„Genesis Park“: Weltentstehung im Zeitraffer

(c) Christine Pichler
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Genderwunder Wimperntierchen: Die Performer Makemake reisen mit ihrem neuen Projekt „Genesis Park“ durch die Evolution.

Die Entstehung der Welt, von Tier und Mensch in zweieinhalb Stunden. Ein Experiment. Makemake will die großen Rätsel der Menschheit lösen, erforschen, ob die Katastrophen der Erdgeschichte vielleicht Wunder sind, die Sackgassen und Irrwege entdecken, die auf dem Weg liegen. Die abenteuerliche Reise durch die Evolutionsgeschichte endet nach munterer Belehrung und unvermuteten Entdeckungen im „Genesis-Park“, errichtet im neuen Spielort F 23.

Makemake (sprich make-make), das sind viele. Zum Beispiel der Zwergplanet: 136472, den die Astronomie seit gut zehn Jahren kennt. Und eine salzburgische Rockgruppe: The Makemakes. Oder der Schöpfergott der Bewohner der Osterinseln, der Rapanui. Und auf ihn, der Erde und Wasser, Tier und Mensch erschaffen hat, beruft sich das Kollektiv aus Künstlerinnen und Künstlern aller Sparten: Makemake. Kein Zufall, dass sich die Truppe, wie ihr göttlicher Namensgeber, mit der Entstehung der Welt und allem, was darauf kreucht und fleucht, befasst. Die Ergebnisse der Recherchen werden in einem interaktiven Parcours den Zuschauern vermittelt.

Ein Liebhaberprojekt. Makemake arbeitet seit sechs Jahren auf besondere Weise. Es wird gespielt und getanzt, musiziert und installiert, auch inszeniert und choreografiert, doch geeint hat den Kern von Makemake, an die acht Söhne und Töchter der Thalia, der Muse des Theaters, das Interesse an den Wissenschaften. Und natürlich auch, wie man sie spannend und unterhaltsam an Kind und Kegel, Mann und Frau bringt. Nicht immer sind die Projekte so riesig dimensioniert wie die erkenntnisreiche Vergnügungsreise.

Anderthalb Jahre arbeitet die Gruppe bereits daran. Ein Experiment auch für die Experimentierfreudigen. Schon im heurigen April gab Makemake einen Vorgeschmack auf die großen Fragen, die nicht nur Kinder bewegen: „Wer die Welt zusammenhält“ heißt die amüsante Produktion, die im Dschungel uraufgeführt worden ist. Sara Ostertag, Kern- und Gründungsmitglied von Makemake, hat Regie geführt. Sie ist diesmal nicht dabei, weil Makemake mit Gästen, aber ohne Leitung arbeitet. Keine Regisseurin, keine Choreografin, kein Chef. Keine endlosen Diskussionen? Kein Streit? Die Choreografin und Tänzerin Martina Rösler und die Schauspielerin Michèle Rohrbach, beide Gründungsmitglieder von Makemake, schauen einander an, rollen die Augen, schütteln die Köpfe, antworten mit einem klaren Nein. Der Entwicklungsprozess von der Idee – die Inspirationsquelle war ein preisgekröntes Kinderbuch von Jan Paul Schutten: „Evolution oder das Rätsel von allem, was lebt“ – war als Brainstorming geplant. „Doch jetzt, da wir wissen, was wir wollen, ist jede in der Performance ziemlich autonom.“ Schließlich sind sie alle Profis, auch wenn keine und keiner von der aufwändigen und genauen Arbeit leben kann. Die Vierjahresförderung, die Wien der Arbeit des Kollektivs angedeihen lässt, reicht gerade für die Materie und eventuell engagierte Gäste aus allen Fachbereichen. Für den „Genesis Park“ in der ehemaligen Sargerzeugung in Atzgersdorf müssen nicht nur sämtliche Bühneneinrichtungen angeschleppt werden, sondern auch die Stromkabel für Licht und Sound. Bühnenbildner Christian Schlechter spricht für alle: „Makemake ist ein Liebhaberprojekt. Das Brot verdienen wir alle in einem anderen Umfeld.“ „Obwohl wir auch außerhalb von Makemake oft gemeinsam künstlerisch arbeiten“, ergänzt Martina. „Inzwischen“, so weiß Michèle, „sind wir richtig zusammengewachsen. Wir haben die gleichen Interessen, ästhetisch wie künstlerisch.“ Die Basis der Zusammenarbeit sind Professionalität und gegenseitiger Respekt. Dass Kulturarbeit Selbstausbeutung bedeutet, hat die bunt gemischte Truppe immer gewusst. Für die jüngste Mitwirkende ist die Kunst noch pure Freude, Sarah Bahmou geht noch zur Schule. Als ­freiwillige Forscherin im Projekt „Der Hundsturm bellt“ hat die Zehnjährige das Team kennengelernt. Als Gast ist die nun 13-Jährige immer wieder im Makemake-Team.

Im mit dem Stella ausgezeichneten Musiktheaterstück „Warum das Kind in der Polenta kocht“ (Makemake im Dschungel, 2014) agierte sie bereits als Darstellerin. Mit großen Ohren sitzt sie im Kreis, lächelt still und denkt an eine Zukunft: „Auf der Bühne, ich glaube, das will ich.“

Erstmals ohne Kopf. Mit dabei auf dieser Reise durch die Evolution, die exakt mit dem Urknall startet, ist auch das slowenisch-kärntnerische Musikduo Rdeča Raketa (Maja Osojnik, Matija Schellander): „Ein wesentliches Element“, betont Anne-Katrin Strobl. Sie ist die eine, die Zeit und Raum im Auge behalten, organisieren, strukturieren, kontaktieren muss. Für das spezielle Projekt „Zum Ersten Mal ohne Kopf, ein Experiment für uns“ hält die Choreografin und Tanzpädagogin als Produktionsassistentin die logistischen Fäden in der Hand.
Seit Beginn der Denk- und Recherchearbeit ist auch die Autorin Natacha Gangl als Gast im Team. Sie habe, so sagt die redegewandte Michèle „eine wunderbare Textcollage beigesteuert“. Den Kontakt zu den Lehrern und Schülern hält die Theaterpädagogin Brigitte Moscon. „Vermittlung“, das Zusammenführen von Theorie und Praxis für alle Altersgruppen, beschreibt Makemake als „zentralen Bestandteil unserer Arbeit, wobei die Grenzen zwischen Vermittlungsarbeit und Kunstproduktion ­fließend sind“.

Brigitte weiß auch, dass das Wimpertierchen sieben Geschlechter hat, und löst so das Rätsel dieses winzigen Süßwasserbewohners. Auch die Tiere, des Wassers, der Luft, der Erde und des Dazwischen, reisen mit in den Genesis Park. Grafikerin Birgit Klenner hat sie auf 36  Spielkarten gebannt, die für Staunen und Diskussion sorgen werden. Jedes hat nämlich ein „Wow“.
Daniela-Katrin Strobl greift ein, Schluss mit Plaudern und Lachen, die Proben müssen weitergehen. Vor der Vergnügungsreise in den Erlebnispark wartet noch harte Arbeit. Davon sollen die Mitreisenden nichts spüren. Makemake verspricht: „Es gibt extrem viel zu erleben. An Gefühlen und Stimmungen, an Konkretem, Abstraktem und Fantastischem.“

Tipp

Makemake Produktionen: „Genesis Park“, Premiere: 28.  9. Busreise ab Museumsquartier/Dschungel zum Aufführungsort: F  23, Breitenfurter Straße 176. Genauere Informationen: www.makemake.at/projekt/genesis-park

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