Christian Dolezal: „Die Eitelkeit habe ich besiegt“

Unterhaltung. Christian Dolezal zieht den tiefen Schmunzler dem Schenkelklopfer vor.
Unterhaltung. Christian Dolezal zieht den tiefen Schmunzler dem Schenkelklopfer vor.(c) Christine Ebenthal
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Eigenartig und faszinierend sein wollte Christian Dolezal schon als Kind. Jetzt gibt er in Haag den Don Quijote.

Als Musiker bei den Sofa Surfers hat er begonnen, als Schauspieler in Theater, Film und Fernsehen wurde er bekannt. Jetzt ist Christian Dolezal auch unter die Intendanten gegangen. In seinem ersten Jahr beim Theatersommer Haag gibt er selbst die Titelfigur des „Don Quijote“. Mit dem Büchernarren, der sich selbst zum Ritter ernennt, kann er sich durchaus identifizieren, erzählt Dolezal im Interview.

Warum wählten Sie „Don Quijote“ für das erste Jahr Ihrer Intendanz? Was hat Sie an dem Stoff fasziniert?
Für mich ist der Roman der Inbegriff dessen, dass die Menschheit zu Schönem fähig ist. Ich wollte den ganzen Grauslichkeiten, die man tagtäglich in den Nachrichten sieht, etwas entgegensetzen. Da könnte man ja denken, der Mensch sei nur zu Destruktion in der Lage.


Erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung mit Don Quijote?
Der Charakter beschäftigt mich seit meiner Kindheit. Ich habe damals diese alten Filme gesehen. Mich haben immer die Außenseiter mehr interessiert als Gewinner oder Konformisten. Heute interessiert mich: Wie reagieren die Menschen auf so einen Eigenbrötler?


Don Quijote schert sich nicht darum, was andere von ihm denken. Ist das eine Inspiration für Sie?
Es ist schon ein hehres Motiv, sich völlig freizumachen von fremden Meinungen. Wenn sein Knappe, Sancho Panza, sagt: „Das sind doch keine Riesen, das sind Windmühlen!“, dann sagt Don Quijote: „Da merkt man, dass du in Abenteuern einfach nicht bewandert bist. Du hast keine Fantasie!“ Und dieser goldene Helm des Mambrino ist für alle anderen das Scherbecken eines Barbiers. Nur Don Quijote sieht dieses höchste Gut, wo andere einen banalen Gegenstand sehen. Was hart ist: Dass er die Leute für sich so einsetzt, wie er es möchte. Sancho Panza zwingt er mitzugehen, macht ihm Versprechungen. Der gibt aber auch zu, dass er Don Quijote liebt. Vielleicht ist Don Quijote eine Fantasiefigur, die stellvertretend für die Wünsche und Sehnsüchte der Menschen steht. Und weil man Sehnsüchte, die einen überfordern, nicht zu nahe an sich heranlassen will, muss man sie vernichten. Deshalb arbeiten sich alle anderen an Don Quijote ab und versuchen, ihn in ihre Realität zurückzuholen. Das ist lustig, aber auch tragisch: Denn er kann nur in seiner Welt leben.


Ist er ein Spinner oder ein Visionär?
Für mich ist er ein Visionär. Er lebt in einer Welt, wie sie sein könnte.


Ist Theatermachen etwas Ähnliches für Sie: eine Welt zu kreieren, wie sie sein könnte?
Ich habe das Theaterspielen und die Realität eigentlich nie zu trennen gewusst. Auf der Bühne durchlebe ich die Situationen ja wahrhaftig, meine Gefühle sind wahrhaftig. Warum ist das eine weniger Realität als das andere? Das Theater ist für mich wie ein Sirup, eine Konzentration der Realität.


Kann man in diesem Sirup auch picken bleiben?
Wenn man ihn längere Zeit nicht bekommt, kann es prekär werden. Wenn ich längere Zeit keine Vorstellungen habe, werde ich unrund.


Eine Ensemblerolle, die Ihnen ständige Auslastung geben könnte, wollen Sie aber gar nicht.
Dann müsste ich auch Rollen und Stücke spielen, die mir nicht am Herzen liegen. Und was dann? Das geht ja nicht! Aber vielleicht kommt der Wunsch, in einem Ensemble zu sein, mit dem Alter noch.


