Andrea von Goetz: Peggy Guggenheim 2.0

Einsteigerin. Die Soziologin stieß erst in der Karenz auf die Kunst.
Einsteigerin. Die Soziologin stieß erst in der Karenz auf die Kunst.(c) Beigestellt
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Die Hamburgerin Andrea von Goetz erhielt den Montblanc-Preis für Mäzenatentum: für die sommerliche „Kunstresidenz“ in Bad Gastein.

Es war ein besonderer Abend. Ganz Berlin stand Kopf, die Berlin-Biennale begann gerade. Sammlerin Julia Stoschek eröffnete ihren Berliner Showroom. Künstler, Sammler, Galeristen, Kritiker waren auf den Beinen. Und währenddessen, an einem seltsamen Ort, wurde eine seltsame Spezies in diesem hyperaktiven Kunstbetrieb geehrt: die „moderne Mäzenin“, die Peggy Guggenheim des digitalen Zeitalters sozusagen, die naturgemäß weder mit Muse noch mit reicher Sammlerin viel zu tun hat. Nur die elegante Füllfeder hieß lustigerweise so, Peggy Guggenheim, die Andrea von Goetz und Schwanenfliess an diesem Abend überreicht bekam. Guggenheim heißt die diesjährige Patron-of-Art-Sonderedition von Montblanc. Den märchenhaften Namen von Goetz und Schwanenfliess trägt die diesjährige deutsche Gewinnerin des vom traditionsreichen Luxus-Schreibgeräte-Hersteller vergebenen Montblanc de la Culture Patronage Award, eine quirlige, eloquente Hamburgerin.

Rauschend. Im Alten Kraftwerk leben und arbeiten die Künstler.
Rauschend. Im Alten Kraftwerk leben und arbeiten die Künstler. (c) Beigestellt

Seelenbalsam. Seit 25 Jahren, in mittlerweile 16 Ländern, wird diese Auszeichnung vergeben, entschieden wird von einer 44-köpfigen Jury, dotiert ist sie mit jeweils 15.000 Euro. Vor allem aber mit einer ordentlichen Portion öffentlicher Anerkennung, Balsam auf den Seelen dieser selbstausbeuterischen Wesen. Diesmal war es an Goetz zu strahlen. Sogar der Ort der Preisvergabe, ein sonst nicht zugängliches Pumpwerk am Halleschen Ufer in Kreuzberg, das Sammler Christian Boros zur Verfügung gestellt hatte, schien wie eine Hommage an ihr Engagement für junge zeitgenössische Künstler. Denn seit sieben Jahren reißt sie zumindest ein paar Auserwählte ein paar Sommerwochen lang aus ihrem alles andere als immer rosigen Alltag. Und zaubert sie in einen der zauberhaftesten, aber auch schrägsten Orte der österreichischen Tourismuswelt, in die mondän-morbide Welt von Bad Gastein, zwischen Hotelruinen, Bobo-Herbergen und Hipster-Pensionen, direkt neben den mächtigen Wasserfall, der hier durch den Ort rauscht. Dröhnt. Jedenfalls in den Ohren der Künstler, die in dem alten ehemaligen Kraftwerk direkt neben dem Wasserfall untergebracht sind. „Denn genau hier muss es sein, wenn ich in Bad Gastein etwas mit Kunst mache“, wusste Goetz sofort, als sie mit ihrer Familie einst zufällig auf Urlaub hierherkam. Sie kamen um zu bleiben, mittlerweile haben sie ein Haus hier gekauft – und mit dem Tourismusverband hat Goetz das Projekt „Kunstresidenz Bad Gastein“ realisiert.

Luftig. Installation von Gerwald Rockenschaub im Quellpark.
Luftig. Installation von Gerwald Rockenschaub im Quellpark. (c) Beigestellt

Zwischen fünf und acht Künstler werden jeden Sommer eingeladen, am Ende gibt es ein Ausstellungswochenende, Ende Juli, direkt nach Eröffnung der nahen Salzburger Festspiele. Dieser Termin hat sich herumgesprochen, es reisen Sammler und Galeristen an. „Was den Druck auf die Künstler erhöht, eine gute Präsentation hinzulegen“, so Goetz. Schließlich kann dabei auch verkauft werden, den Gewinn behält der Künstler, Goetz ist, wie oft, nur die vermittelnde Stelle. Die studierte Soziologin, die erst im zweiten Bildungsweg sozusagen, in der Kinderkarenz, auf die Kunst stieß, organisiert unermüdlich Ausstellungsflächen, Treffen mit Sammlern und Galeristen.

Altes Kraftwerk. Installation von Tobias Kreissl.
Altes Kraftwerk. Installation von Tobias Kreissl.(c) Beigestellt

Mit ihren Kontakten hätte sie mittlerweile schon „die große Kohle“ machen können – „aber das interessiert mich nicht. Ich gehöre in die Ateliers.“ Kunst-Netzwerkerin wäre eine gute Bezeichnung für Goetz, Kunstvermittlerin in einem nicht nur inhaltlichen, sondern auch pragmatischen Sinn. Etwa mit vier Wochen Sommerfrische für die großstadt- und nebenjobgeplagten Künstlerseelen. Diese kannte Goetz anfangs alle persönlich, war mit ihnen befreundet. Heuer ist es das erste Mal, dass sie keinen der Stipendiaten kennt, erzählt sie, „ich wollte nicht, dass es die übliche Berlin-Wien-Clique ist“. Also kommen die Künstler heuer aus den Niederlanden, aus Norwegen, Schweden, England, aber auch Salzburg und Leipzig.

Neben dem Atelierprogramm bespielt Goetz im Sommer aber auch schon den halben Ort mit Kunst im öffentlichen Raum, und das durchaus mit Starfaktor: So stellt Jeppe Hein einige der lustigen Bankobjekte auf, die gerade in New York Furore machten. Vom Vorjahr ist hier, im Quellpark, noch eine Installation von Gerwald Rockenschaub zu sehen. Jorinde Voigt, gerade in der Kunsthalle Krems mit einer Personale präsent gewesen, stellt im Pavillon auf der Kaiser-Wilhelm-Promenade aus. In einer „Kunstbox am Kinoplatz“ gibt’s eine Foto-Ausstellung von Lars Langemeier etc. Insgesamt acht Stationen hat der Kunstpfad Bad Gastein, den man mit Plan abschreiten kann. „Einen Tag ist man damit schon beschäftigt“, sagt Goetz. So haben die Gäste etwas davon. Die Künstler sowieso. Manche, erzählt Goetz, befällt hier das „Zauberberg“-Syndrom, manche werden zu regelrechten „Wahnwanderern, die fünf Stunden jeden Tag auf den Berg gehen“. Auch das Kurschatten-Syndrom konnte beobachtet werden. Ein Kunstresidenz-Baby durfte schon gefeiert werden. So gibt es hier heuer am Ende für alle etwas zu feiern, die Kunst, einen Preis und das Leben selbst.

Die Autorin war von Montblanc eingeladen.

Tipp

Sommer.Frische Kunst. Mit dem Art Weekend von 29. bis 31. 7. endet die Kunstresidenz. www.sommerfrischekunst.de

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