„das weisse haus“: Kunst bis auf Widerruf

Gründungsdirektorin. Alexandra Grausam leitet „das weisse haus“ seit zehn Jahren.
Gründungsdirektorin. Alexandra Grausam leitet „das weisse haus“ seit zehn Jahren.(c) Carolina Frank
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Es will nicht als Offspace oder als Verein tituliert werden: „das weisse haus“ ist „das weisse haus“.

Wenn die Rede aufs „Weiße Haus“ kommt, denkt die Welt an Amerika und seine Präsidenten. Doch das mächtigste Haus der Welt hat auch einen Namensvetter in Wien. Das „weisse haus“ ist eine Wiener Kunstinstitution, die in diesen Tagen ihren zehnten Geburtstag feiert und mit der Macht gar nichts am Hut hat. Ihren Hang zur Subversion deutet sie schon im Namen an, sie schreibt sich nämlich genau nicht so, wie es die Rechtschreibbehörde gern hätte: „das weisse haus“ setzt vielmehr auf konsequente Kleinschreibung sowie die Aufdröselung des scharfen S in zwei kleine S – damit es auch die Amerikaner verstehen und lesen können.

„Als wir begonnen haben, standen drei Dinge fest“, sagt Alexandra Grausam. „Wir wollten immer eine Institution sein. Diese sollte eine fixe Struktur mit regelmäßigen Öffnungszeiten und einem Programm haben. Und wir wollten von Anfang an zweisprachig sein.“ Alexandra Grausam ist Leiterin und Gründerin dieses nicht ganz kleinen, aber auch nicht ganz großen Kunstraums, der organisatorisch als Kunstverein eingetragen ist.

Keimzelle. Es begann in  einem weiß gekalkten Abbruchhaus im Wiener Brillantenviertel.
Keimzelle. Es begann in einem weiß gekalkten Abbruchhaus im Wiener Brillantenviertel. (c) Matthias Aschauer

2007 hatte sie „das weisse haus“ zusammen mit der Kuratorin und Kunsthistorikerin Elsy Lahner (jetzt Albertina) initiiert. Vier Jahre lang leiteten die beiden jungen Frauen den Kunstraum gemeinsam. Der Fokus war von Anfang an auf die junge österreichische Kunstszene gerichtet, durchmischt mit internationalen Positionen. Nach Lahners Weggang entschloss sich Grausam, die bis heute parallel als Restauratorin für Malerei und zeitgenössische Kunst arbeitet („Ich liebe Rissverklebungen“), die Leitung allein zu schultern. Vor fünf Jahren etablierte sie zusätzlich zum Ausstellungsprogramm auch ein Atelierprogramm namens „studio das weisse haus“. „Die Strukturen und das Equipment hatten wir. Also warum sollten wir das nicht nützen?“ Heute sind die Studios ein Fixpunkt auf der Agenda internationaler Kuratoren bei ihren Wien-Besuchen. Seit Kurzem gibt es auch ein Stipendium für junge Ausstellungsmacherinnen.

Labor. Stephanie Winter & Salon Hybrid erforschten  in der Hegelgasse „The White Planet Paradox“.
Labor. Stephanie Winter & Salon Hybrid erforschten in der Hegelgasse „The White Planet Paradox“.(c) Stephanie Winter

Nomadisches Dasein. So klare Vorstellungen es für „das weisse haus“ von Beginn an gab – eines stand damals nicht fest und steht heute nicht fest: der Standort. Das nomadische Herumziehen von einer Adresse zur anderen ist bis heute ein ebenso charmantes wie nüchternes Charakteristikum. Aktuell residiert „das weisse haus“ mit der Hegelgasse an der sechsten Adresse, wobei es seine Locations von Beginn an auf Prekariatsbasis suchte. Die Räumlichkeiten werden dabei von den Vermietern jeweils bis auf Widerruf gegen Übernahme der Betriebskosten vergeben – eine Praxis, die in anderen Städten, etwa Berlin, als eine Art Kunstsponsoring gang und gäbe ist, hierzulande aber nur zögerlich Anwendung findet.

Ein Coup war gleich die allererste Bleibe: ein idyllisches, dem Abbruch geweihtes Biedermeierhaus am Brillantengrund. Zweigeschoßig, mit einem windschiefen Balkon und einem Garten ausgestattet, war es von den Vorgängern komplett weiß ausgekalkt worden. Damit war für den jungen Verein last but not least auch ein Name gefunden. Die aktuelle Station ist ein Souterrain mit angeschlossenen Büroräumen in einem Schulkomplex im ersten Bezirk. Dazwischen lagen Unterbringungen in sanierungsbedürftigen Fabriken, aufgegebenen Finanzämtern oder anderen Schulen an allen möglichen Standorten Wiens, darunter Wollzeile und Argentinierstraße.

Klarstellung. Ein neues  Neonsignet will mit alten Missverständnissen aufräumen.
Klarstellung. Ein neues Neonsignet will mit alten Missverständnissen aufräumen. (c) Joanna Pianka

Die Ausstellungsliste des „weissen hauses“ umfasst bis heute 450 Namen von Künstlerinnen und Künstlern, darunter Iris Andraschek, Hanakam & Schuller, Karin Fisslthaler, Judith Fegerl, Aldo Giannotti und Roberta Lima, aber auch viele, die es noch zu entdecken gilt. Das „weisse haus“ fungiert für sie bald als Schleuse Richtung Kunstmarkt, bald als Experimentierlabor, wo Dinge ausprobiert werden können, für die die Struktur größerer Häuser zu starr ist. Mit seinem Zwischenformat nimmt es eine Stellung zwischen Galerien und größeren Institutionen ein, was die Zuordnung oft schwer macht. Die Aussage „Don’t call it offspace!“, gefallen in einem Interview, wurde zum geflügelten Wort, das nun zum Zehn-Jahr-Jubiläum in Neonbuchstaben die Fassade zieren wird. „In vielen Facetten sind wir sicher ein Offspace, doch dann auch wieder nicht“, sagt Grausam. Aber darum geht es am Ende des Tages nicht. „Als alternativer Kunstraum ist man immer eine Plattform. Vor allem geht es uns darum, einen Austausch zustande zu bringen und unser eigenes Netzwerk zu schaffen.“

Tipp

Zur Vienna Art Week bittet „das weisse haus“ am 18. 11. zur ­Zehn-Jahr-Feier bei Kaffee, Kunst und Torte. www.dasweissehaus.at

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