Gehen von Stein zu Stein

Prantls „Grenzstein“ an der Grenze zwischen Niederösterreich und Burgenland.
Prantls „Grenzstein“ an der Grenze zwischen Niederösterreich und Burgenland.(c) Lukas Dostal/Symposion Europäischer Bildhauer
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Auf einem Hügel bei Pöttsching erstreckt sich eine einzigartige Skulpturenlandschaft.

Es ist gut möglich, dass ein Wanderer, der vom flachen Wiener Neustädter Becken aus in Richtung burgenländische Hügel unterwegs ist, auf seiner Tour auf dem Mitterberg unvermutet große Steinblöcke registriert, die er dort nicht erwartet hätte. Mit ihrem rauen Sandstein und Kieseleinschlüssen, die in verfestigter Form das Material der Feldwege aufnehmen, wirken sie nahezu wie ein Teil der Landschaft. Allerdings sind sie bearbeitet – so wie etwa die fünf Kuben, die sich auf halbem Weg zwischen dem inmitten von Feldern gelegenen „Fondsgut“ und den Pöttschinger Bunkern aufbauen. Es ist ein Werk des israelischen Künstlers Moshé Bucky-Schwarz. Er hat die Blöcke aus Konglomerat mit Kerben versehen, teils vertikal liegend, teils aufgestellt zueinander in Beziehung gesetzt – und so zur mächtigen Skulptur gemacht.

Ralf Jörres reagiert mit seinen Steinordnungen auf Natur und Umgebung.
Ralf Jörres reagiert mit seinen Steinordnungen auf Natur und Umgebung.(c) Lukas Dostal/Symposion Europäischer Bildhauer

Bucky-Schwarz’ Arbeit ist eines von insgesamt 17 Steinkunstwerken internationaler Bildhauer, die seit 2007 dank der Initiative des dort ansässigen, 2010 verstorbenen Bildhauers Karl Prantl ihren Weg nach Pöttsching gefunden haben. Den Güterwegen und Blickachsen folgend sind sie auf dem Hügel verteilt worden. Diese Skulpturenlandschaft, die nun von Katharina Prantl, Tochter des Bildhauers und selbst Malerin, betreut wird, bildet gleichsam den Abschluss jenes Teils von Karl Prantls Lebenswerk, der das Engagement für die Bildhauerei und die Anliegen der Kollegen betrifft und seinen Anfang 1959 mit der Gründung des Symposions Europäischer Bildhauer im Steinbruch von St. Margarethen nahm. Der daraus ebendort entstandene Skulpturenpark gibt die allererste Vorlage für das Modell „Skulptur in der Landschaft“ (und war im Übrigen auch Vorbild für viele internationale Skulpturenparks).
„Mein Vater arbeitete 1958 erstmals im Steinbruch. Die Erfahrung des Arbeitens unter freiem Himmel, genau an dem Ort, wo der Stein herkommt, führte zur Idee und schließlich zur Gründung des Symposiums“, sagt Katharina Prantl. „Dabei hat mein Vater vor allem an seine Kollegen gedacht, die in dunklen Kellern, oft unter schwierigen politischen Bedingungen, arbeiten mussten.“ Das Symposion wurde in der Folge zur Initialzündung für Bildhauersymposien weltweit.

Dass ein Teil der in St. Margarethen geschaffenen internationalen Steinkunstwerke Jahrzehnte später nur ­25  Kilometer weiter zum Teil einer einzigartigen Skulpturenlandschaft werden würde, war nicht vorhersehbar. Das verdankt sich einerseits dem Zufall, andererseits rückblickend auch einer fast zwingenden Logik. Denn durch die Mitte der 1980er-Jahre getroffene Entscheidung des mittlerweile weltbekannten Künstlers Prantl, sich mit seiner Frau, der Malerin Uta Prantl-Peyrer, an seinem Geburtsort niederzulassen, bekam die Skulptur in Pöttsching buchstäblich internationale Präsenz. In einem ersten Schritt wurden Prantls Skulpturen, die 1986 auf der Kunstbiennale in Venedig ausgestellt waren, nach Pöttsching geholt. Im Lauf der Zeit kamen viele weitere dazu. Es war daher gut möglich, dass einen ein Spaziergang am Ortsrand am Prantl’schen Atelier vorbeiführte mit seinem angeschlossenen, zwei Äcker großen Skulpturenfeld, auf dem Werke des Künstlers unter Baumkronen lagerten. 2008 entstand schließlich in einem mit viel Fingerspitzengefühl umgebauten aufgelassenen Supermarkt eine weitere Halle für die Skulpturen. Sie dient heute auch Katharina Prantl als Atelier.

Zdeněk Palcr schälte die Umrisse eines Liebespaares aus einer Stele heraus.
Zdeněk Palcr schälte die Umrisse eines Liebespaares aus einer Stele heraus.(c) Lukas Dostal/Symposion Europäischer Bildhauer

Regie des Zufalls. Dabei spielte eine Tankstelle bei der Schaffung des Skulpturenparks eine Hauptrolle: Lieblos dahinter abgestellt entdeckten die Prantls während einer Spazierfahrt eine verwahrloste Skulptur des Belgiers Jacques Moeschal, die beim ersten Bildhauersymposion geschaffen worden war. Ungefähr zeitgleich kam eine Trafo-Station ins Spiel: Diese war neben Karl Prantls „Grenzstein“ errichtet worden – eben jener Skulptur, die 1958 als erste im Steinbruch entstanden war und dann als Zeichen der denkerischen Freiheit vor dem Eisernen Vorhang in Nickelsdorf einen Aufstellungsort fand. „Wenn die Ungarn Wachtürme aufstellen, stellen wir Kunst auf“, lautete Prantls Parole. Ähnliche Probleme gab es schließlich auch mit einigen Skulpturen des St. Margarethener Skulpturenparks, die restaurierungsbedürftig waren und schwierige Standorte hatten, alle geschaffen aus dem Stein des Steinbruchs, alle entstanden während der sommerlichen Symposien.

Zur Rettung der Kunstwerke wurden daher neue Aufstellmöglichkeiten gesucht. Im Sinne Prantls sollten sie alle der Allgemeinheit zugänglich bleiben. Auf stundenlangen einsamen Spaziergängen im Dreieck Pöttsching – Zillingdorf – Lichtenwörth wählte der Bildhauer das Grenzgebiet zwischen Niederösterreich und dem Burgenland am Mitterberg als idealen Ort aus. Die Pöttschinger Altbürgermeisterin, Irene Izmenyi, hatte ein offenes Ohr für sein Anliegen, führte Pachtverhandlungen mit den Landwirten, trieb Sponsoren auf. Gemeinsam wurden Standorte ausgewählt, Wegstücke revitalisiert, Bäume gepflanzt. Mit ihrer Weitsicht und ihrem Engagement statuierte Izmenyi ein rühmliches Exempel in Fragen des Zusammenspiels von Kunst und Lokalpolitik.

„Die Topografie ist unsere Biografie. Sie ist unsere Prägung“, fand Karl Prantl. Die Skulpturenlandschaft Pöttsching lässt diese eindringlich erfahren – gehend von Stein zu Stein.

Tipp

Die Skulpturenlandschaft Pöttsching ist 365 Tage im Jahr rund um die Uhr frei zugänglich.

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