Stipsits über "Baumschlager", Krieg und Ziegen

Abzug. Thomas Stipsits als UNO-Soldat ­Werner Baumschlager.
Abzug. Thomas Stipsits als UNO-Soldat ­Werner Baumschlager.(c) Beigestellt
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Ein Pantscherl kann kompliziert sein, zwei gefährden den Frieden. Harald Sicheritz schreibt in „Baumschlager“ die Golan-Mission um, Thomas Stipsits spielt seine erste Kinohauptrolle.

"I versteh Sie jo ned, wenn Sie dauernd reden.“ „Pudel di ned auf, Hustinettenbär!“„Ich hätt gern ein Kilo Faschiertes, aber dünn aufg’schnitten.“ Auch gut: Salmonellen – „überhaupt wenn’s ganz frisch san“. Ja, das war ein Blumenstrauß legendärer Zitate aus „Muttertag“, der bisher härtesten Komödie von Regisseur Harald Sicheritz – bisher, denn mit seinem nächsten Film heizt er den Nahostkonflikt an. Dazu später mehr. Sicheritz ist seit den 1990ern Kult, und nicht nur weil er mit seiner Band Wiener Wunder (mit Gunkl am Saxofon) die Musik zu „Müllers Büro“ in die Charts brachte. Berühmt wurde er auch in den Schulbussen, wo die Dialoge aus seinen Filmen lange Standard waren. „I sog’s glei, i wor’s ned“ war als Antwort multifunktionell einsetzbar. Auch bei Thomas Stipsits, dem Schauspieler und Kabarettisten, für den eine Rolle in einem Sicheritz-Film damals als 14-Jähriger auf der Theaterbühne im Jugendzentrum so weit weg war wie die Matura. „Als 1983er-Jahrgang kann ich fast sagen, dass seine Arbeit unser Soundtrack war.“ Umso fantastischer findet er es, wie sich alles ergeben hat, erzählt der Feriengrieche ein paar Wochen vor der Premiere von „Baumschlager“ aus dem Sommersitz.

Liebe am Golan. Nach „Bad Fucking“ (2013) läuft jetzt Stipsits’ größte Zusammenarbeit mit Sicheritz an. In „Baumschlager“ (einem Film, der treffend beobachtet und sehr witzig ist - aber nicht immer) spielt er den Protagonisten und damit auch seine erste Kinohauptrolle. Und Österreich hat nebenbei nach jahrelangem Vorkochen die erste Spielfilmkooperation mit Israel umgesetzt. Die Satire nennt den „wahren“ Grund für den Abzug der österreichischen UNO-Truppen auf den Golanhöhen. Die Mission wurde in Wahrheit bereits 2013 nach 39 Jahren unter Verteidigungsminister Gerald Klug aus Sicherheitsgründen abgebrochen. 29.000 österreichische Soldaten hatten bis dahin am Golan gedient. Einer war vielleicht die Grundlage für das Buch zum Film.

Zur Filmkritik von "Baumschlager" >>>

Doppelleben. ­Gerti Drassl spielt die gehörnte Gattin in Niederösterreich.
Doppelleben. ­Gerti Drassl spielt die gehörnte Gattin in Niederösterreich. (c) 2017 Dor Film

Auf der Leinwand ist es der Niederösterreicher Werner Maria Baumschlager (römisch-katholisch, Hunde- und Flohmarkt-Sympathisant). Er ist irgendwie lieb, naiv, hält sich an die Regeln – wenn er nicht gerade von sexuell proaktiven Frauen verfeindeter Lager umgeben ist. Im Detail: Meyrav Feldman als israelische Soldatin Sigal Cohen und Moran Rosenblatt als libanesische Jungfrau Rania, nicht zu vergessen die eigene Gattin zu Hause (Gerti Drassl) und eine Agentin, die den friedensgefährdenden Blauhelm einfangen soll (Sólveig Arnarsdóttir).

