Stradivari: Klingende Geldanlage

Leihgut. Auf dieser Geige von Jean-Bap­tiste Vuillaume spielt Cristina Prats-Costa.
Leihgut. Auf dieser Geige von Jean-Bap­tiste Vuillaume spielt Cristina Prats-Costa.(c) Merito String Instruments Trust (Roland Unger)
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Wenn Virtuosen mit einer Stradivari aufgeigen, steckt dahinter viel Aufwand. Merito String bringt Leihgeber und Musiker zusammen.

Wer in der Internetsuchmaschine Google „Geigenbauer in Wien“ eingibt, wird sich wundern. Die Zunft ist keineswegs männlich, wie man mit Blick auf die Historie erwarten würde. Kerstin Hoffmann und Claudia Rook fertigen auf der Wieden Instrumente nach Modellen italienischer Meister. Amati, Stradivari, Guarneri heißen die Virtuosen des Handwerks aus dem 16./17. Jahrhundert. Sie entwickelten sich wie die Altmeister. Einer lernte von den Erkenntnissen des anderen. Eine Stradivari in Händen zu halten ist schon aufregend genug. Nicht alle Instrumente sind noch bespielbar, viele Museumsstücke. Und sie werden aufgrund des knappen und gleich bleibenden Angebots immer teurer. Die Österreichische Nationalbank war bestens beraten, als sie 1989 begann, sich eine Sammlung zuzulegen. Heute besitzt sie 38 Instrumente, davon allein acht Violinen von Stradivari und drei von Guarneri. Private Sammler von alten Musikinstrumenten müssen sehr viel Geld und eine leicht versponnene Ader für Kunst haben, denn dieser Besitz ist flüchtig, Musiker warten sehnsüchtig auf die klingende Kostbarkeit und entführen sie für viele Jahre. Der Eigentümer darf hinterherreisen und sich freuen, dass das wunderbare Instrument, das da auf der Bühne von einem Star der Musikbranche gespielt wird, ihm gehört. Das ist aber auch alles.

Schönes Investment. Wolfgang Habermayer, ­Geschäftsführer von Merito String, berät Musikfreunde mit Geld.
Schönes Investment. Wolfgang Habermayer, ­Geschäftsführer von Merito String, berät Musikfreunde mit Geld.(c) Merito String Instruments Trust (Richard Tanzer)

Preissprünge. „In den 1960er-Jahren hat ein guter Orchestermusiker ungefähr das Zweifache seines Jahresgehalts benötigt, um eine gute Geige zu kaufen. In den 1990er-Jahren war es das Zehnfache, und heute ist es das 20-Fache“, erläutert Wolfgang Habermayer. Der Vermögensberater, der Handelswissenschaften studiert hat, Vorstand der Bank Austria war und eine Firma für „Financial Solutions“ führt, vermittelt Musikinstrumente. Ab vier bis fünf Millionen Euro kann man eine Stradivari erwerben. Habermayer kümmert sich darum, dass sie echt ist, die Qualität stimmt, dass sie gut bespielt werden kann, er vermittelt die Musiker und schaut darauf, dass das Instrument in Schuss gehalten wird. Dabei helfen ihm Experten, etwa Corina Belcea (Belcea Quartet) oder Clemens Hagen. „Insgesamt umfasst der Markt etwa 10.000 Instrumente aus dem 17. bis 19. Jahrhundert (Geigen, Violoncelli und Bratschen). Der Kauf erfolgt hauptsächlich über den privaten Handel“, liest man auf der Homepage der Merito String Instruments Trust GmbH. Begonnen hat es damit, dass Habermayer von einem Künstler kontaktiert wurde, der ihn fragte, ob er ihm bei der Ausleihung eines kostbaren Instruments behilflich sein könnte. Allein die Versicherungsprämien sind knifflig und hoch, denn der Musiker muss ja mit der teuren Geige zu Proben fahren, zum Beispiel mit der U-Bahn, oder zu Konzerten reisen. 2007 wurde Starviolinist Christian Altenburger seine Stradivari gestohlen, die Diebe konnten allerdings gefasst werden. Altenburger ist nicht allein. Einen ganzen Tag bangte der chinesisch-amerikanische Starcellist Yo-Yo Ma 1999 um sein Instrument, bevor es ihm ein Taxifahrer unbeschädigt zurückbrachte. 2010 ließ die koreanische Stargeigerin Min-Jin Kym ihre Stradivari kurz aus den Augen, um sich ein Sandwich zu kaufen – als sie zurückkehrte, war die Geige weg. Die Diebe wurden verhaftet, die Stradivari aber blieb verschwunden.

Der Geigenbau entwickelte sich ab dem 16. Jahrhundert schwerpunktmäßig in Norditalien, nur wenige Familien sorgten für Pionierleistungen – und das wichtigste Zentrum war Cremona. In der schönen Stadt in der Lombardei wird der Geigenbau bis heute gepflegt. Amati, Guarneri und Stradivari stammten aus Cremona. Und schon damals machten sie tolle Geschäfte, alle Fürstenhöfe erwarben ihre Instrumente.

Echte Liebhaberei. Im 18. Jahrhundert holte Frankreich beim Geigenbau auf. Auch in Österreich und Deutschland gab es berühmte Geigenbauer, etwa Jakob Stainer, Johann Georg Thir, Franz Geissenhof oder Ludwig Neuner. Wer sind nun die Musiker, an die Merito-String-Instrumente verliehen sind? Valentin Erben spielt auf einem Violoncello von Matteo Goffriller, Raphael Flieder (Philharmoniker) auf einem von Giovanni und Francesco Grancino, Cristina Prats-Costa (Alauda Quartet) musiziert auf einer Geige von Jean-Baptiste Vuillaume. War früher die Nachfrage nach Instrumenten auf Europa beschränkt, kommen nun neue Interessenten dazu, speziell aus China. Freilich sollte man nicht darauf vertrauen, dass die Kostbarkeit leicht wieder zu verkaufen ist. Die Auktionshäuser Sotheby’s und Ingles & Hayday hofften 2014 auf einen Rekord mit Stradivaris „Macdonald-Bratsche“, benannt nach Godfrey Bosville, Baron Macdonald III., der das Instrument um 1820 erworben hatte. Die Bratsche blieb liegen, 45 Millionen Euro waren zu viel – immerhin das Vierfache der „Lady Blunt“-Stradivari-Geige, die 2011 für 11,5 Millionen Euro verkauft worden war.

Tipp

Konzert. Raphael Flieder spielt auf einem Violoncello von Giovanni und Francesco ­Grancino am 8., 9. und 10. Dezember mit den Wiener Philharmonikern unter Maestro ­Riccardo Muti im Wiener Musikverein (Haydn, Bruckner).

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