Laut im Licht: Wiener Stand-up-Comedy

Josef Jöchl und Denice Bourbon (PCCC)
Josef Jöchl und Denice Bourbon (PCCC)Christine Pichler
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Ein neues Unterhaltungsformat boomt: Stand-up-Comedy. Und während in Amerika „Hackling“ etabliert ist, muss sich in Wien kein Comedian häkeln lassen.

Eigentlich ist Okello Dunkley Hochzeitsfotograf. Stand-up-Comedy ist ihm passiert. Damit ihm die Schüler seines Fotografie-Workshops während der Lektionen über Blende und Zeit nicht einschlafen, hat er begonnen, Witze zu erzählen. Das kam so gut an, irgendwann sind die Lektionen weggefallen. Wien ist ihm auch passiert, Dunkley kommt aus New York, wo die Sache mit dem Stand-up vielleicht naheliegender wäre. Wien ist bekanntlich gern langsam. Gibt es in New York pro Tag bis zu 50 Open Mics, also freie Bühnen für humorbegabte Plaudertaschen, etablieren sich hier derzeit die ersten Veranstalter – die dafür in allen Sparten.

Üben, üben, üben

Als Dunkley 2015 nach Wien kam, gab es nur einen Ort für englische Comedy, die Roobar. „Für mich ist es aber wie ein Sport: Wenn man nur einmal im Monat die Möglichkeit hat zu trainieren, wird man nicht besser. Du musst jede Nacht rausgehen und üben. Deshalb habe ich dann vergangenen Sommer die Show ‚How to Laugh in English‘ gestartet“, erzählt er. Die Teilnehmer wechseln, der Keller ist immer derselbe. Im Lokal Tunnel ist er gelandet, weil er bei einem Open Mic für Musiker in der Pause dazwischengefunkt hat. Eine gelungene Themenverfehlung. Der Geschäftsführer des Traditionshauses mit den netten Sitznischen im Keller erinnert sich: „Okello ist einfach vor mir gestanden. Er hat ein Lokal gesucht, und ich dachte mir, wir probieren es einfach. Dann gab es für das erste Event schon Hunderte Zusagen. Das war unglaublich.“ Unglaublich war auch, dass „How to Laugh auf Deutsch“ überhaupt nicht funktioniert hat. Warum, weiß er nicht. Nächstes Jahr würde Dunkley gern eine türkische Schiene versuchen. Über den Sprachexperimenten steht aber etwas anderes. „Ich will, dass die Leute wissen, dass es Stand-up-Comedy in Wien gibt. Das Format soll eine Option werden, wie Konzerte oder Kinofime.“ Einen Comedy Club im baulichen Sinn gibt es noch nicht.

Nicht häkeln lassen

Der britische Stand-up-Comedian Patrick Lamb lebt seit 14 Jahren in Wien und veranstaltet seit einem halben Jahr die „Vienna English Comedy Night“, die ihm gezeigt hat, wie international das Publikum ist – was die Vorliebe für die englische Sprache erklärt. „In der Kulisse waren zuletzt rund 30 Nationalitäten unter 174 Gästen." Der Kulturkreis hat auf der Humorebene überhaupt eine Menge mitzureden, häufig legen Comedians ihre Abende sehr regional an, speziell in Großbritannien. Allein ein Akzent kann das Publikum dann schon zum Lachen bringen - vorausgesetzt man erkennt ihn. So sieht es auch Vitus Wieser. Der österreichische Schauspieler und Neo-Kabarettist hat mehrere Jahre in New York gelebt, trat und tritt dort noch immer in Stand-up-Clubs auf. Der Minimalismus des Formats fasziniert ihn. „Ein Mensch, eine Bühne, Licht, Mikrofon, fertig.“ Was zählt, sind eine gute Idee, die direkte Ansprache des Publikums und der richtige „Twist“, Stand-up lebt von erzählerischen Fehlleitungen. Schöne Beispiele dafür findet man bei den Stars der Szene wie Louis C.K., Eddie Izzard oder Amy Schumer. Für Vitus Wieser haben die Kurzauftritte auch noch einen anderen Vorteil. „In einem Stand-up Club kann man Ideen ausprobieren, da kommt keine Presse zur Premiere, und du brauchst kein Publikum für die anderen Termine.“ Normalerweise fängt man mit fünf oder zehn Minuten an, die werden ausgebaut und „irgendwann macht man dann eine ‚Hour‘, die vielleicht HBO filmt.“ Davor wirkt jede Show nur für den Moment. Text gibt es meistens keinen, nur ein paar Ideen und das Publikum. Das, wie es in der amerikanischen Stand-up-Kultur üblich ist, auch schwierig sein darf. Beim „Hackling“ – es lässt sich ganz gut mit dem wienerischen Häkeln übersetzen – wird der mutige Mensch auf der Bühne absichtlich aus dem Konzept gebracht. Der Brite Lamb versteht das überhaupt nicht: „Hackling kann einen Abend zerstören. Das ist ein Genuss mit den Leuten hier, sie sind so kultiviert.“ Und stoisch, wie Kollege Dunkley ergänzt.

