Koenig 2: Frischer Aufwind für den Wiener Kunstmarkt

24/7. Durch das große Schaufenster ist der Ausstellungsraum rund um die Uhr einsehbar.
24/7. Durch das große Schaufenster ist der Ausstellungsraum rund um die Uhr einsehbar.(c) Christine Pichler
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Die Kunstszene ist in Bewegung. Koenig 2 heißt der jüngste Neuzugang im Wiener Schleifmühlgassen-Cluster.

Der Kunstmarkt ist im Fluss. Die einen kommen, die anderen gehen. Wiener Kunstinteressierte haben in jüngster Zeit vermehrt Nachrichten wie diese in ihrer Mailbox vorgefunden: „Nach elf Jahren Ausstellungs- und Messetätigkeit nehmen wir uns die Zeit, über neue Formate und Strukturen nachzudenken und unsere inhaltliche Arbeit zu vertiefen.“ Oder: „Wir haben den Januar und Februar in diesem Jahr dazu genutzt, über mehr als siebzehn Jahre Galeriearbeit nachzudenken, zu reflektieren und zu justieren.“ Jedes Mal ist dabei sinngemäß von Umstrukturierungen die Rede, von Veränderungen des Kunstbetriebs, von der Suche nach zeitgemäßen Antworten auf die Bedürfnisse der Akteurinnen und Akteure des Kunstmarkts, von neuen Modellen. Und jedes Mal kamen die Nachrichten von einer weiteren Galerie aus der Schleifmühlgasse.

Andreas Huber hatte im vergangenen Sommer den Anfang gemacht und seine Galerieräumlichkeiten aufgegeben. Kerstin Engholm tat Ende Februar dieses Jahres kund, sie wolle sich nicht mehr „auf die zeit- und arbeitsaufwendigen Ausstellungsproduktionen“ konzentrieren, sondern den Fokus in Form eines Thinktanks auf konzeptuelle und innovative Prioritäten verlegen. Als schließlich Georg Kargl vor wenigen Wochen die Umbenennung seiner Galerie auf „Gesellschaft für projektive Ästhetik vormals GKFA“ bekannt gab, war der Schock perfekt und Spekulationen über ein drohendes Ende Tür und Tor geöffnet. Kargl wehrt sich: „Es ist ein neuer Name, keine neue Wirtschaftsform. Man kann weiterhin shoppen, es wird weiterhin Präsentationen geben. Es ist ein neues Vorgehen, für das die Zauberworte sind: Entschleunigung, Reduzierung, Konzentration, Dialog.“

Neuzugänge. Daneben entsteht aber auch Neues. In Kargls unmittelbarer Nachbarschaft feiert die Galerie unttld contemporary soeben ihr dreijähriges Bestehen. Im unteren Teil der Schleifmühlgasse etabliert sich Michaela Stock zunehmend als Performance-Spezialistin. Am oberen Ende betreibt die an sich in der Innenstadt angesiedelte Charim-Galerie einen Offspace. Und wenige Schritte von ihrer Stammgalerie entfernt, ums Eck in der Margareten­straße, wo auch die Düsseldorfer Galerie Beck & Eggeling ihre Wiener Niederlassung gegründet hatte, eröffnete Christine König, Galeristin der ersten Stunde in der Schleifmühlgasse, zu Jahresbeginn den Projektraum Koenig 2 by_robbygreif und vertraute dessen Leitung ihrem Mitarbeiter Robby Greif an. In den Chor von der Krise wollen beide nicht einstimmen. „Ich kann es nachvollziehen, wenn sich Leute entschleunigen“, sagt Greif. „Es gibt eine Müdigkeit und Überforderung, weil alles immer schneller wird. Man hat immer das Gefühl, man verpasst irgendetwas.“ Was ihn allerdings ärgert, ist die Verallgemeinerung. „Es ist der Lauf der Zeit, dass sich Dinge ändern. Für mich ist das nichts Neues, ich kenne das aus Berlin. Aber es gibt auch eine neue Generation.“

Blick nach vorn. Das Generationenthema ist auch ein Stichwort, das Christine König als Galeristin seit Längerem beschäftigt. Dabei geht es ihr nicht um die Nachfolge (dafür sieht sie mit einem Augenzwinkern ohnehin ihren heute 20 Monate alten Enkel Bruno vor), sondern darum, am Puls der Zeit zu bleiben. „Jeder steht für eine bestimmte Generation“, sagt sie. 28 Jahre ist es her, dass sie selbst in der Wipplinger­straße ihre erste Galerie eröffnet hat. 1999 übersiedelte sie mit drei weiteren Galerien in die Schleifmühlgasse, was der Grundstein eines neuen Wiener Galerienclusters war. Nicht, dass Christine König ans Aufhören denken würde. „Ich werde sicher nie in Pension gehen, sondern Galerie machen, bis ich 95 bin“, sagt sie. „Mein großes Vorbild ist Ileana Sonnabend, die sich im hohen Alter noch im Rollstuhl in ihre New Yorker Galerie schieben ließ.“ Der Blick ist dabei nach vorn gerichtet.

Fenster zur Kunst. Der Kontakt zum fast 30 Jahre jüngeren Greif, der viele Jahre in der Berliner Galerie Jette Rudolph gearbeitet hatte, kam über den Künstler Constantin Luser zustande, mit dem beide Galerien Projekte am Laufen hatten. Angesichts einer „nervigen Stimmung in der Berliner Szene, wo sich der rheinländische Klüngel breitgemacht hatte“, so Greif, suchte er eine neue Herausforderung. Wien gefiel ihm aufgrund seiner zentral-dezentralen Lage und seiner lebendigen Kunstszene. Zudem hatte der gelernte Museologe hier 2004 ein Praktikum absolviert. Die Arbeit in einem Museum kam für ihn allerdings nicht mehr infrage: „Eine Galerie ist viel dynamischer!“

Von Beginn an war er in die Programmarbeit der Galerie eingebunden, nahm mehr und mehr in die Hand und brachte seine Erfahrungen ein. Für den neuen, fast würfelförmigen Projektraum in einem ehemaligen Lager hat ihm die Galeristin denn auch von Beginn an die Verantwortung übergeben. „Young emergent“ lautet die programmatische Linie des Jungdirektors. „Meine Idee ist es, Installationen und Neuproduktionen von Leuten zu zeigen, die noch nie in Wien ausgestellt haben“, sagt er. Gestartet wurde mit einem Film von Ovidiu Anton und Alexandru Balasescu; Natalia Stachon sowie Felix Burger zeigten Installationen, zurzeit läuft ein Projekt von Thilo Jenssen. „Namen spielen für mich keine Rolle. Wichtiger ist es mir, ein niederschwelliges Angebot zu schaffen, um den Leuten die Scheu vor der Kunst zu nehmen.“ Eine Besonderheit der Location, die den Raum Koenig 2 architektonisch mit der Hauptgalerie verbindet, ist ihr Schaufenstercharakter. Auf diese Weise kann die Kunst rund um die Uhr von außen betrachtet werden. „Das funktioniert tatsächlich!“, erzählt Greif. „Ich habe mitten in der Nacht mit eigenen Augen gesehen, wie sich Leute vom Gehsteig aus 45 Minuten lang einen Film angeschaut haben.“ Streetart vom Feinsten sozusagen.

Tipp

Koenig 2 by_robbygreif: „Thilo Jenssen. Restless Legs“, bis 9. 9. 2017.

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