Die Ich-Pleite: Samstagvormittag in der Trafik

Samstagvormittag in einer Tabak-Trafik in Wien. Die immer fröhliche fesche Trafikantin hat alle Hände voll zu tun.

Ein rüstiger Frühpensionist kommt herein. Trafikantin: "Wie immer?" Frühpensionist: "Ja, aber dieses Mal mit den richtigen Zahlen! Letztes Mal hab ich nur einen Einser gehab!" Die Trafikantin lacht und schiebt ihm einen Lottoschein über die Theke. Dazu einen röchelnden Sterbenden am Atemgerät. Der Frühpensionist hebt lächelnd die Hand und geht. Ein leptosomer Intellektueller betritt den Laden. "Ist das neue Philosophiemagazin schon da?" "Nein, aber die neue Praline hätte ich!" Der Intellektuelle, lachend: "Na gut, dann nehm ich halt die!" Die Trafikantin reicht ihm das neue Philosophiemagazin und zwei zerfressene Raucherlungen. Hinter ihm steht eine nicht mehr ganz junge Dame mit einem Chihuahua im Schlepptau. Die Trafikantin: "Jö, die Bella! Bist nass geworden, heute, gell!" Der Chihuahua antwortet mit lang anhaltendem Bellen. Die Trafikantin holt eine Reihe fauliger Zähne aus dem Regal. "Und die Bella riecht gut, sogar wenn sie nass wird!", verkündet die Dame stolz. Die Trafikantin gutmütig: "Das sag ich auch immer! Es gibt keinen Hund, der besser riecht als ein Chihuahua", und legt zwei schwarz verstümmelte Beine dazu. Das Bellen wird lauter. "Dafür halten sie sich für Wachhunde", kommentiert ein junger Mann hinter ihr halblaut. "Wie bitte?", kräht die Dame. "Sie bellen dauernd!", wiederholt der junge Mann und nimmt ein bleiches Baby, dem Rauch ins Gesicht geblasen wird, entgegen. "Aber Hunde, die bellen, beißen nicht, sag ich immer", sagt die Trafikantin, lächelt charmant und schlichtet ein paar Zungenkrebse. Ein ganz normaler Trafikantinnen-Samstagvormittag eben.

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