Kunst: Wechsel in den Chefetagen

(c) N. Lackner
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Es kommt Bewegung in die heimische Kunstlandschaft.
Die Direktorinnen und Direktoren der neuen Generation
haben auch neue Konzepte in der Tasche.

Florian Steininger

Der Spezialist für Neue Malerei ist designierter Leiter der Kunsthalle Krems.

(c) Lukas Beck

Künstlerischer Direktor der Kunsthalle Krems: So lautet Florian Stei-ningers Jobbezeichnung ab 1. Juli. Für den 42-Jährigen ist es das Debüt in leitender Funktion. 15 Jahre lang war er am Kunstforum Wien als Kurator und Experte für Gegenwartskunst und Kunst nach 1945 tätig. In lebhafter Erinnerung sind seine Personalen und zum Teil auch Österreich-Premieren von internationalen Malerei-Granden wie Willem de Kooning und Roy Liechtenstein. Dazu kommt als sein Spezialgebiet die Malerei der Neuen Wilden – jener jungen österreichischen Maler, die durch ihre Teilnahme an der legendären Ausstellung „Hacken im Eis“ 1986 im 20er Haus zu Shootingstars wurden. Dreien von ihnen – Siegfried Anzinger, Herbert Brandl, Hubert Schmalix – richtete Florian Stei-ninger, der als Sohn des Künstlers Erich Steininger buchstäblich inmitten von Kunst und Künstlern groß geworden ist, wichtige One-Man-Shows aus. Der Schweizer Sammler Hubert Looser betraute ihn zudem 2010 mit der Aufarbeitung und 2015 auch mit der Leitung seiner Kunstsammlung, die unter dem Titel „My Private Passion“ ebenfalls im Kunstforum Wien zu sehen war.

Geistreicher Kunstgenuss. In der Kunsthalle Krems wird Steininger ein Zeitfenster von 1960 bis zur Gegenwart bespielen. Neben der Malerei sollen auch Fotografie und andere Medien eine zentrale Rolle spielen. Installativ zu arbeiten ist ihm dabei allemal wichtiger als retrospektiv. „Ich sehe die Kunsthalle als einen Ausstellungsort im Jetzt, der die Möglichkeit bietet, direkt mit den Künstlern zu arbeiten“, sagt er. „Die Challenge liegt nicht im direkten Vergleich mit den großen Wiener Häusern, sondern in der Herausforderung der Stadt als Ausflugsdestination und Kulturhauptstadt von Niederösterreich. Die Kunsthalle Krems soll kein abgehobener Kunsttempel sein, sondern geistreichen Kunstgenuss bieten.“

Barbara Steiner

Die umtriebige Kunsthistorikerin und Kuratorin wechselt ans Kunsthaus Graz.

(c) N. Lackner

Die Noch-Leipzigerin mit niederösterreichischen Wurzeln wird am 1. Juli die künstlerische Leitung des Kunsthauses Graz übernehmen. Barbara Steiner tritt damit die Nachfolge von Peter Pakesch an, allerdings ohne die Intendanz des Universalmuseums Joanneum. Es ist nicht die erste Übersiedlung für die umtriebige Kuratorin, die in den 1990ern die Kunstvereine in Ludwigsburg und Wolfsburg und von 2001 bis 2011 die Leipziger Galerie für Zeitgenössische Kunst (GfZK) geleitet hat, bevor sie sich in den vergangenen Jahren auf ihre Lehrtätigkeit und freie Kuratorenprojekte konzentriert hat. Nach 23 Jahren in Deutschland empfindet sie den Wechsel nach Graz dennoch nicht als Rückkehr. „Graz und die Steiermark mit ihrer Nähe zu Südosteuropa haben ein großartiges Potenzial“, sagt sie. Die neue Aufgabe ist für sie „eine klare globale Agenda“, die es mit dem Lokalen und Regionalen, Vergangenheit und Gegenwart zu verschränken gilt. Die Möglichkeit, im Kunsthaus mit den anderen Abteilungen des Universalmuseums Joanneum zu kooperieren, sieht die leidenschaftliche Netzwerkerin als ideale Voraussetzung. „Ausstellungen machen bedeutet für mich immer, in Konstellationen zu denken. Mich interessiert diese Kooperation daher inhaltlich, nicht als ästhetisches Surplus.“

Blick fürs Dazwischen. Dabei richtet Steiner, die vor dem Kunstgeschichte- und Politikstudium an der Uni Wien die Grazer Ortwein-Schule mit dem Spezialgebiet Dekorative Gestaltung besucht hat, den Blick immer auch auf die Zwischenräume, räumliche wie inhaltliche: ganz konkret auf den Eingangsbereich etwa oder den Vorplatz des Kunsthauses als Zone des Übergangs zwischen drinnen und draußen. „Man soll das Gefühl haben, dass das Kunsthaus kein isolierter Ort ist, sondern dass es auch noch eine Welt gibt.“

Hans-Peter Wipplinger

Der 49-Jährige ist museologischer Direktor des Wiener Leopold-Museums.

