Achim Bornhak: Der gespaltene Regisseur

Gefeiert. Akiz’ Film „Der Nachtmahr“ wird schon als Kultfilm gehandelt.
Gefeiert. Akiz’ Film „Der Nachtmahr“ wird schon als Kultfilm gehandelt.(c) Christine Ebenthal
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Tiefenpsychologie mit Stroboskop: Achim Bornhak über seinen als Kult gehandelten Film „Der Nachtmahr“.

In den Büros von Berliner Filmproduzenten war Akiz, mit bürgerlichem Namen Achim Bornhak, eine Zeit lang als der verrückte Typ bekannt, der mit einer verstörenden Puppe in einer Kiste herumrannte und um Geld bat, um über diese Puppe einen Film zu drehen. „Ich habe nicht mal nach viel Geld gefragt“, sagt Bornhak, ein großer Mann mit offenen Lederstiefeln, Bart, die zum Teil schon ergrauten Haare nach hinten gestrichen. „Wenn sie die Puppe gesehen haben, sind sie aber immer zusammengezuckt. Sie hat auch etwas Bizarres: Die eingeölte, pergamentartige Haut, durch die man die Adern sieht, dicke Hoden, Härchen . . .“

An der Figur, die schließlich im Film „Der Nachtmahr“ ihren großen Auftritt haben würde, hatte Bornhak da schon einige Jahre lang gearbeitet. 2001, er lebte gerade in Los Angeles, fertigte er aus Steinguss den ersten Entwurf. „Die Idee war, ein Mischwesen aus einem ganz alten und einem ganz jungen Wesen zu machen.“ Um die Figur – nackt, buckelig und faltig, mit langen dünnen Fingern, aufgeblähtem Bauch und halb geöffneten Lidern, hinter denen sich nichts zu befinden scheint – in verschiedenen Positionen drapieren zu können, baute er sie erst aus Silikon nach, dann aus Kaltschaum, Polyurethan, Schaumlatex.

„Wenn sie meine Puppe gesehen haben, sind sie immer zusammengezuckt.“
„Wenn sie meine Puppe gesehen haben, sind sie immer zusammengezuckt.“(c) Akizikon/Instagram

Ein Drehbuch aus Versehen. Während der Arbeit an der Puppe machte er Notizen und Skizzen. 2010 – er war pleite und lebte in einem Lastwagen – fand er diese beim Ausmisten wieder. „Ich habe sie wie ein Puzzle zusammengefügt, dabei ergab sich eine Geschichte.“ Fertig war das Drehbuch zu „Der Nachtmahr“, jenem Film, der im Vorjahr bei Festivals auf der ganzen Welt reüssierte und nun ins Kino kommt. Feuilletons feierten den Film als märchenhaften Techno-Body-Horror, als sensiblen Coming-of-Age-Film über eine starke Frau, auch der Begriff Kultcharakter ist mehrmals gefallen. Unter Stroboskopgewitter und dröhnender Musik entspinnt sich die Handlung: Tina (Carolyn Genzkow), ein Teenager aus reichem Elternhaus in Berlin, die sich die Freizeit mit Partys und Drogen vertreibt, bricht bei einem Freibad-Rave zusammen und sieht von da an ein kleines, gräuliches, hässliches Wesen in ihrer Nähe – den Nachtmahr. Ihre Freundinnen halten sie zunehmend für verrückt, ihre Eltern wollen die Kreatur mit Psychopharmaka bekämpfen. Doch Tina überwindet ihren anfänglichen Ekel und ihre Angst und nähert sich dem Wesen, das irgendwie mit ihr verbunden zu sein scheint, an.

Eine tiefenpsychologische Interpretation des Films scheint naheliegend: Ist der Nachtmahr, der unappetitlich aussieht, sich seltsam verhält und äußerst verfressen ist, der verdrängte Teil von Tinas Seele, den sie nicht nach außen kehren will, weil er in die oberflächliche, hedonistische Welt, in der sie sich bewegt, nicht hineinpasst? „Er ist die Manifestation eines unangenehmen Gefühls“, bestätigt Bornhak. „Des Gefühls, nicht perfekt zu sein.“ Dieses Gefühl kenne jeder, auch Bornhak, der als Jugendlicher epileptische Anfälle hatte: „Ich war ein wahnsinnig hübscher Junge, aber immer ein Außenseiter.“

Alter Ego Akiz. 1969 als Sohn eines Richters und einer Hausfrau geboren, wuchs Bornhak in einer Arbeitersiedlung in einem Vorort von Stuttgart auf. Er studierte Regie, drehte Kurzfilme, Dokumentationen, Fernseh- und Kinofilme – 2007 etwa „Das wilde Leben“ über das 68er-Model Uschi Obermaier, ein Auftragswerk, von dem er sich heute distanziert.

Mit dem „Nachtmahr“ schuf er sich gleichsam eine neue künstlerische Identität. Nachdem er das Drehbuch fertig hatte und mit der beschriebenen Puppenkiste unter dem Arm erfolglos durch die Produktionsfirmen zog, beschloss er, auf eigene Faust tätig zu werden – und kreierte sein Alter Ego Akiz. Den Film drehte er mit einem Mikrobudget von 100.000 Euro und viel Überzeugungskunst – zahlreiche Mitwirkende arbeiteten gratis. Im Pressetext zum Film scheint „Der Nachtmahr“ als erster Spielfilm von Akiz auf. „Den ,Nachtmahr‘ habe ich als Künstler gemacht“, sagt er. „Ich war die letzte Instanz, ich habe entschieden, wie es gemacht wird.“
Sein Schaffen als Regisseur ist seither gespalten. Zwischendurch dreht er als Achim Bornhak Auftragsfilme, als Akiz arbeitet er an seinem nächsten eigenen Werk: „Der Nachtmahr“ soll Teil einer „Dämonischen Trilogie“ sein. „Der nächste Film wird ganz anders, da gibt es keine Mädchen im Bikini, die Party machen. Es wird ein Märchen, wüst, archaisch und surreal.“ Damit Akiz sich das leisten kann, muss Achim Bornhak eben „wie ein Söldner“ fremdgesteuerte Filme machen. Das sei schon okay, meint er, eine Hoffnung hegt er dennoch: „Vielleicht werde ich irgendwann Achim Bornhak nicht mehr brauchen.“

Tipp

„Der Nachtmahr“. Ab 26. Mai im Kino. www.filmladen.at

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