Isabelle Huppert: „Ich vertraue vor allem mir selbst“

Isabelle Huppert in „Valley of Love/„Tal der Liebe“.
Isabelle Huppert in „Valley of Love/„Tal der Liebe“.(c) Filmladen Filmverleih
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Isabelle Huppert im Gespräch über die Arbeit mit Gérard Depardieu für „Valley of Love“ und das Leben in Paris nach den Terroranschlägen.

Mit energischen Schritten betritt Isabelle Huppert die Hotelsuite, in der das „Schaufenster“ sie zum Interview trifft. Die zierliche, nur 1,60 Meter große Schauspielerin wirkt auf den ersten Blick distanziert. Doch als sie ihr Gegenüber charmant lächelnd begrüßt, ist da viel Wärme in ihren Augen. Kaum eine andere Schauspielerin ihrer Generation hat den französischen Film so geprägt wie Huppert. Sie gilt als Darstellerin tiefgründiger Charaktere, deren zerbrechliche Erscheinung mit ihrer Willensstärke kontrastiert. Eine intensive Arbeitsbeziehung hatte sie zu Claude Chabrol, mit dem sie „Violette Nozière“ oder „Biester“ drehte. Auch Michael Haneke gehört zu ihren bevorzugten Regisseuren, für ihre Rolle in „Die Klavierspielerin“ nach Elfriede ­Jelineks Roman wurde sie 2001 als Beste Darstellerin beim Film­festival in Cannes ausgezeichnet. Parallel zu ihrer Filmarbeit hat sich Huppert auch als Theaters chauspielerin einen Namen gemacht. Nun ist sie an der Seite von Gérard Depardieu im Film „Valley of Love“ zu sehen. Die beiden spielen ein getrennt lebendes Paar, das nach dem Suizid des Sohnes ins Death Valley nach Kalifornien reist.

Madame Huppert, Sie gelten als sehr wählerisch. Was hat Sie ausgerechnet an dieser Rolle gereizt?
Ich finde, der Film ist wie ein chemisches Experiment. Es wurden zwei französische Schauspieler, Gérard und ich, mitten in diese Wüste verfrachtet, und dabei ist etwas sehr Interessantes herausgekommen. Und die Idee des Films hat mir gefallen, sie ist sehr originell. Ich mag die schlichten Dialoge, deren Brillanz zwischen den Zeilen liegt. Ich sehe das als schönes Geschenk für mich.

(c) Filmladen Filmverleih


Wie hat es sich angefühlt, nach mehr als 30 Jahren wieder mit Gérard Depardieu vor der Kamera zu stehen?
Wir waren sehr glücklich, dass wir wieder miteinander arbeiten durften. Wir haben es auch nicht anders empfunden als vor 30 Jahren. Es fühlte sich an, als hätte ich mit jemandem eine Zugreise gemacht, sei einmal kurz ausgestiegen und an der nächsten Station wieder eingestiegen. Und ich habe den Eindruck, das Ergebnis dieser Reise ist genauso schön wie damals.


Vor der Kamera liefern Sie sich Ihrem Regisseur ganz aus. Woher nehmen Sie dieses Vertrauen?
Ich vertraue vor allem mir selbst. Ja, ich brauche dieses Vertrauen. Denn letztendlich muss ich mich vor der Kamera wohlfühlen, um selbstbewusst genug zu sein. Und ich verrate Ihnen jetzt einmal etwas: Als Schauspielerin muss man ein sehr naiver Mensch sein und gleichzeitig sehr misstrauisch. Sonst bist du tot.


Sie haben einmal gesagt, die Schauspielerei sei eine gute Möglichkeit, seinen Wahnsinn auszuleben. Was meinen Sie damit?
In meinem Beruf kann ich alles rauslassen, was in mir steckt. Alle Formen von Emotionen, bis hin zum Wahnsinn. Doch das Gute daran ist: Ich muss für diese Art von Freiheit kein Risiko eingehen. Es gibt keine Auswirkungen auf mein reales Leben. Denn ich lebe ja nur Fiktionen aus, die so im Drehbuch stehen.


Sie meinen, als Schauspielerin leben Sie durch Ihre Rolle viele unterschiedliche Leben?
Na ja, bis zu einem gewissen Grad. Aber eigentlich sehe ich es so: Ich habe schon genug damit zu tun, mein eigenes Leben zu leben. In unser aller Leben stecken schon so viele Facetten, dass es sich oft wie viele verschiedene Leben anfühlt.


Sie wussten bereits als junges Mädchen, dass Sie einmal Schauspielerin werden wollen. Erinnern Sie sich noch an den Moment, als Sie zum ersten Mal diesen Wunsch verspürt haben?
Als ich das erste Mal gespielt habe. Da wusste ich sofort, dass ich das einmal als Beruf machen möchte. Aber auch dieser Moment war eigentlich nicht die ganz große Offenbarung für mich. Denn im Grunde genommen habe ich schon immer gespürt, dass in mir eine Schauspielerin steckt. Seit ich denken kann, war das so.

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Hat sich dieses Gefühl im Laufe der Jahre verändert?
Da hat sich nichts Wesentliches geändert. Ich hatte von Anfang an dieses ganz besondere, wunderbare und unbeschreibliche Gefühl, wenn ich vor einer Kamera oder auf der Bühne stand. Und das habe ich nach all den Jahren immer noch. Ich habe auch nicht den Eindruck, mir dabei etwas angeeignet oder mich von etwas befreit zu haben. Aber natürlich spiele ich jetzt andere Rollen als zu Beginn meiner Karriere.


Was haben Sie von dem deutschen Regisseur und Theaterintendanten Peter Zadek gelernt, mit dem Sie Shakespeares „Maß für Maß“ gemacht haben?
Ich habe ihn sehr bewundert. Er hat mir geholfen, auf der Bühne so zu werden, wie ich sein wollte: wahrhaftig und authentisch, dem Leben so nah wie möglich. Danach suchen wir, wenn wir ins Theater gehen. Du willst keine erfundenen Menschen, sondern echte Charaktere auf der Bühne sehen. Große Regisseure drängen dich in diese Richtung. In der Vorstellung der Leute haben Bühnenschauspieler einen höheren Rang als jene vom Film. Aber ich hatte oft mit zu viel Respekt vor dem Text zu kämpfen. Am Theater bin ich vielen spannenden Menschen begegnet. Das war stets eine große Freude.


Wie ist das Leben in Paris seit den Terroranschlägen am 13. November 2015? Beeinflussen diese auch die Künstler?
Wir können alle immer noch nicht glauben, was da passiert ist. Es fällt mir nach wie vor schwer, darüber zu sprechen. Diese Anschläge haben große Auswirkungen auf uns alle, weil sie Angst erzeugen. Es ist das, worüber im Moment alle sprechen und worüber in den Zeitungen geschrieben wird. Wir alle haben so viele Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Diese Angriffe haben zur Folge, dass wir uns in großer Unruhe und Unsicherheit befinden.

Tipp

„Valley of Love/„Tal der Liebe“ von Guillaume Nicloux; die französisch-belgische Koproduktion ist derzeit im Kino zu sehen.

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