Davide Bombana: Roméo für Rosalie

Davide Bombana bringt italienische Leidenschaft nach Wien.
Davide Bombana bringt italienische Leidenschaft nach Wien.(c) Carolina Frank
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Davide Bombana lässt Romeo und Julia zu Musik von Berlioz tanzen. Er widmet sein Stück der Bühnenbildnerin Rosalie.

Davide Bombana hat die Kunst der Bilokation erlernt. Er ist dort und gleich wieder da, kniet schmachtend zu Füßen der Altistin und liegt als Tote vor dem Bass; verliebt sich im Ballettsaal der Staatsoper in den jungen Montague und ist wie der Blitz in der Volksoper, um Tybalt, Mercutio und Benvolio in Kampfstellung zu bringen. Das Corps de ballet muss synchronisiert werden, der riesige Chor ebenfalls. Kurz: Der Choreograf Davide Bombana bereitet die Premiere von „Roméo et Juliette“ vor. Am 9. Dezember hat das große Handlungsballett zur Musik von Hector Berlioz Premiere.

Der Auftrag von Ballettdirektor Manuel Legris, Berlioz’ Symphonie dramatique zu choreografieren, hat Bombana sofort begeistert: „Ich liebe diese Musik, höre sie mir zu Hause oft an. Deshalb habe ich mich sofort an die Arbeit gemacht.“ Noch bevor die aufwendigen Proben begonnen haben, war die Choreografie fertiggestellt, und auch die Bühnenausstattung samt Kostümen war auf dem Papier bereit. „Da­­rüber war ich wirklich glücklich. Ich habe die deutsche Malerin und Bühnenausstatterin Rosalie, mit der ich schon öfter gearbeitet habe, eingeladen. Obwohl sie schon sehr krank war, konnte sie die Arbeit noch vollenden, bevor sie heuer im Juli gestorben ist.“ Realisiert werden die Entwürfe der Bühnenbildnerin und Malerin Gudrun Müller, die sich „rosalie“ nannte, von ihrem Assistenten Thomas Jürgens. Bombana widmet seine Choreografie ihrem Andenken.

Davide Bombana wurde 1958 in Mailand geboren, dort an der Scala zum Tänzer ausgebildet und auch gleich nach Abschluss der Akademie engagiert. Für seine Choreografien nimmt er gern literarische Stoffe zur Hand. Penthesilea, Woyzeck oder Lolita ließ er ebenso tanzen wie die Figuren aus dem umfangreichen Briefroman „Gefährliche Liebschaften“ von Choderlos de Laclos. Als freier Choreograf ist Bombana mit vielen Ballettcompagnien in Europa und Australien vertraut. So ist es keine Überraschung, dass er auch in Wien zu Hause ist. Mit den Fernsehaufnahmen für die Balletteinlagen zum Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 2018 zeigt er zum dritten Mal seine Interpretation von Wiener Tanzmusik. 2011 begeisterte er die Fans des Wiener Staatsballetts mit der glühenden Erotik von „Carmen“.
Seine spezielle Bewegungssprache mit außergewöhnlichen Schrittkombinationen und auf der Neoklassik basierendem Spitzentanz hebt Bombanas aktuelle Choreografie deutlich von den zahlreichen Vorgängern ab. Im Gegensatz zu den Kollegen, die alle zur eigens für die Geschichte von Shakespeare komponierten Musik von Sergei Prokofjew choreografiert haben, bringt Bombana auch musikalisch eine neue Version von „Roméo und Juliette“ auf die Bühne. Überdies kapriziert er sich nicht nur auf die Liebesgeschichte: „Für mich ist auch der Blick auf gesellschaftliche Phänomene und Unterschiede wichtig. Es geht doch auch um Macht und Unterdrückung, um den Krieg zwischen den stolzen, mächtigen Capulets und den sozial niedriger stehenden Montagues. Doch mein Ballett spielt nicht in längst vergangener Zeit in Verona, sondern hier und heute.“

Auch Königin Mab erhebt die Stimme. Für die beiden verfeindeten Familien ist der verstärkte Chor der Volksoper zuständig. Wie im griechischen Drama kommentiert und erklärt der Chor das Geschehen. „Am Ende sind alle schockiert, dass diese beiden jungen Menschen einen so unnötigen Tod gestorben sind.“ Der Bass hat seinen großen Auftritt. Als Bruder Lorenzo zeigt er tiefe Reue, weil er durch sein Handeln den letalen Ausgang der jungen Liebe in Gang gesetzt hat. „Bruder Lorenzo verkörpert die Vernunft und die Realität, er beschwört die Familien, den Streit zu beenden.“ Analogien im sozialen Verhalten sind nicht schwer zu erkennen. Bombana macht es keinerlei Schwierigkeit, dass er an das Libretto der Symphonie gebunden ist: „Es gibt mir die Richtung vor. Berlioz gibt auch Königin Mab eine Stimme, die im Sprechtheater lediglich in der oft weggelassenen Erzählung Mercutios auftaucht. Sie verkörpert das Irrationale, ist die Fee der Träume und Illusionen. Gern gießt sie Öl ins Feuer, am friedlichen Zusammenleben der Menschen liegt ihr nichts.“ Nach Bruder Lorenzos Bitte um Frieden scheint die Vernunft zu siegen. Bombana will sich nicht festlegen: „Mab bleibt präsent. Ob sie wieder Zwist sät und die Vernunft unterliegt? Das muss offen bleiben.“ Zwischen dem Dilemma aber brennt die Begierde, lodern die Leidenschaften, glühen Machtgier und Hass. Tanzt das Wiener Staatsballett mit italienischer Leidenschaft zur berauschenden Musik eines romantischen Franzosen.

Tipp

„Roméo et Juliette“. Ballett von Davide Bombana zur Musik von Hector Berlioz. 9. 12. (Uraufführung), 12., 15., 19., 22. und 27. 12., Volksoper.

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