Sie sind Schauspieler, Musiker, jetzt erstmals Intendant – wie gefällt Ihnen diese geschäftliche Aufgabe?
Ich bringe Künstler zusammen, ich wähle den Stoff aus, das ist schon eine künstlerische Tätigkeit. Ich habe mir die Arbeit, Sponsoren bei der Stange zu halten, mühsamer vorgestellt. Das ist es aber überhaupt nicht.


Darf Theater einfach nur unterhaltsam sein?
Man darf Unterhaltsamkeit nicht unterschätzen. Man muss ja die Leute dazu bringen, dass sie dir gern zuhören. Aber mir reicht auf Dauer die Pointe nicht. Und den tiefen Schmunzler hab ich sehr viel lieber als diesen schenkelklopfenden Lacher. Der ist nichts wert. Der tiefe Schmunzler bewirkt etwas in den Menschen.


Stimmt es, dass Sie als Kind Mick Jagger werden wollten?
Als ich das erste Mal mit den Rolling Stones konfrontiert wurde, habe ich gesehen: Man kann etwas Besonderes sein, man kann eigenartig und faszinierend sein. So wollte ich auch sein! Mir war schon als Kind klar: Ich will keinen normalen Beruf ausüben. Nur mit gesprochenem Wort in den Köpfen der Leute Bilder entstehen zu lassen, das finde ich fantastisch. Ich bin heute noch begeistert davon, dass die Leute Geld bezahlen, damit ich für sie zwei Stunden lang die Zeit anhalte.


Muss man eitel sein, um schauspielern zu können?
Es ist schon ein eitler Vorgang, sich überhaupt auf eine Bühne zu stellen. Aber wenn man dann auf der Bühne agiert, darf man nicht mehr über seine Wirkung nachdenken. Sonst ist jeder Zauber sofort verloren. Ich war als junger Schauspieler durchaus eitel. Mittlerweile habe ich das überwunden. Eitelkeit ist ein Feind, den ich besiegt habe.


Lieblingsrollen?
Ich habe den Schnitzler-Monolog („Spiel im Morgengrauen“) geliebt, den Hamlet, auch die Serie „Schlawiner“: Ich mache mich gern zum Dodel. Den „Theatermacher“ von Thomas Bernhard möchte ich gern einmal spielen. Sehr geeignet halte ich mich für Horváth, Schnitzler, Nestroy.


Nestroy ist wohl nicht einfach zu spielen.
Nein. Man muss begreifen, dass das eine Kunstsprache ist, die minutiös bedient werden muss. Sprache ist Musik. Wenn sie nicht klingt, funktioniert sie nicht. Don Quijote wird in einer gestochenen Hochsprache reden – das braucht es, damit das Stück funktioniert. Aber ich wüsste nicht, warum man in einem normalen Konversationsstück nicht hören soll, dass ich Österreicher bin.


Sie kennen die meisten Wiener Theater von innen. Nur das Burgtheater fehlt.
Es wäre gelogen zu behaupten, dass es mich nicht ein bisschen kränkt, dass die mich völlig ignorieren. Ich empfinde mich als Schauspieler-Arbeiter. Mit dem Schnitzler-Monolog bin ich zuerst auf Balkantournee gegangen und habe in Ziegenställen gespielt, bevor die großen Häuser auf mich aufmerksam geworden sind. Als ich dann im Berliner Ensemble aufgetreten bin, war ich schon cool und überhaupt nicht mehr nervös.


Lampenfieber kennen Sie gar nicht mehr?
Ich habe keine Angst vor dem Theaterspielen. Ich habe nur eine gewisse Spannung – und eine große Demut davor, dass die Leute Eintritt zahlen und Steuergeld verbraucht wird. Ich verlange dafür viel von mir ab. Don Quijote, das klingt witzig, aber es ist harte Arbeit.

Tipp

„Don Quijote“. Nach Cervantes, Regie: Stephanie Mohr, mit Christian Dolezal und Thomas Mraz. Theatersommer Haag: 5. 7.–12. 8. 2017. theatersommer.at

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