Die Ich-Pleite: Weiterbildungsmaßnahme

Annemarie
AnnemarieDie Presse Schaufenster
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Manche Dinge, die als Fehler angefangen haben, endeten als Fortschritt der Menschheit.

Das Penicillin etwa. Das Ergebnis unsauberer Labor-Arbeit. Oder Viagra. Ursprünglich als Bluthochdruck-Medikament gedacht. So etwas gibt es jetzt auch auf Gesetzesebene. Das Antiverhüllungsgesetz. Angeblich als Antifrauendiskriminierungs-Maßnahme gedacht, entpuppt es sich nun als geniale polizeiliche Weiterbildungsmaßnahme. Die Idee ist: Man stellt den Exekutivorganen nahezu unlösbare Aufgaben und hofft auf Learning by Doing. Aufgabe 1: Bei einer Außentemperatur von 10° fährt eine Radfahrerin mit Schal vor dem Mund vorbei. Hat sie a) Zahnschmerzen, b) eine Erkältung, c) eine verunglückte Lippenaufspritzung hinter sich oder d) Übles im Sinn? Aufgabe 2: Ein Straßenmusiker trägt eine Pferdemaske. Handelt es sich dabei um einen a) Musikkünstler b) Performance-Künstler c) krankhaft schüchternen Menschen d) Otherkin (Menschen, der sich mit Tieren identifiziert) oder e) Tatverdächtigen? Wenn man bedenkt, dass sogar Mozarts Zauberflöte von Zeitgenossen verrissen worden ist, weiß man, wie schwierig das ist!

Da möchte man nicht diejenige sein, die dem Pferdemenschen sagen muss, dass seine Darbietung keine Kunst ist. Und schließlich die psychologisch schwierigste Aufgabe: Ist der als Haifisch, Ananas oder Sandwich verkleidete Erwachsene mit den Gutscheinen in der Hand ein „Tatprovokateur“ oder jemand, der seinen Beruf ausübt? Ich weiß nicht, ob das ohne Lügendetektor geht. Weil so manch enttarntes Sandwich zahlt vielleicht lieber 50 Euro, als zuzugeben, dass es so sein Geld verdient. Wer alle Aufgaben richtig löst, kann Spitzendiplomat werden. Oder Elternteil.

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