Giuseppe Penone: Für die Ewigkeit

Speerspitze. Guiseppe Penone zählt zu den wichtigsten Vertretern der italienischen Gegenwartskunst.
Speerspitze. Guiseppe Penone zählt zu den wichtigsten Vertretern der italienischen Gegenwartskunst.(c) Beigestellt
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Fendi schenkt Rom das erste Gegenwartskunstwerk für den Stadtraum, eine monumentale Skulptur von Giuseppe Penone.

Mehr als jede andere Großstadt lebt Rom von seiner glorreichen Vergangenheit. Millionen an Besuchern wandeln jährlich gleich Zeitreisenden über immer dichter bevölkerte Trampelpfade im Zentrum. Das ist, da der Tourismus eine wichtige Einnahmequelle darstellt, zwar ein Segen, der aber nicht ganz ohne das Echo eines Fluchs auskommt. Die Stadt ist mancherorts so voll von Menschen, dass sich die Regierung – seit Juni des Vorjahres von einer Bürgermeisterin des Movimento 5Stelle angeführt – allmählich überlegen muss, wie man die Menschenströme sinnvoll entlang der Fontana di Trevi, der Spanischen Treppe oder des Kolosseums lenkt. Unweigerlich bleibt außerdem die Wahrnehmung von Rom als Hüterin eines kulturellen Erbes weitgehend der fernen Vergangenheit verhaftet.

Kein Freilichtmuseum. Das Engagement einiger italienischer Luxuskonzerne spiegelte bis vor kurzem diese Situation wider: Mit ihrer Hilfe wurden manche der bekanntesten Monumente, darunter die bereits genannten, restauriert und damit etwas erreicht, was die Verwaltung mit ihren leeren Kassen nicht geschafft hätte. Als einer dieser wichtigen Mäzene ging zuletzt das römische Luxusmaison Fendi einen Weg, der den Bogen aus der Vergangenheit in die Gegenwart spannen soll. So wurde Ende Mai auf dem zentralen Largo Goldoni das erste Gegenwartskunstwerk im Stadtraum enthüllt. Dass die monumentale Installation von Giuseppe Penone mit dem Titel „Foglie di pietra“ tatsächlich die zeitgenössische Public-Art-Premiere darstellt, muss verwundern. Denn Programme für die Anbringung von Kunst im öffentlichen Raum gehören seit langem fast routinemäßig zur Palette kultureller Aktivitäten in Metropolen überall auf der Welt.

Von einer „weiteren Liebesgabe an Rom“ durch das Haus Fendi sprach der Präsident des Unternehmens, Pietro Beccari, bei der Enthüllung von Penones Skulptur. Damit spielte er auf die Fortsetzung eines finanzstarken Engagements an, das neben dem Trevi-Brunnen in den letzten Jahren unter anderem den imposanten Palazzo della Civiltà Italiana (PCI) in dem unter Mussolini geplanten Reißbrettviertel EUR als neuen Firmensitz revitalisierte. Die Zusammenarbeit mit Giuseppe Penone, der zweifellos zu den wichtigsten Vertretern der italienischen Gegenwartskunst zählt und seit dem Beginn seiner Karriere in den Sechzigerjahren zur Speerspitze der Arte Povera gezählt wird, erweitert das Panorama von Fendis Kulturaktivitäten um eine zeitgenössische Komponente.

Dies würdigte bei einer Pressekonferenz Luca Beltrami, der Kulturstadtrat Roms, hinsichtlich der angestrebten Wahrnehmung der Stadt: „Rom soll kein Freilichtmuseum sein, sondern eine lebendige Großstadt. Darum engagieren wir uns dafür, dass die Installation von Giuseppe Penones ,Foglie di pietra‘ der Auftakt zu weiteren Initiativen für Kunst im öffentlichen Raum ist.“ So solle, unterstrich Beltrami in der Folge, Aufmerksamkeit für die Tatsache erzeugt werden, dass Rom „dieselbe kulturelle Vitalität aufweist wie andere europäische Hauptstädte, etwa London, Berlin und Paris“.