Ruhepol. Harald Sicheritz leitete das internationale Set in Israel.
Ruhepol. Harald Sicheritz leitete das internationale Set in Israel. (c) 2017 Dor Film

Hat sich Thomas Stipsits in der Rolle gefallen? Durchaus. Es gibt auch Gemeinsamkeiten. „Dass dieser Baumschlager beruflich sehr entscheidungsfreudig ist und weiß, was er will, und privat jemand ist, der schwer Nein sagen kann und versucht, es allen recht zu machen, das deckt sich ein bisschen mit meiner eigenen Biografie.“ Baumschlager erlebt – um nicht zu viel zu verraten – seine ganz persönliche Nahostkrise im Schlafzimmer und wird damit ungewollt zum Spielball zwischen Krieg und Frieden – und vielen Ziegen, deren Präsenz zieht sich nämlich zusammen mit vielen Slapstick-Momenten durch den Film. Geschrieben haben die Geschichte Harald Sicheritz und Maayan Oz, Letztere ist eine Schülerin des verstorbenen, in Österreich geborenen israelischen Filmemachers Micha Shagrir, dem „Baumschlager“ gewidmet ist. „Quasi auf dem Sterbebett hat Micha Maayan gesagt, dass sie die Geschichte zu Ende schreiben muss“, erzählt Stipsits. Die Idee dazu gab es schon sehr lang, auch weil sie auf einer wahren Begebenheit beruht. „Es gab offenbar wirklich einen österreichischen UNO-Offizier, der mit Micha befreundet war und sich in eine Libanesin verliebt hatte, selbst aber verheiratet war und sich der Konsequenzen seines Pantscherls nicht bewusst war.“ Baumschlager hat das gleiche Problem. Nur mit einem Unterschied: Es herrscht Frieden. Und wie sich herausstellt, ist der gar nicht so willkommen.

Ruhe an der Grenze. Die Dreharbeiten hat Thomas Stipsits grundsätzlich sehr positiv erlebt, auch die pikanten Szenen mit seinen Kolleginnen. „Wir hatten doch auch intime Geschichten miteinander, und wenn man sich gerade einmal zwei Tage kennt, muss man sich schon gut verstehen. Es war toll, wie sie mich geführt haben und umgekehrt. Wir konnten jede Hemmschwelle verlieren und professionell eine Liebesszene drehen – und das ist so etwas Unerotisches, das kann man sich gar nicht vorstellen.“

Politisiert wurde dagegen weniger als angenommen. „Es war spannend, mit so unterschiedlichen Kulturen zu drehen. Neben uns Österreichern gab es Kollegen aus Island, der Schweiz, Arabien, Israel. Harald war ein Ruhepol. Moran Rosenblatt hat einmal gesagt, dass sie noch nie auf so einem angenehmen Filmset war. Sie kannte nur israelische Produktionen, bei denen sich der Regisseur mit dem Megafon durchsetzt.“ Einen unentspannten Eindruck hatte Stipsits von Israel aber nicht. „Man muss sagen, dass alle Menschen, die nahe dem Meer leben, diplomatisch gesagt, einfach ein bisschen entspannter sind und vielleicht um eine Spur langsamer, was aber nicht unsympathisch ist.“

Nach den sechswöchigen Dreharbeiten in Jaffa und in grenznahen Gebieten bleibt für Stipsits am Ende mehr Nervosität als zuvor. „Weniger, wie das Urteil der Kritiker ausfällt, sondern ob die Leute in den Film gehen“, will er wissen. In Israel kommt „Baumschlager“ natürlich auch in die Kinos. „Das Publikum dort ist für mich aber keine greifbare Materie. Die Kathi (Straßer), meine Frau, hat mir einmal ‚Schnell ermittelt‘ auf Italienisch gezeigt. Ich bin gestorben vor Lachen.“

Die gegenseitige Schätzung zwischen Harald Sicheritz und Thomas Stipsits geht mittlerweile übrigens so weit, dass sie jetzt gemeinsam an einem Drehbuch schreiben. „Ich kann nur so viel sagen, es wird wieder eine Geschichte, die im Ausland spielt, aber dieses Mal geht es nach Griechenland.“

Tipp

„Baumschlager“ von Harald Sicheritz startet am 22. September in den Kinos. Es spielen: Thomas Stipsits (Werner Baumschlager), Gerti Drassl (Martha Baumschlager), Meyrav Feldman (Sigal Cohen), Moran Rosenblatt (Rania) und Sólveig Arnasdóttir (Ulla). Bühne: Thomas Stipsits spielt noch bis Ende 2018 „Gott & Söhne“ mit Manuel Rubey, im Frühjahr 2018 stellt er ein Solo-Best-of vor, im Herbst 2019 kommt ein neues Soloprogramm.

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