Erlend Øye: Sensibler Meister aus Norwegen

(C) De Mayda
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„In meinen jungen Jahren hatte ich schlechte Manieren“, bekennt Erlend Øye. Nach elf Jahren Pause hat er wieder ein feines Soloalbum vorgelegt.

Kaum jemand hat die Popmusik der Nullerjahre mehr geprägt als der Norweger Erlend Øye. Gemeinsam mit Eirik Glambek Bøe hat er unter dem Signet Kings Of Convenience im Duo à la Simon   &   Garfunkel charmiert. Außerdem hat er mit seiner Berliner Tanzformation Whitest Boy Alive der Melancholie Beine gemacht. Zudem hat er als DJ die Clubs des Kontinents bereist. Nun hat er mit „Legao“ endlich wieder ein Soloalbum aufgenommen.

Sie beginnen Ihr Album mit einem Lied über eine rabiate Frau. Sind die Herren heutzutage das schwächere Geschlecht?
Es kommt auf das Land an. In Korea sieht es auf den ersten Blick so aus, als wären Frauen den Männern untergeordnet. Schaut man genauer hin, sieht man, dass die Männer den ganzen Tag herumhecheln, um zu versuchen, ihre Frauen glücklich zu machen. Das ist harte Arbeit. In anderen Kulturen ist es andersrum. Da geht es den Frauen darum, die Männer zu verwöhnen. In Skandinavien ist die Emanzipation sehr weit fortgeschritten, dennoch sehe ich in Italien, wo ich heute lebe, mehr Menschen, die mit der Rolle, die ihnen ihr Geschlecht zuweist, glücklich sind.

War es eine Art von Kulturschock, von Bergen nach Syrakus in Sizilien zu übersiedeln?
Nein. Ich bin ja gerade wegen der Alltagskultur der Italiener hingezogen. Gelebt hab ich schon in mehreren Ländern. Mit zwanzig nach London zu ziehen, das war ein Kulturschock. Die Leute fragten mich „How are you?“, und ich erzählte ihnen, was so in meiner Welt los war. Das hat die Engländer total verwirrt. Irgendwann begriff ich, dass man da nicht antwortet. In Italien musste ich mich daran gewöhnen, dass man alles bestätigen muss, was man besprochen hat. Wenn man sich ausmacht, an den Strand zu gehen, dann muss man nochmals anrufen und bestätigen. Sonst passiert nichts.


In Berlin haben Sie auch viel Zeit verbracht. Ihr Resümee?
In Berlin lebte ich zum ersten Mal ganz allein. Da lernte ich eine Menge über mich. Vor allem aber verbesserte ich mein Verhältnis zu anderen Menschen. In meinen ganz jungen Jahren hatte ich schon ziemlich schlechte Manieren. Für einen Norweger ist es sehr einfach, in Berlin Freunde zu gewinnen.


Ihre Berliner Band The Whitest Boy Alive haben Sie aufgelöst.
Weil sie mit meinen akuellen Ideen nicht viel anfangen kann. Man muss eben alle paar Jahre etwas anderes machen, will man als Musiker frisch bleiben. Außerdem leide ich seit ein paar Jahren an Tinnitus. Für mich ist es besser, ruhigere Sounds zu machen.


Mit „Legao“ legen Sie nun, elf Jahre nach Ihrem Debüt, Ihre zweite Soloplatte vor. Was war der künstlerische Plan?
Ich las dieses Buch über das amerikanische Soul-Label Motown. Es hatte eine Hausband, die einfach alles spielte. So etwas Ähnliches schwebte mir vor. Aber auch das, was ich in Neil Youngs Biografie über die Magie der ersten Proben gelesen hatte. Er hat seine Musiker aufgenommen, als sie sich die Songs gerade angeeignet haben. Als sie dann sagten, sie wären jetzt für die Aufnahmen bereit, meinte Young nur: „Wie meint ihr das? Wir haben schon aufgenommen.“ Ich hab mir die isländische Band Hjálmar angelacht und machte es im Grunde im Studio in Reykjavík ganz ähnlich. Es ging mir um Frische.


In „Fence Me in“ singen Sie: „Why do we always have to choose, who we love“ – empfinden Sie die Liebe als Strapaze?
Auf jeden Fall. In diesem Song geht es aber hauptsächlich um jene Eifersucht, die sich in deiner näheren Umgebung einstellt, wenn du eine neue Freundschaft beginnst – es muss gar nicht Liebe sein.


Die meisten Ihrer Songs sind unverstellt melancholisch. Ist das Ihre Lesart der Welt?
Das würde ich schon meinen. Was dazu kommt, ist, dass für einen Musiker nichts schwieriger ist, als happy Sounds zu kreieren. Mit Whitest Boy Alive haben wir zwar Tanzmusik gemacht, aber die Melodien waren total traurig. Wir zelebrierten Melancholie mit Beat. Das war schon ziemlich einmalig. Der existenziellen Trauer einen Groove zu verleihen war jetzt auch mein Ziel mit dieser isländischen Reggaeband.


Mit der ersten Single, „Garota“, ist Ihnen ein Ohrwurm erster Güte geglückt. Was ist die Geschichte dieses Liedes?
Ich habe „Garota“ 2005 komponiert. Manche Lieder brauchen Zeit, bis sie reif für eine Aufnahme sind. Hjálmar haben diesen Song grandios gespielt.


Wie läuft Ihr kreativer Prozess?
Viel Alleinsein ist essenziell für mich. Nur dann setzt sich mein Gehirn in Bewegung.


Sie singen auf Ihrem neuen Album sehr viel über die Liebe.Ist da nicht schön langsam alles gesagt?
Es mag schon viel gesagt worden sein, aber die Liebe bleibt dennoch eine der größten Emotionen im menschlichen Leben. Stets ist da auch Sehnsucht, Verlangen, Schmerz. Die raren Momente, in denen sich Liebe in positiver Weise manifestiert, brennen sich dennoch in jedes Gehirn ein und verlangen nach
Wiederholung.


Ich finde es sehr schön, dass Sie mit Ihrer Mutter nach Sizilien gezogen sind. Wie kam das?
Wir sind sehr vertraut miteinander. Mir war wichtig, dass ich ihr helfe, ihren Traum zu erfüllen, ein Haus in Italien zu kaufen. Mir ist klar, dass es etwas sehr Spezielles ist, wenn man in meinem Alter
mit der Mutter zusammenlebt. Aber es ist okay, ich bin ja oft auf Tournee . . .

Tipp:

Erlend Øye wurde 1975 in Bergen geboren und begann als Teil des Popduos Kings of Convenience. Sein neues Album, „Legao“, ist bei Bubbles erschienen

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