Hoher Wuchs. Die Installation „Foglie di pietra“ von Penone auf dem Largo Goldoni im historischen Zentrum von Rom.
Hoher Wuchs. Die Installation „Foglie di pietra“ von Penone auf dem Largo Goldoni im historischen Zentrum von Rom. (c) Beigestellt

Bitte nicht stören. Als Ouvertüre zur Präsentation der seit zwei Jahren gepanten Großskulptur Penones – zwei Bronzebäume, 18 und neun Meter hoch, tragen einen in fünf Meter Höhe angebrachten elf Tonnen schweren Marmorblock – zeigt der Palazzo della Civiltà Italiana noch bis Juli eine von Starkurator Massimiliano Gioni zusammengestellte Retrospektive mit dem Titel „Matrice“. Mit den kühlen, streng geometrischen Räumen des PCI stehen die oft auf Formen und Materialien der Natur rekurrierenden Werke Penones in faszinierendem Kontrast, während „Foglie di pietra“, die Fortsetzung einer 2013 begonnenen Werkserie, sich im Stadtraum als organische Ergänzung und nicht als Public-Art-Störer ausmacht.

Rom ist freilich nicht die erste Stadt, in der Giuseppe Penone, Jahrgang 1947, seine naturinspirierte Kunst installiert, zuvor war sie etwa in New York, Frankreich und Paris zu sehen. Als bislang einziger Italiener wurde er auch eingeladen, den Schlosspark von Versailles zu bespielen. „Als Künstler bin ich mir dessen bewusst, dass es etwas völlig anderes bedeutet, ein Werk im öffentlichen Raum anzubringen, als in einem geschlossenen musealen Raum“, hielt Penone im Gespräch mit dem „Schaufenster“ fest. „Der Unterschied betrifft im wesentlichen die Erwartungshaltung der Betrachter, die Art und Weise, wie das Werk jeweils kontextualisiert wird. Wenn ein Werk im öffentlichen Raum angebracht wird, steht es automatisch im Dialog mit allen Elementen in seiner Umgebung und muss, um wahrgenommen zu werden, eine besondere Anziehungskraft entwickeln." Dessen ungeachtet hält Penone, der aus einem kleinen Ort im Piemont stammt und heute einen Großteil seiner Zeit in Paris verbringt, wo er auch Kunst unterrichtet, nicht viel von allzu schreierisch in der Stadt installierten Arbeiten. Wenngleich sich der Schöpfer eines Kunstwerks im öffentlichen Raum „nicht mit Subtilitäten aufhalten“ könne, sei der Sinn einer solchen Übung doch keineswegs die Störung des konkreten Ortes. „Die Kunst sollte ein nicht-konfliktuelles Verhältnis mit dem Stadtraum eingehen und beinahe in Symbiose mit ihm funktionieren. Darum bevorzuge ich auch Elemente, die in der Stadt ohnehin vorkommen, etwa die Bäume, die in meiner Arbeit seit Jahrzehnten präsent sind. Ähnlich verhält es sich mit dem Material Marmor, das ja dasselbe ist, aus dem große Teile Roms einst gebaut wurden.“

Die Kontinuität in Penones Werk seit den Sechzigern lässt sich etwa aus einer aus dem Jahr 1968 stammenden Skizze für ein „Progetto per il giardino di pietre“ (Projekt für den Steingarten) ablesen. Die hier gezeichneten Bronzebäume mit Marmorkapitellen nehmen im Grunde die gesamte, erst in den letzten Jahren entstehende Werkserie „Foglie di pietra“ vorweg. Wie in vielen seiner Arbeiten geht es auch da um das Zusammenspiel der immer gleichen Materialien – Holz, Bronze, Marmor – und das Ausschaben und Nachahmen der Natur vermittels einer ungeheuerlichen Kulturleistung, um das Hinterlassen von Abdrücken und bleibenden Eindrücken. Die „steinernen Blätter“, die Penone auf dem Largo Goldoni in die Höhe streben lässt, versieht er übrigens mit einem interessanten Kommentar zur fortschreitenden Stratifizierung der Stadt: „Die Stadt Rom ist seit Jahrtausenden in die Höhe gewachsen. Die ,Foglie di pietra‘ werden mich und uns alle überdauern, vielleicht so lange, bis der Boden von Rom auf dem Level des heute in der Höhe schwebenden Marmorblocks angekommen ist.“

Der Autor reiste auf Einladung von Fendi nach Rom.

Tipp

Giuseppe Penones permanente Installation auf dem Largo Goldoni in Rom und die von Massimiliano Gioni kuratierte Penone-Retrospektive „Matrice“ im Palazzo della Civiltà Italiana, noch bis 16. Juli. Siehe
www.fendi.com

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