Fabien Baron: Stille Größen

(c) Fabien Baron
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Auf Fabien Barons Fotografien wirken Eisberge in Grönland wie Monumente der Natur.

Ein kreativer Tausendsassa ist der in New York lebende Franzose Fabien Baron jedenfalls, das steht fest. Außerdem ist er aber offenbar ein draufgängerischer Naturbursch, der sich sogar im ewigen Eis wohlfühlt. Coolness ist wahrscheinlich der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich diese beiden Welten reduzieren lassen.

Zunächst ein paar Worte zur Person: Baron hat so wichtigen Modemagazinen wie der italienischen „Vogue“ seit den Achtzigerjahren eine neue visuelle Identität verschafft, ist heute noch als Art Director für die amerikanische Ausgabe des von Andy Warhol gegründeten „Interview“-Magazins verantwortlich. Nebenher betreibt er die Agentur Baron & Baron, kümmert sich um Markenauftritte und entwirft Corporate Identities, die nicht selten beispielhaft werden. Seinen Ausgleich zu diesen vielfältigen Facetten eines Office-Jobs findet Baron offenbar in der Natur. Dabei begibt er sich allerdings nicht einfach nur, was am einfachsten wäre, in die Hamptons oder das Hudson Valley, sondern es zieht ihn auch in so wenig nahe liegende Gegenden wie das unwirtliche Grönland. Eine Landschaft, die ihn, wie er gegenüber dem „Schaufenster“ bemerkt, bereits bei seinem ersten Besuch so faszinierte, dass er sie Anfang dieses Jahres für ein großes Fotoprojekt wieder aufsuchen wollte. Im Mittelpunkt standen die gigantischen Eisbergspitzen, die dort gleich Denkmälern der Natur aus dem Wasser ragen. „Ich wollte sie so zeigen, wie man sie noch nicht kennt“, sagt Baron. „Die Herausforderung war es, diese Eisberge zu fotografieren, ohne in die Bildsprache der Naturfotografie abzurutschen.“

Ästhetik des Klassizismus. Nicht, fügt Baron rasch hinzu, dass er etwas gegen die Anmutung von Magazinen wie „National Geographic“ habe – bloß für seine eigene Arbeit schwebe ihm anderes vor. Einen guten Eindruck von seinen Ansprüchen vermittelt der 2008 erschienene Bildband „Liquid Light“ (Steidl), in dem eindrückliche, schnörkellose und sehr atmosphärische Naturaufnahmen aus zwei Jahrzehnten versammelt sind.

Überhaupt könnte man sich versucht sehen, an die bekannte Phrase „edle Einfalt und stille Größe“ des deutschen Klassizisten Winckelmann zu denken, wenn man Fabien Barons Naturaufnahmen sieht. Die Eisberge (oder eigentlich Eisbergspitzen), die er im April dieses Jahres in Grönland ablichtete, muten wie schwimmende Monumente an. Das Material, aus dem sie bestehen, ist im Kontrast aus Licht und Schatten fast nicht auszumachen, und den Bildern kommt eine fast grafische Simplizität zu.
„Ich trenne strikt zwischen meinen kommerziellen Projekten und jenen, die eher künstlerischer Natur sind“, unterstreicht Fabien Baron. Bei den in Grönland entstandenen Eisbergfotografien sei aber das eine zum anderen gekommen. „Dass ich in Grönland einmal fotografieren möchte, stand für mich seit meinem ersten Besuch in der Region fest“, sagt Baron. „Nur der konkrete Anlass fehlte noch.“

(c) Fabien Baron

Als er vor ungefähr einem Jahr vom Präsidenten der italienischen Modemarke Moncler, Remo Ruffini, angesprochen wurde, ob er für ein spezielles Kooperationsprojekt zur Verfügung stehe, tauchte das Vorhaben, die gigantischen Eisberge zu fotografieren, wieder auf. Dass das Medium der Fotografie gewählt werden sollte, war eine praktische Grundvoraussetzung: Moncler hat in Zusammenarbeit mit Leica einen Apparat aus der Leica-X-Serie gestaltet, dieses Produkt sollte gefeatured werden. „Die Leica X von Moncler war bei unserer Expedition mit an Bord“, betont Baron. „Mit ihr haben wir die Backstage-Bilder fotografiert.“ Die Aufnahmen, die er von den Eisbergen machen wollte, wären aber mit diesem kleinen Apparat nicht möglich gewesen. Dafür wurde ihm eine Kamera aus der Leica-S-Serie zur Verfügung gestellt.

Großformate auf Wanderschaft. Zum ersten Mal wurden Fabien Barons Grönland-Bilder der Öffentlichkeit bei Sotheby’s in London am Rande der Frieze-Kunstmesse gezeigt (seit 14. Oktober, siehe www.sothebys.com). In den folgenden Monaten sollen sie auf Weltreise gehen und ihre Wirkung auch anderswo entfalten. „Das große Format von zwei mal zehn Metern“, so Baron, „entspricht dem imposanten Charakter der Eisberge.“ In aufreibenden Nachtschichten sind die Bilder entstanden, fotografiert wurde zumeist zwischen 21 Uhr und drei oder vier Uhr morgens. „Ganz dunkel wurde es aber auch in diesen Stunden nicht, obwohl wir nicht während der weißen Nächte fotografierten. Doch ein Schimmer von Licht blieb immer um uns bestehen“, erzählt Baron.

Als Außenstehender, mit der Natur unvertrauter Dokumentarist war Fabien Baron mit seinem Team auf die Unterstützung von Einheimischen angewiesen: „Sie hatten sehr großen Respekt vor diesen riesigen Gebilden“, erinnert sich Baron, „und wenn ich darauf bestand, noch näher an einen Eisberg heranzufahren, zeigten sie sich oft vorsichtig.“ Als eines Nachts in unmittelbarer Nähe seines Schiffs ein entzweigebrochener Eisberg relativ weit von der über dem Wasser sichtbaren Spitze emporschnellte, erschloss sich freilich auch Fabien Baron der Hintergrund dieses von großem Respekt getragenen Verhaltens. „Erst da wurde mir bewusst, dass diese stillen Riesen durchaus etwas Bedrohliches haben. Umso eher wollte ich ihnen durch meine Aufnahmen mit Ehrfurcht begegnen.“

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