(c) Christine Pichler

Es war ein gewisser Knalleffekt, als Hans-Peter
Wipplinger im vorigen Juni vom Vorstand des Leopold-Museums zum neuen museologischen Leiter bestellt wurde. Immerhin hat sich der 49-jährige Kunsthistoriker, der in seiner bisherigen Laufbahn rund 150 Ausstellungen kuratiert hat, vorwiegend mit zeitgenössischer Kunst profiliert: Yoko Ono, Joseph Beuys, William Kentridge, Anna Jermalaeva, Martha Jungwirth oder Erwin Wurm sind nur einige der Künstler, denen er in den Häusern, die er zuvor geleitet hatte – Museum moderner Kunst in Passau und Kunsthalle Krems – Personalen widmete. „Das Leopold-Museum entspricht mir, weil ich vom Theater über Tanz bis hin zu psychologischen Aspekten viele Interessen habe“, hält er dem entgegen. „Das epochenüberschreitende kunsthistorische Denken schließt nicht aus, am Puls der Zeit zu arbeiten.“ Wie er das meint, hat Wipplinger mit der ersten von ihm für das Leopold-Museum kuratierten Ausstellung demonstriert: einer ebenso dialogischen wie dialektischen Gegenüberstellung der bildhauerischen Werke von Wilhelm Lehmbruck (1881–1919) und der jungen Belgierin Berlinde de Bruyckere, Jahrgang 1964.

Zetrum für die österreichischen Moderne. In diesem Sinn ist sein Masterplan auch, ausgehend von der 150 Jahre umfassenden Sammlung des Museums, eine neue Sicht auf Wien um 1900 zu erschließen, auch in Kooperation mit anderen Institutionen. „Ich will das Leopold-Museum zu einem Haus machen, das das Gesamtkunstwerk Wien verstehen lässt – nicht nur in Hinblick auf die Malerei, sondern auch auf Design, Musik, Philosophie. Die Frage ist: Wie kann man das in Ausstellungen übersetzen? Es geht“, so Wipplinger, „um ein Denken zwischen den Etagen. Das Museum darf nicht stehen bleiben. Es ist wichtig, das Haus als Kulturgut zu präsentieren, das die österreichische Moderne thematisiert.“

Johanna Schwanberg

Modernisiert und restrukturiert wird das Dom Museum Wien Anfang 2017 wiedereröffnet.

(c) Christine Pichler

Noch läuft im Zwettlerhof hinter dem Stephansdom der Museumsumbau unter Federführung von Architekt Boris Podrecca auf Hochtouren. Parallel arbeiten die Künstler Johanna Kandl, Heimo Zobernig und Isa Rosenberger an In-situ-Wandtexten, Möbeln und Videos für beziehungsweise über das Dom Museum Wien und die zugehörige Sammlung Otto Mauer. Zur Eröffnung werden sie zusammen mit anderen zeitgenössischen Werken kontextualisiert mit den Zimelien des Domschatzes zu sehen sein, darunter Meisterwerken der Kirchenkunst wie der „Schreinmadonna“, dem Porträt von Rudolf IV. oder seiner ursprünglich aus dem Orient stammenden rätselhaften Grabhülle. Die Frau, die hinter den Kulissen die Fäden zieht, ist Museumsdirektorin Johanna Schwanberg. Sie zeichnet für die Neupositionierung und Modernisierung des Hauses verantwortlich. „Dieses Museum ist eine spezifische Institution mit einer eigenen Tradition und besonderen Schätzen“, sagt sie. „Es hat keinen Sinn, es zu führen wie jedes andere Museum. Es kann nicht darum gehen, Kirchenkunst zu illustrieren.“

Offenheit und Durchlässigkeit. Johanna Schwanberg sieht das Museum vielmehr als „Plattform, die auch räumlich nicht nur auf die Basis begrenzt sein soll“. Offenheit und Durchlässigkeit sind ihr daher ein Anliegen, wofür nicht nur die Kontextualisierung von alter und zeitgenössischer Kunst, das interkulturelle Museumscafé oder das ebenerdige gläserne Hofatelier als Raum für Workshops Ausdruck sind. Die Öffnung soll auch nach außen hin sichtbar sein, etwa indem der Vorplatz und die Sichtachse zum Stephansdom miteinbezogen werden. Last but not least ist ein zentraler Teil davon auch die Ermöglichung der künstlerischen Auseinandersetzung mit existenziellen sozialen Fragen, auch in Zusammenarbeit mit der Caritas.

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