Robert Gustafsson „Ich war schon immer alt“

Seniorenkomödie. Robert Gustafsson (r.) als 101-jähriger Weltenbummler.
Seniorenkomödie. Robert Gustafsson (r.) als 101-jähriger Weltenbummler.(c) Filmladen Filmverleih/Nice FLX
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Der schwedische Komiker Robert Gustafsson spielt mit Vorliebe betagte Figuren. Für seinen neuen Film wird er 101.

Was braucht es, um aus einem 52-jährigen Komiker einen 101-jährigen Weltenbummler zu machen? „Zeit, Geduld“, sagt Robert Gustafsson, „und Schmerz“. Gustafsson ist der wohl bekannteste schwedische Spaßmacher. Durch die Titelrolle des „Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, der Verfilmung des Bestsellers von Jonas Jonasson, wurde sein Gesicht 2013 auch außerhalb des skandinavischen Raums bekannt. Nun schlüpft er erneut in die Rolle von Allan Karlsson, dessen Abenteuer im Kino auch ohne Buchvorlage weitergeht: „Der Hunderteinjährige, der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand“, heißt der Film, und Robert Gustafsson musste für ihn erneut Schmerzen leiden.

Denn so ohne Weiteres geht die Verwandlung in einen Greis nicht vonstatten. Fünf Stunden dauerte die tägliche Prozedur, um vier Uhr früh wurde begonnen, damit bis zum Drehstart um neun alles sitzen würde: „Die Maske geht von der Brust über den Kopf bis zum Rücken hinunter. Sie wiegt zweieinhalb Kilo – und sie ist aus Silikon und Gummi. Das atmet überhaupt nicht“, erzählt er. Gedreht wurde mitten im Sommer, in Ungarn und Thailand – als Gustafsson die Maske nach langen Tagen am Set abnehmen durfte, brach sich stets ein Sturzbach aus Schweiß Bahn.

Trotzdem hat er sein älteres Ich liebgewonnen – nicht nur, weil ihm die Maske einen interessanten Vorgeschmack bot, wie er selbst in ein paar Jahrzehnten aussehen könnte. Auch, weil so eine Erscheinung durchaus ihre Vorteile habe: „Alle am Set behandelten mich, als wäre ich wirklich hundert. Das ist ein sozialer Reflex: Sie sehen einen gebrechlichen Mann und wollen ihm helfen“, sagt Gustafsson. Eine alte Seele sei er ohnehin schon immer gewesen: „Ich wollte immer älter sein, als ich war. Mit zehn Jahren wollte ich zwanzig sein, mit dreißig vierzig. Jetzt fühle ich mich wie 65. Ich habe immer schon hinaufgeschaut zu älteren Menschen, die erfahrener und intelligenter sind. Ich schäme mich ein bisschen, wenn ich mir jüngere Leute anschaue, vor allem junge Politiker. Sie glauben, immer zu wissen, was richtig und was falsch ist.“

„Ich hoffe, dass ich 102 werde. Ich habe Angst, mit 99 zu sterben. Das wäre tragisch!“
„Ich hoffe, dass ich 102 werde. Ich habe Angst, mit 99 zu sterben. Das wäre tragisch!“ (c) Mats Bäcker

„Sie lachen innerlich.“ Es ist also vielleicht kein Zufall, dass seine Beliebtheit in Schweden zu einem Teil auf seiner Darstellung betagter, gern auch seniler Figuren beruht. 1964 im schwedischen Katrineholm geboren, stand er mit acht Jahren zum ersten Mal auf der Bühne, mit 13 machte er seine ersten Radioshows. In den 1980er-Jahren lieh er Figuren im schwedischen Kinderfernsehen seine Stimme, es folgte eine lange Reihe von TV- und Theaterrollen. Als Imitator schwedischer Persönlichkeiten machte sich Gustafsson einen Namen, 1991 startete seine Comedytruppe Killinggänget, die mit schwarzem Humor Schwedens Fernsehen, Bühnen und sogar das Kino eroberte. Gustafssons komödiantisches Interesse galt dabei vor allem dem Slapstick und der Darstellung übertriebener Charaktere – verwirrter Senioren etwa. Ob dies das ältere Publikum auch lustig fand? „Die älteren Zuschauer lachen innerlich, man kann es nicht sehen. Oft merkte ich auf der Bühne: Das Publikum ist ganz still, was läuft da falsch? Dann sah ich, es waren lauter alte Menschen. Sie bedankten sich dann am Ende für die Show: ,Es war so lustig!‘“

Schnaps und Dynamit. Der 101-jährige Allan Karlsson aus Gustafssons Film ähnelt den Senioren, die er bisher verkörperte, aber nur äußerlich. „Allans Gehirn ist wie das eines 20-Jährigen“, sagt der Schauspieler. „Er ist immer neugierig und sagt nie Nein.“ Im ersten Teil brachte ihn das unter anderem in die Psychiatrie, in den Spanischen Bürgerkrieg, wo er Franco als Freund gewann, nach New York, wo er den Amerikanern den entscheidenden Tipp zum Bau der Atombombe lieferte, und nach Moskau, wo er sich mit Stalin besoff, bevor dieser ihn ins Gulag steckte. Allan liebt nichts so sehr wie den Schnaps und das Dynamit, er stolpert von einer Situation in die nächste, furchtlos, aber auch ohne moralische Bedenken, lässt sich mit allen ein, die seinen Weg kreuzen, ohne deren Motive zu hinterfragen – als „politischen Idioten“ bezeichnete Romanautor Jonasson seine Figur einmal. „Er urteilt über niemanden“, sagt Gustafsson. „Er kann mit Nazis, Kommunisten, Terroristen oder Religiösen reden und denkt sich: So ist der also. Und jetzt, bitte einen Drink!“

Im zweiten Film wird sein ereignisreiches Leben in Rückblenden weitererzählt, während er und seine Kameraden sich auf die Suche nach dem Geheimrezept jenes fiktiven sowjetischen Softdrinks machen, mit dem die Russen einst gegen die Amerikaner antreten wollten. „Volkssoda“ heißt das Gebräu in der Geschichte, der Konflikt basiert auf dem Cola-Krieg (zwischen Coca-Cola und Pepsi), der auch seinen Weg in die amerikanische Politik fand. Die Suche nach der Rezeptur führt Allan unter anderem nach Berlin, wo ihn eine alte Bekannte, gespielt von der nun 90-jährigen Erni Mangold, zu einem Techtelmechtel verführt. „Das war eine Erfahrung!“, erzählt Gustafsson. „Es war das erste Mal und vielleicht das letzte Mal, dass ich eine fast 100-jährige Dame auf mir hatte. Der Dreh war sehr lustig. Sie ist so humorvoll!“

Das hohe Alter selbst auch zu erreichen hat sich Gustafsson jedenfalls schon vorgenommen. Seine Filmfigur will er dabei möglichst übertreffen: „Ich hoffe, dass ich 102 Jahre alt werde. Das ist eine schöne Zahl“, sagt er. Und fügt hinzu: „Ich habe Angst, mit 99 zu sterben. Das wäre tragisch!“

Tipp

„Der Hunderteinjährige, der die Rechnung nicht bezahlte und verschwand“. Von Felix und Måns Herngren, mit u. a. Robert Gustafsson, Iwar Wiklander, Shima Niavarani, Erni Mangold. Ab jetzt im Kino.

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