Daniel Craig: "Kampfszenen machen mich an"

Bond spielen zu dürfen, sei ein Privileg, sagt Daniel Craig. Die hohe Erwartungshaltung bei dieser Rolle motiviert ihn besonders.

Zehn Jahre ist es her, dass der Brite Daniel Craig, als Sohn eines Stahlarbeiters und einer Kunstlehrerin 1968 in Chester geboren, zum Geheimagenten James Bond gekürt wurde. In "Spectre" spielt Craig nun zum vierten Mal die Rolle, in der er Pierce Brosnan ablöste. Beim Gespräch in Berlin wirkt Craig entspannt. Er spricht offen über seinen Leichtsinn, der ihm bei den Dreharbeiten zu "Spectre" eine Knieverletzung bescherte, outet sich als Katzenfreund und will noch nicht nachdenken, ob es ein fünftes Mal für ihn in der Bond-Rolle geben wird. Mit seinem Film-Gegenspieler Christoph Waltz versteht sich Craig offenbar blendend: "Waltz ist ein Vollblutschauspieler, sehr komisch, er hat alles aus der Figur herausgeholt und war exakt das, was wir uns für diesen Film gewünscht hatten."

Lassen Sie uns zu Beginn die Frage aller Fragen klären: Werden Sie noch einen fünften Bond machen?

Ich bin offen für die Idee. Aber in diesem Moment habe ich wirklich keine Ahnung, wie meine Zukunft im Bond-Universum aussehen wird. Es ist gar nicht so, dass es eine besonders schwere Entscheidung für mich ist, mit der ich mich herumquäle. Ich will nur gerade beim besten Willen nicht darüber nachdenken. Ich habe gerade zwei Jahre meines Lebens ausschließlich diesem Projekt gewidmet. Wenn Sie jetzt Sam Mendes fragen, würde er Ihnen dasselbe erzählen. Würde ich wieder mit Sam arbeiten? Natürlich. Ich würde morgen mit den Dreharbeiten beginnen. Aber ob wir einen weiteren Bond zusammen machen? Keine Ahnung. Und das ist meine ehrliche Antwort. Ich will Sie nicht hinhalten.


Sie trinken Espresso, untypisch für Bond.

Sie meinen, weil ich keinen Schuss Scotch in meinem Kaffee habe? Woher wissen Sie denn, dass der nicht drin ist?

(c) Sony

Ich werde das nachher mal überprüfen. Würden Sie Bond nicht vermissen?
Das ist schwer zu sagen. Ich werde ja immer wieder gefragt: Was ist das Beste daran, James Bond zu sein? Da gibt es viele schöne Aspekte, die diese Rolle mit sich bringt. Aber mir gefällt vor allen Dingen die Arbeit. Ich liebe es, mit diesem Team zu arbeiten. Wir sind wie eine Familie. Das ist etwas ganz Besonderes. Das würde ich vermissen. Aber andererseits kann ich dieses Gefühl bis zu einem gewissen Grad auch bei anderen Filmprojekten erleben. Ich werde einzelne Menschen vermissen. Aber ich höre ja nicht auf zu arbeiten. Man trifft sich in dieser Branche immer wieder. Und mit den meisten dieser Leute arbeite ich jetzt schon seit dreißig Jahren zusammen.


Zwei Jahre an einem Film zu arbeiten, das ist eine lange Zeit. Ist das ein Problem für Sie?

Du vermisst deine Familie, das ist klar. Und das ist der schwierigste Teil dieser Arbeit. Die Verletzungen und die Überstunden sind nicht so dramatisch. Aber das geht ja allen so, die an so einem Projekt arbeiten.


Apropos Verletzungen: Sie sind der Bond-Darsteller, der die meisten Stunts selbst macht.

Ich muss wohl ein Idiot sein (lacht). Die Kampfszene, die ich im Film mit Ex-Wrestler Dave Bautista habe, haben wir sechs Wochen geprobt. Ich wollte das hinter mir haben, weil es anstrengend war. Er bewegt sich so schnell. Trotzdem habe ich mich in einem Moment am Knie verletzt.


Sie mussten sogar operiert werden, nicht?

Ich dachte, ich könnte weitermachen. Aber irgendwann ging es wegen der Schmerzen einfach nicht mehr. Die Verletzung war doch schlimmer als vermutet. Ich musste die Geschichte also behandeln lassen und hatte zwei Wochen Pause. Danach ging es wieder. Dummerweise musste ich anschließend die Szene fertigdrehen. Aber ganz ehrlich? Irgendwie machen mich diese Kampfszenen an. Denn sie machen richtig Spaß. Du kommst an einen gewissen Punkt, an dem du das Gefühl hast, mit dem Kollegen zu tanzen. Da sind so viele Sachen, an die ich dabei denken muss. Zum Beispiel muss ich immer im richtigen Winkel zur Kamera stehen. Und wenn du das hinkriegst, hat es etwas extrem Befriedigendes. Mein Herz schlägt dann tatsächlich schneller.


