentlich Babybrei und alle seine Verwandlungsformen bis hierher stehen und dass es zweifelhaft ist, ob die Mutterliebe die Mühe mit Windeln, Bäuerchen und Karottenkochen aufhebt. Der soziale Druck auf die bisher schweigende Mutterglück-Mehrheit erhöht sich, die Schattenseiten ihres Mutterdaseins zu beleuchten. Denn wenn eine Mutter nicht mindestens einmal irgendwo gepostet hat, dass sie das Babygeschrei manchmal mit einem großen Polster zum Schweigen bringen oder den Ursprung der vollen Windel am liebsten mit derselben entsorgt hätte, wird auf dem Spielplatz bald keine Mom mehr mit ihr reden. Als glückliche Mutter hat man es auch nicht leicht. Alles Gute zum Muttertag!

Schaufenster.DiePresse.com/DieIchPleite

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