Die Ich-Pleite: Verkehrsteilnehmer

Als Autofahrerin hat man es auch nicht leicht.

Nicht nur, dass man selbst ständig aufpassen muss, dass man sich nicht ablenken lässt – vom Nachwuchs auf der Rückbank, von der Person auf dem Beifahrersitz, die wissen will, ob man am Samstag lieber das Kellerabteil ausräumen oder in einem schwedischen Möbelhaus Regale kaufen will, vom Chef, der noch schnell eine Kostenaufstellung haben will. Nein, man muss auch ständig auf die anderen Verkehrsteilnehmer aufpassen. Zum Beispiel auf die Fußgänger. Jeder fünfte Verkehrstote in der EU ist ein Fußgänger oder eine Fußgängerin. Früher brachte man den Fahrschülern bei, dass der Vertrauensgrundsatz nicht für Alte, Verrückte, Betrunkene und Kinder gilt. Heute sind die einzigen Menschen, die beim Überqueren einer Straße hin und wieder schauen, ob ein Auto kommt, die Alten, die Verrückten, die Betrunkenen und die Kinder. Alle anderen schauen auf ihr Handy. Man nennt uns nicht umsonst die „Generation Kopf unten“. Wir halten den Kopf aufs Display gesenkt, egal, ob wir nebenbei essen, im Meeting sitzen, in der Vorlesung, in der U-Bahn oder über die Straße gehen. Nur den Autofahrern hat man es jetzt verboten. Wahrscheinlich, damit wenigstens ein Verkehrsteilnehmer auf die Straße schaut. Die Fußgänger denken sich, die Autofahrer schauen eh, also kann ich ruhig weiterhin whats-appen oder Real Madrid gegen Atlético Madrid livestreamen oder googeln, ob man sich auch die Haare blondieren lassen kann, wenn sie schon gefärbt sind. Wenn ein Auto kommt, höre ich es ja. So laut habe ich FM4 auch wieder nicht aufgedreht. Und so kann es sein, dass die „Generation Kopf unten“ erst dann einmal nach oben schaut, wenn sie die Radieschen von unten betrachten kann.

Schaufenster.DiePresse.com/DieIchPleite

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