Spielen Sie die Rolle immer noch mit so viel Leidenschaft wie vor zehn Jahren?

Ich glaube, ich bin heute sogar noch leidenschaftlicher. Und wenn ich vorher so eine Art Masterplan dafür gehabt hätte, wie meine Idealvorstellung eines Bond-Films aussehen sollte, dann wäre es "Spectre" gewesen. Die Besetzung ist außergewöhnlich, unsere Autoren sind fantastisch, die ganze Crew ist dermaßen talentiert. Und das war für mich oberste Priorität, als wir vor zehn Jahren mit Bond angefangen haben: Ich wollte die talentiertesten Leute für dieses Projekt.


Woher nehmen Sie diesen Enthusiasmus?

Ich bin nicht jeden Tag enthusiastisch. So funktioniert es leider nicht. Dafür arbeiten wir zu lang an einem Film, insgesamt immerhin zwei Jahre. Sehen Sie, Bond-Filme sind ganz außergewöhnliche Projekte, und nicht jeder hat die Chance, solche Filme zu machen. Es ist ein Privileg, und das will ich genießen, ich will Bond feiern. Und darum geht es jetzt, da der Film fertig ist. Alles, was jetzt noch zählt, ist das Publikum und ob es den Film mag.


Wie gehen Sie mit dieser Art von Erwartungshaltung und dem Druck um?

Für mich ist es eine gute Form von Druck. Es ist die Art von Druck, die dich aufblühen lässt und zu Bestleistungen antreibt, wenn du ihn positiv annimmst. Und bei einer Herausforderung wie dieser stehe ich ja nicht allein da. Schon Sam Mendes als Regisseur zu haben ist Luxus. Und wenn es irgendetwas gibt, was nicht funktioniert, dann habe ich genügend Spezialisten an meiner Seite, die wissen, wie man so etwas repariert.

(c) Sony

Wenn man den Film sieht, stellt man sich die Dreharbeiten wie einen gigantischen Entertainment-Park für große Jungs vor. Was hat Ihnen besonders viel Spaß gemacht?

Die große Eröffnungssequenz. Aber das lag auch daran, dass wir in Mexico City gedreht haben. Das ist eine fantastische Stadt, so lebendig. Wir hatten Tausende von Komparsen am Set, alle in Kostümen und mit Make-up. Und jeder Einzelne war mit großer Freude dabei. Und der Spaß entstand aus diesem Gemeinschaftsgefühl heraus, wenn so viele Menschen zusammen an einer Sache arbeiten. Das ist einfach toll.


Eine Liebesszene mit Monica Bellucci zu drehen macht keinen Spaß? Was können Sie uns darüber berichten?

Dazu kann ich nur zwei Worte sagen: Monica Bellucci. Dem ist nichts hinzuzufügen. Sie ist außergewöhnlich schön und talentiert. Es heißt ja jetzt immer, sie sei das älteste Bond-Girl aller Zeiten. Aber ganz ehrlich? Wir wussten nicht, wie alt sie ist, als wir sie gecastet haben. Da war diese Rolle, und wir haben sofort ihren Namen dazugeschrieben. Denn sie ist die perfekte Besetzung.


Warum sind die Liebesszenen eigentlich so kurz?

Weil der Film ab zwölf Jahren freigegeben werden sollte. Was hatten Sie sich denn vorgestellt? Mehr als das geht nicht. Das wäre zu viel. Diese Art von Liebesszenen habe ich in anderen Filmen gespielt.


Haben Sie mehr zu sagen, seitdem Sie auch Koproduzent des Films sind?

Ich hatte immer eine große Klappe. Und ich habe den Produzenten gleich zu Beginn gesagt, wenn sie mich für diese Rolle spielen lassen, wäre ich gern am gesamten Entstehungsprozess beteiligt. Dann kann ich die Rolle spielen. Man war so generös, mir das zuzugestehen und diesmal noch generöser, mich zum Koproduzenten zu machen. Glücklicherweise bin ich nicht für das Budget verantwortlich, denn in Mathematik bin ich gar nicht gut.


Da wir gerade beim Budget sind: Was verdienen Sie eigentlich wirklich pro Film?

Was ich verdiene? Eine Menge. Im Ernst, ich habe richtig großes Glück.


Ihr Drehbuch wurde von Hackern ins Internet gestellt. Wie haben Sie darauf reagiert?

Das war eine frühe Fassung und hatte nicht mehr viel mit unserer Geschichte zu tun. Natürlich war es trotzdem nervtötend. Du versuchst, ein gutes Drehbuch zu schreiben, und plötzlich kann es jeder lesen. Aber letztendlich war es egal.

