Evi Kehrstephan: „Warum spiele ich immer die Schöne?“

Jungfrau mit Waage. Evi Kehrstephan ist offen für Irrationales. Bei E. T. A. Hoffmann geht es um Zwerge und Feen.
Jungfrau mit Waage. Evi Kehrstephan ist offen für Irrationales. Bei E. T. A. Hoffmann geht es um Zwerge und Feen.(c) Christine Ebenthal
  • Drucken

Schauspielerin Evi Kehrstephan über E. T. A. Hoffmanns „Klein Zaches“ als Satire im Volkstheater, ihren Sohn, Bela, und warum sie „einfach gern weg“ ist.

Thailand, Sumatra, Bali und die Gili-Inseln: Die 1982 geborene Evi Kehrstephan, die in einer Kleinstadt nahe Nürnberg aufwuchs und derzeit am Wiener Volkstheater engagiert ist, hält sich außer auf der Bühne am liebsten unter Wasser auf. Mit ihrem kleinen Sohn, Bela, reist sie nach Asien, als Nächstes nach Vietnam. Davor spielt sie aber noch in einem zur Satire umgearbeiteten Märchen, in E. T. A. Hoffmanns „Klein Zaches, genannt Zinnober“: Ein Zwerg erobert durch Feenzauber die Spitze der Gesellschaft. Nur ein junger Mann namens Balthasar erkennt die Schlichen des Kleinen – und beide umwerben die schillernde Candida, gespielt von Kehrstephan. Die Schauspielerin freut sich, kommt aber auch manchmal ins Grübeln: „Warum bin ich immer die naive Schöne, warum kann ich nicht einmal die schräge Hässliche spielen? Aber so läuft eben das Geschäft.“


In E. T. A. Hoffmanns „Klein Zaches, genannt Zinnober“ sieht man einen Zwerg, der einen rasanten gesellschaftlichen Aufstieg schafft. Er stiehlt die Leistungen anderer und boxt sich an die Staatsspitze. Wird die Uraufführung „Operation Zinnober“ in der Regie von Victor Bodo im Volkstheater eine Satire auf Ministerpräsident Viktor Orbán und Ungarn heute?
In Peter Kárpátis Bühnenfassung steht nicht das Märchen im Mittelpunkt, sondern die politische Satire. Sie soll aber nicht so direkt auf die aktuelle Situation in Ungarn draufgedrückt werden. Victor Bodo meinte, wenn jemand im Publikum da etwas herauslesen kann, super, aber es soll nicht hauptsächlich um die Lage in Ungarn heute gehen.


Die Geschichte ist vielschichtig. Worum geht es für Sie?
Um einen Menschen, der es schafft, in einer schwach strukturierten Gesellschaft an die Macht zu kommen. In dem Land, von dem Hoffmann erzählt, ist vor 20 Jahren die Aufklärung eingeführt worden. Feen und Magier wurden hinausgeworfen. Man vertraut nicht mehr der Natur, der Kunst, sondern nur mehr der Wissenschaft.


Glauben Sie an Magie?
Glauben nicht im Sinne von Religion. Aber ich bin offen für verschiedene Dinge, zum Beispiel für Astrologie.


Und was sind Sie im Sternzeichen?
Jungfrau mit Aszendent Waage.


Sie spielen in „Operation Zinnober“ die attraktive Candida, Balthasar hofft auf ihre Hand, sie aber erliegt dem hässlichen Zaches. Ist da auch Zauberei im Spiel – oder ist Candida doof?
Ich würde sie natürlich nicht als doof bezeichnen. Balthasar ist die eigentliche Liebe von Candida. Sie ist ein Kind der Aufklärung, ihr Vater ist Rektor der Universität. Gerade dadurch hat sie eine große Sehnsucht nach Liebe, Romantik und Poesie, allem, was Balthasar verkörpert. Der Zauber von Zinnober trifft sie wie alle anderen, außer Balthasar. Er ist der Einzige, der Zinnober sieht, wie er wirklich ist. Candida ist wie in einem Albtraum gefangen, sie sieht Balthasar in Zinnober und Zinnober in Balthasar. Das flackert immer so hin und her.


Haben Sie so etwas schon einmal erlebt?
Nein, das muss auch nicht sein.


Candida wirkt teilweise wie eine Projektionsfläche von Männerfantasien, einerseits heißt es, sie sei hübsch, vielseitig talentiert, heiter, andererseits soll sie ätherisch sein und „ohnmächteln“. Was ist Candida für eine Persönlichkeit?
Peter Kárpáti hat noch das Bild des Automaten aus Hoffmanns „Sandmann“ eingefügt. Candidas Vater benutzt die Tochter, um seine berufliche Karriere voranzutreiben. Die ältere Generation instrumentalisiert die jüngere. Es geht in dieser Geschichte und in der Aufführung auch stark um einen Kreislauf von Rachsucht. Die Fee benutzt beispielsweise Klein Zaches, um Rache dafür zu üben, dass die Feen aus dem Land vertrieben worden sind.


