Hermann-­Hesse-Boom

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Ich bin gespannt, ob das lyrische Zitat in der Abschiedsrede des Vizekanzlers einen neuen Hermann-­Hesse-Boom auslösen wird.

In den Nachrichten fand die poetische Zeile ja ein großes Publikum: „Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewohnheit sich entraffen.“ Da unsere Jugend Hesse in letzter Zeit sowieso nicht mehr recht gerafft hat, ist das ein sehr guter Impuls. Im Grunde war Otto Waalkes der Letzte, der sich für den Nobelpreisträger noch richtig ins Zeug haute und seinerseits ein Zitat lieferte: „Du liest jetzt Hermann Hesse, sonst gibt’s was in die Fresse.“ Es wäre ja nicht das erste Mal, dass branchenfremde Zitierung dem mönchischen Autor ein Absatzhoch bescherten. Als sich in den Sechzigerjahren die amerikanische Folkband The Sparrow ihres lieblichen Band­namens entraffte und stattdessen nach Hesses Roman Steppenwolf nannte, war es schon einmal so. Spätestens, als Steppenwolfs „Born to Be Wild“ im Film „Easy Rider“ um die Welt ging, galt Hesse bei den Hippies als der heißeste Scheiß.

Auch „Easy Rider“ enthält Zitate: „Am Morgen ein Joint, und der Tag ist dein Freund.“ Vielleicht ist die Gesellschaft noch nicht so weit, dass man solche Zitate in staatstragende Reden einbauen kann, der eine oder andere Volksvertreter, zu dem es passen würde, fällt einem aber vielleicht schon ein. Auch Bukowski-Zitate sollten nicht geringgeschätzt werden und können über so manche Abstimmungsniederlage ­hinwegtrösten: „Das Leben ist eine Illusion, hervorgerufen durch Alkoholmangel.“ Aber so jung, wie die Staats- und Parteichefs neuerdings sind, darf man gespannt sein, welche Zitate en vogue sein werden. Bei acht dicken Bänden wird jedenfalls der Vorrat an „Harry Potter“-­Zitaten nicht so schnell aufgebraucht sein.

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