Mut zur Macht

Mit dem schnellen Humor kennt sich auch Magda Leeb aus. Sie steht seit zehn Jahren als Impro-Kabarettistin auf der Bühne. Mit den Impulsen des Publikums geht sie auf eine Reise, mit nimmt sie Banales oder Tagespolitik, alles, was sie will. Diesen Platz nehmen sich in Österreich nach wie vor überwiegend Männer. „Ich denke, dass die humoristische Auseinandersetzung mit Themen auf der Bühne etwas mit Macht zu tun hat. Ich nehme es mir heraus, mich über etwas zu mokieren, ich ermächtige mich, über etwas zu spotten.“ Frauen nehmen sich auf dieser Ebene noch immer gern zurück, sie sind es gewohnt, „das ist unsere Entwicklung, sich politisch und gesellschaftskritisch auf einer Bühne zu äußern, ist für Frauen offenbar noch immer nicht üblich, deshalb schrecken viele davor zurück.“ Umso besser, dass sich die jungen Triebe der Wiener Comedy-Szene in alle Richtungen strecken. Da gibt es zum Beispiel „Don’t Be a Pussy“, einen Kreis rund um Erika Ratcliffe und Angelika Hofer, die derzeit ein Publikum in Wien aufbauen. Bei ihnen stehen ausschließlich Frauen auf der Comedybühne – und die sprechen über ihren Sex, über ihren Körper, über ihren Alltag – wie es männliche Comedians eben auch tun. Bei ihnen bricht der Humor jede Distanz auf, auch die zu einem Tumor, der Hofer erst im vergangenen Jahr entfernt wurde. „Auch die Gesellschaft hat Tumore, darauf müssen Comedians aufmerksam machen“, meint sie. Gegen queere Klischees und Stereotypen treten demnächst Denice Bourbon und Josef Jöchl mit ihrer politisch korrekten Show „PCCC“ an. Die Performer werden nicht nach ihrer sexuellen Orientierung ausgewählt, wohl aber nach ihrer Einstellung. „Wenn eine heterosexuelle Frau einen Witz über Bodywaxing macht, sollte am Ende nicht übrig bleiben, dass sie so patschert ist, sondern: Verdammt, warum ist unsere Gesellschaft so verkorkst, dass das von mir als Frau erwartet wird“, erklärt Jöchl. Die Absurdität politischer Strukturen und Hierarchien ist das Lieblingsthema seiner Kollegin. „Es geht in der Comedy darum, laut zu sein und einen Platz einzunehmen. Das ist in Wien immer hart.“

Termine

"How To Laugh in English" findet das nächste Mal am 11. Februar im Tunnel statt.

Am 7. Februar gibt es die nächste "English Comedy Night" in der Kulisse.

Vitus Wieser spielt sein Programm "Gangster" am 4. und 7. Februar im Kabarett Niedermair.

"Überleeben" mit Magda Leeb kann man das erste Mal am 13. Februar in der Kulisse.

Der nächste "Don't be a Pussy"-Abend findet im Februar im Aera statt, Infos unter hier.

"PCCC (politically correct comedy club)" gibt am 3. Februar im Atelier Theater sein Debüt.

TV-Tipp

Auch der ORF erweitert sein Dienstagsprogramm ab März um das Thema Stand-up-Comedy. Kabarettpreis-Gewinner und "FM4-Ombudsmann" Hosea Ratschiller wird im Rahmen der Schiene "Die.Nacht." als Moderator durch die Sendung "Pratersterne" leiten. Pro Show treten vier Künstler auf, die fünf bis neun Minuten Zeit haben, das Publikum zu unterhalten. 

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