(c) Sony



Sie waren sogar wochenlang damit beschäftigt, mit Modedesigner Tom Ford die Garderobe von Bond zu entwickeln. Was war Ihnen dabei wichtig?

Tom hat fantastische Schneider, die all unsere Anforderungen in die Tat umsetzen konnten. Wir haben zum Beispiel relativ kurzfristig achtzig Anzüge angefordert, und sie konnten liefern. Was mir wichtig ist? Der Schnitt natürlich. Ich habe für diesen Film Gewicht verloren und wollte, dass die Anzüge enger sitzen. Ich war vorher muskulöser. Und da mussten wir erst einmal wieder den richtigen Schnitt finden und haben verschiedene Sachen ausprobiert. Wir haben uns tagelang Anzüge angesehen. Aber es ist wirklich wichtig, denn immerhin ist es James Bond. Und der muss elegant sein.


Dürfen Sie die Anzüge behalten?

Ich behalte ein paar Anzüge. So viel Platz habe ich ja nun auch nicht in meiner Garderobe. Achtzig Anzüge passen da nicht rein, und die brauche ich auch gar nicht. Die meisten sind ja durch die Dreharbeiten sowieso ziemlich ramponiert. Außerdem versteigern wir einige Anzüge für wohltätige Zwecke. Und da kommt gutes Geld zusammen.


Ohne zu viel zu verraten: Es kommt ein Haustier in diesem Bond vor. Haben Sie ein Haustier?

Ich habe eine Katze. Katzen sind tolle Tiere, weil man nie weiß, was sie als Nächstes machen. In "Verblendung" hatten wir auch eine sehr sympathische Katze am Set, mit der ich mich ein bisschen angefreundet habe.


Wie heißt Ihre Katze?

Das kann ich Ihnen nicht verraten. Das ist zu privat.


Lassen Sie uns über Christoph Waltz sprechen.

Der ist auch eine Art Tier. Sehen Sie, wir hatten diese schöne Rolle und dachten uns heimlich, es wäre doch fantastisch, wenn Christoph das spielen könnte. Und wenn ich scherzhaft sage, er sei ein Tier, dann meine ich, dass er ein Vollblutschauspieler ist. Er ist sehr komisch, hat alles aus dieser Figur herausgeholt und war exakt das, was wir uns für den Film gewünscht hatten. Ich liebe es, mit ihm zu arbeiten. Abgesehen davon, dass er seine beiden Oscars überall mit sich herumschleppt, was ein wenig seltsam ist. Kleiner Scherz. Er legt die Messlatte automatisch für alle anderen höher. Aber Ralph Fiennes ist auch so ein Kandidat.


Hätten Sie gern einen Oscar?

Ich denke Tag und Nacht an nichts anderes: Wie kann ich einen Oscar bekommen? Aber im Ernst, das ist mir nicht wichtig.


Sie engagieren sich jetzt unter anderem auch für ein Projekt der UNO, in dem es um die Räumung von Landminen geht. Was genau ist Ihre Aufgabe?

Ich war kürzlich auf Zypern, wo immer noch Minenfelder geräumt werden müssen. Die UNO hat für dieses Projekt nicht genug Geld, und ich unterstütze sie dabei, dieses Geld durch Spenden zu organisieren.


Sie sind ein großer Fußball-Fan, Ihr Verein ist Liverpool. Was halten Sie vom neuen Trainer?

Herr Klopp ... Ich will dazu nicht zu viel sagen, weil ich in dieser Beziehung abergläubisch bin. Aber fest steht, er hat einen schwierigen Job vor sich. Ich sage mir allerdings: Er hätte den Job ja nicht angenommen, wenn er nicht davon überzeugt wäre, dass er das hinkriegt. Ich habe ihn noch nicht getroffen, aber das würde ich wirklich gern. Er ist eine großartige Persönlichkeit und genau der richtige Mann für Liverpool. Er wird uns in die richtige Richtung führen.


Sie kennen sich in Berlin gut aus. Wenn Sie Zeit zum Ausgehen hätten, wo würde man Sie da treffen?

Ich habe leider keine Tipps mehr. Ich war früher in einigen wirklich obskuren Clubs, aber das war in den Neunzigern. Das ist lang her, und die Stadt hat sich so verändert. Ich kenne mich gar nicht mehr aus. Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich hier in Berlin eine der besten Zeiten hatte, die ich jemals in einer Stadt erlebt habe. Die Leute hier sind sehr gesprächig. Du gehst in eine Bar und wirst einfach angesprochen. Das gefällt mir. Und alle sprechen perfekt Englisch. Sie wollen wissen, wer du bist und woher du kommst. Leider kann ich das ja nicht mehr so einfach erzählen.

Tipp

„Spectre“. Der neue Bond-Film mit Daniel Craig, Monica Bellucci, Léa Seydoux, Christoph Waltz, Ralph Fiennes, ab sofort im Kino.

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