Die Abenteuer der Phoenix

Eine stilsichere Musikprophetin mit Mut zur Internationalität: Mavi Phoenix.

Mit einem 1970er-Jahre-Sample aus dem Libanon reißt Mavi Phoenix ihren zweiten Tonträger, „Young Prophet“, an. Die erste der neuen vier entfernt miteinander verwandten Nummern erzählt von ihrem „Aventura“, ihrem Abenteuer. Die 21-jährige Oberösterreicherin mit den verblassten syrischen Wurzeln rechnet im weiteren Verlauf dann „en español“ mit ihrer Schulzeit ab. Die zehnte Klasse musste sie nämlich wegen Spanisch wiederholen, rappt sie auf Englisch weiter. Die zehnte? „Ja, die sechste Gym würde außerhalb Österreichs keiner verstehen.“ Internationalität ist Mavi, die als Marlene Nader in Linz aufwuchs, wichtig. Seitdem sie mit Bilderbuch auf Tour geht, also seit knapp einem Jahr, konnte sie ihr Hörerspektrum auch abseits von YouTube in diese Richtung erweitern. Und derzeit sieht es auch nicht so aus, als könnte die junge Prophetin und zweifache Amadeus-Nominierte irgendjemand stoppen.

War sie bei ihrem EP-Debüt „My Fault“ 2015 noch allein am Werk, produziert sie mittlerweile zusammen mit Alex The Flipper. Das gemeinsame Management hat die beiden musikalisch verkuppelt. „Die erste EP war noch komplett von mir. Simon Herzog (Anm.: der auch Nummern von André Hellers Sohn Left Boy koproduzierte) habe ich drüberhören lassen und um Feedback gebeten.“ Es waren quasi Lehrerstunden. Damals war Mavi Phoenix 16 Jahre alt. Der Plan, professionell Musik zu machen, war einzementiert.

Ressourcen nutzen. Vom Vater gut mit Hardware (einem MacBook), von der alleinerziehenden Mutter mit Selbstvertrauen und vom Musikunterricht mit rudimentären Gitarrenkenntnissen versorgt, begann sie bereits als Kind, an der Karriere zu basteln. Die ersten Tracks veröffentlichte Mavi Phoenix mit 13 Jahren. „Ich habe die wenigen Sachen, die ich auf der Gitarre konnte, mit den wenigen Produktionsskills, die ich hatte, verbunden“, und dabei sei am Ende etwas herausgekommen, wundert sie sich fast. „Aber das höre ich jetzt auch noch immer von Leuten aus meinem Team, dass ich aus wenigen Sachen viel herausholen kann. Das bin ich so wohl gewohnt.“ Ganz einfach hatte sie es bisher nicht. Die Eltern lebten nie zusammen. Über ihren syrischen Großvater weiß sie nur, dass er Hassan hieß. Ihre Mutter kannte ihn nicht. Ein Flüchtling soll er gewesen sein, der in den 1970er-Jahren nach Wien kam. Mehr weiß sie nicht. „Es war schon oft komisch“, erinnert sie sich, „meine Mutter und ich haben auch immer anders ausgesehen als alle anderen. Dieses Gefühl, von Anfang an nicht dazuzugehören, spielt sicher eine wichtige Rolle in meinem Leben, auch wenn es nach einem Klischee klingt und ich es überhaupt nicht breittreten will, aber es ist eben immer mitgeschwungen – innerlich und äußerlich.“ Aber Brüche wachsen bekanntlich fester zusammen: Mit ihren 21 Jahren vermittelt die Künstlerin gezielt Härte. Sie habe „Power“, sagt sie, „aber vielleicht nicht unbedingt unter dem Schlagwort Frauenpower“ – oder überhaupt einem Schlagwort. Dem geht sie aus dem Weg, weil sie Feminismus nie aus Marketinggründen einsetzen würde.

Was sie aber sehr wohl einsetzt, ist ihr stilistisches Gesamtpaket. Secondhand-Mode aus den 1980er- und 90er-Jahren, Independent-Video-Ästhetik und ein ungeschminktes Gesicht – es dürfe sich nicht komisch oder aufgesetzt anfühlen, da sei sie sensibel, sagt sie. Auch der Umwelt zuliebe trägt sie nichts Neues von der Stange. Ihre Keypieces sind weiße Sneakers und weite Polos. Davon kann man sich auch in den jüngsten Videos zu „Love Longtime“ und „Quiet“ überzeugen. Nummern, für die sie im In- und Ausland schon als Lo-Fi-Pop-Heldin gefeiert wird.
Bei dem ganzen Applaus behält sie den Boden aber im Auge. Wo sind ihre Schwachstellen? Es gebe viele, meint sie selbstironisch. „Aussprache, Texte, der Gesang, da hab ich noch viel Luft nach oben. Das ist aber auch mein Ansatz, ich weiß schon, dass ich keine Mariah Carey sein will.“ Aber sie traut sich etwas zu, deshalb hat sie ihre neue EP auch nach dem Lied „Young Prophet“ benannt. „Ich bin niemand, der klein denkt oder klein redet oder kleine Sachen macht. Ich will alles groß machen, dazu passt auch der Titel.“

Bilderbuchkarriere. In der nächsten Zeit begleitet Mavi Phoenix wieder Bilderbuch bei ihrer „Magic Life“-Tour. Jene Band, die seit „Schick Schock“ als der sexyste Österreich-Musikexport durch die Charts getragen wird. Freude und Angst fahren beim Support mit: „Hoffentlich geht mir die Stimme nicht aus.“ Das letzte Mal war Mavi schon nach zwei Shows heiser vom Herumschreien am Abend und der schlechten Busluft, erinnert sie sich. Die Band war jedenfalls ein wichtiger Drehpunkt für ihren Start in der Musikszene. Abschauen konnte sie sich aber nicht viel von ihnen. „Maurice hat seine eigene Masche, die kann man schlecht nachmachen.“ Bilderbuch sind heuer auch wieder bei den Amadeus Awards doppelt nominiert. Ob Mavi Phoenix das Zeug für die „Künstlerin des Jahres“ hätte? „Ja, aber ich gewinne noch genug Awards, es muss nicht gleich sein.“

Tipp

Die neue EP „Young Prophet“ erscheint am 31. 3., live hören kann man sie am 21. 4. im Rahmen des Wiener Electric Spring Festival. Mavi Phoenix ist heuer als Beste Künstlerin und für den FM4 Amadeus Award nominiert. www.maviphoenix.com

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