„Remastered“ in Krems: Eines gibt das andere

(c) Adam Reich/Courtesy Jonathan Monk und Casey Kaplan, New York
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Von der Aneignung in der Kunst und im Film der letzten 100 Jahre handelt eine Ausstellung in Krems.

In jedem Kunstwerk ist ein nächstes enthalten. Erst ist es vielleicht unsichtbar, erlangt aber zu einem späteren Zeitpunkt Sichtbarkeit, indem etwa ein Künstler oder eine Künstlerin in seinem Schaffen einen Gedanken aufgreift und variiert oder Ideen oder Themen eines anderen fortführt. Manchmal ist es bloß Nachahmung, manchmal Wettbewerb, Wettstreit oder Wetteifern. Der Dialog ist immer zumindest im Keim angelegt und immer ist auch ein Quäntchen Faszination am Vorbild im Spiel.

Wiedergänger. „I admire Leonardo because he is the father of the Mona Lisa whose mother was Saint Anne“, vermerkte Man Ray 1967 auf seinem Werk „The Father of Mona Lisa“. Dafür hatte er Leonardo da Vincis Selbstbildnis hergenommen und diesem eine Zigarre zwischen die Lippen gesteckt. In großzügiger Auslegung kann man Man Rays Arbeit als Hommage bezeichnen. Dazu bringt er aber noch jede Menge anderer Referenzen ins Spiel, die das Original mit Ironie, Fantasie und einem Schuss Blasphemie vom historischen Podest holen: Im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit bemüht er sich gar nicht mehr um eine eigenhändige Kopie des Vorbildes, sondern greift zu einem Druck, auf den er als Versatzstück des Alltags eine Zigarre klebt. Er stellt fiktionale Bezüge her zwischen der Renaissance-Heroine Mona Lisa, ihrem Schöpfer und der Religionsgeschichte.

Vor allem aber tritt Man Ray in Dialog mit einem anderen Zeitgenossen, der die Mona Lisa knapp ein halbes Jahrhundert zuvor auf den Sockel der Moderne setzte: Marcel Duchamp, der die Lächelnde 1919 ebenfalls in einer Reproduktion mit einem Schnauzer versah und damit auf die Frage ihrer Geschlechtlichkeit anspielte. Das legendäre Werk „L.H.O.O.Q.“ – was französisch ausgesprochen ungefähr bedeutet: „ihr ist heiß am Hintern“ („ella a chaud au cul“) – eröffnete eines der radikalsten Kapitel der Kunstgeschichte der Moderne: die Kunst der Aneignung. Zwei Jahre vor Man Rays „The Father of Mona Lisa“ reagierte Duchamp übrigens auf sein eigenes Werk und rasierte Mona Lisa den Bart wieder ab. Das Bild „L.H.O.O.Q. rasée“ ist eine von rund 100 Arbeiten, die sich dem Phänomen der künstlerischen Aneignung in der Kunst und im Film der letzten 100 Jahre verschrieben hat. Angelegt als ABC der Aneignung versammelt die Schau verschiedene künstlerische Zugänge und „Wiedergänger“, wie Kuratorin Verena Gampert die Referenzfiguren nennt. Dabei ist die postmoderne „Appropriation Art“ der 1980er, die die Kopie als eigene Kunstform proklamiert hat, nur einer von mehreren Aspekten. „Es geht uns auch nicht um Kategorisierungen wie Hommage, Demontage, Persiflage“, sagt Gampert. „Damit hätte man das kritische Potential der Aneignung viel zu sehr eingebremst.“

Dreh- und Angelpunkt ist vielmehr die Faszination am Werk eines anderen. So setzt die Schau denn in der von allen Zwischenwänden befreiten Pfeilerhalle verschiedene Gesten der Aneignung in ein spielerisches Miteinander. Dennoch gibt es zwei Stränge, die zwei radikal entgegengesetzte Methoden der Aneignung markieren: die symbolische Aneignung, bei der mit den Wiedergängern gearbeitet wird. So überträgt etwa Klaus Mosettig Jackson Pollocks legendäres Drip-Painting „Number 32“ aus dem Jahr 1950 in einem langwierigen Prozess, bei dem nicht zuletzt der Diaprojektor eine zentrale Rolle spielt, in das Medium der Zeichnung.

Der Italiener Luigi Ghirri wiederum hat die Stilllebengemälde seines Landsmannes Giorgio Morandi fotografisch nachempfunden. Ein Reibebaum der Gegenwartskunst ist auch Andy Warhol, an dem sich zahlreiche Künstler abgearbeitet haben: Rosemarie Trockel strickt genderkritisch dessen Rohrschach-Bilder nach. Richard Pettibone malt Miniaturkopien. Und Sturtevant erhebt die Kopien schlichtweg in den Status von Originalen. Zur Persiflage greift Jonathan Monk, wenn er einen Aluminiumhasen, der verdächtig an Jeff Koons erinnert, auf dem Podest erschlaffen lässt.

Demgegenüber steht „die physische Aneignung, wo das Werk einverleibt wird“, sagt Gamper. Jake und Dinos Chapman haben Goya-Radierungen mit Figurationen überarbeitet. Fehlen darf hier schließlich auch Österreichs oberster Aneignungskünstler nicht: Arnulf Rainer, der sich für seine Übermalungen nicht scheut, sowohl eigene Werke als auch solche von Kollegen oder aus der Kunstgeschichte zu übermalen. Rainer: „Ich male nicht, sondern ich bemale, übermale oder zermale, das heißt, ich brauche einen Auslösefaktor, etwas Existierendes, das ich bestalte (sic!).“

Tipp

Die Ausstellung „Remastered – Die Kunst der Aneignung“ ist vom 26.11. bis zum 18.2. 2018 in der Kunsthalle Krems zu sehen. www.kunsthalle.at

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