Ihr Vater ist Polizist, Ihre Mutter Finanzbeamtin. Wie kamen Sie zum Theater?
Durch die Schule, ich hatte mit 17, 18 Jahren einen Grundkurs „Dramatisches Gestalten“ und habe bemerkt, da gehe ich sehr drin auf. Eine Freundin von mir wollte unbedingt Schauspiel studieren, sie hat mir einiges über die Ausbildungsmöglichkeiten erzählt. Nach dem Abitur habe ich am Reinhardt-Seminar vorgesprochen und bin sofort genommen worden. Wäre das nicht passiert, vielleicht hätte ich etwas anderes gemacht.


Ein Wunder bei dem Andrang, dass Sie einen Platz bekamen.
Mein Vorteil war, dass viele Bewerber schon Schauspielstunden hatten. Ich habe die Texte auswendig gelernt und bin aufgetreten, so, wie ich es mir gedacht habe. Dadurch sahen die Prüfer, ich bin ein formbares Talent. Das war mein Glück. Meine Eltern haben mir immer so Studienführer hingeschoben und gesagt: „Schau, Evi, das wäre vielleicht was für dich, oder das.“ Schauspielschule war ihnen sehr fremd. In unserer Familie gibt es keine Schauspieler. Ich habe mich für Innenarchitektur beworben, aber Zeichnen ist nicht meins. Dann habe ich einen Studiengang über Soziologie entdeckt, bei dem man die Hälfte des Studiums in Italien gewesen wäre. Da habe ich mir gedacht, das mache ich, um in Italien zu sein.


Sind Sie noch immer gern in Italien?
Ich bin ganz einfach gern weg.


Fahren Sie auch in die weite Welt?
Nach der Schauspielschule war ich vier Jahre frei. Ich habe in München, Berlin, Hamburg gespielt. Nach drei Jahren merkte ich, ich muss jetzt einmal raus und wirklich ungebunden sein. Wenn man feststellt, das eigene Wohlbefinden hängt nur mehr davon ab, ob man beruflich erfolgreich ist, das ist nicht gut. Ich habe mir einen Kuba-Reiseführer gekauft, einen relativ günstigen Flug bekommen und mein Zimmer in Berlin untervermietet.

Wie war Kuba? Da fahren jetzt viele hin.
Ich bin nicht hingefahren, obwohl ich bereits einen Spanischkurs belegt hatte. Ich war das erste Mal außerhalb von Europa, ich dachte, allein in Kuba, blond und mit wenig Sprachkenntnissen, ich sollte es mir leichter machen. Eine Freundin hat mir Thailand vorgeschlagen. Die erste Woche war ganz schrecklich.


Was ist dann passiert?
Es war das Beste, was mir passieren konnte, 2009 vier Wochen in Thailand! Es sind ja sehr viele Touristen dort, man lernt schnell Leute kennen. Man reist einmal drei Tage zusammen, dann ist man wieder allein, man kommt schön langsam in so eine Stimmung, ich war dann jedes Jahr in Thailand, am Ende bin ich ein halbes Jahr dort geblieben und hab meinen Dive-Master gemacht. Einmal war ich auch in Laos. Danach kamen noch Sumatra, Bali und die Gili Islands.


Die Unterwasserwelt ähnelt den Erzählungen von E. T. A. Hoffmann: Unheimlich, gefährlich, aber man sieht auch wahre Wunderdinge.
Ich meditiere nicht, aber unter Wasser, das ist wie eine Meditation, es ist still, man hört nur sein eigenes langsames, gleichmäßiges Atmen. Es ist ein bisschen magisch. Ich tauche ja lieber mit Flaschen als mit Schnorchel. Mit Schnorchel habe ich lustigerweise mehr Angst, man ist angreifbar, was kann da von unten aus der Tiefe nicht alles kommen?


Wohin geht’s als Nächstes?
Nach Vietnam. Mit dem „Kleenen“.


Sie haben einen Sohn, leben Sie auch in einer Partnerschaft?
Mein Sohn, Bela, ist jetzt drei Jahre alt und ein prima Reisekamerad. Aber seit ich ihn habe, bin ich nicht mehr so viel getaucht. Mein Partner arbeitet in der Beleuchtung vom Volkstheater, ich finde, es ist sehr wichtig, dass der Partner auch mit Theater zu tun hat, alles andere stelle ich mir schwierig vor.


Aber wie machen Sie das abends?
Mit Babysittern. Man muss viel organisieren.


Ist es ein Vorteil im Leben, schön und blond zu sein?
Da muss ich jetzt überlegen, was ich sage. Natürlich ist es fein, attraktiv zu sein, aber auf der anderen Seite wird man manchmal nicht ernst genommen. Und hin und wieder denke ich, warum bin ich immer die naive Schöne, warum kann ich nicht einmal die schräge Hässliche spielen? Aber so läuft eben das Geschäft.

Tipp

„Klein Zaches – Operation Zinnober“ nach E. T. A. Hoffmann (UA), Regie: Victor Bodo mit Evi Kehrstephan, Thomas Frank u. a. Ab 12. 2. im Volkstheater

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.