Yung Hurn: „Wenn ich nicht ich wär, würde ich mich nicht mögen“

(c) Elsa Okazaki
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Ein Gespräch mit Yung Hurn über schnellen Erfolg, kleine Zwischentiefs und „so ekelhaft Rap“ auf seinem ersten Album.

Die Fangemeinde von Yung Hurn besteht großteils aus sehr jungen Menschen. Allerdings können sich auch etwas ältere Semester für die Musik des Rappers aus Wien Donaustadt begeistern: etwa der deutsche Schauspieler Lars Eidinger, der sich bei einem Modeevent in Berlin zunächst als Fan outete und später prompt in einem der von Fans ungeduldig erwarteten Yung-Hurn-Videos mitspielte. Oder auch Demna Gvasalia, Designer des unglaublich angesagten Labels Vetements, der Julian (seinen Familiennamen hütet Yung Hurn wie einen Schatz) einlud, bei seiner Haute-Couture-Show in Paris live zu musizieren. Das war im Sommer dieses Jahres, und der nonsensische Yung-Hurn-Sound fügte sich perfekt zur postironischen Ästhetik der Mode.

Als Yung Hurn bist du in sozialen Medien eine sehr öffentliche Person; zugleich legst du großen Wert darauf, dein Privatleben zu schützen – man findet etwa deinen Vornamen, Julian, im Internet, nicht aber deinen Familiennamen. Fällt dir diese Balance schwer?
Yung Hurn:
Schwer ist das schon, aber ich will es einfach so. Schon weil ich möchte, dass meine Familie sicher ist und niemandem etwas passiert, weil jemand ihm zu schaden versucht, der mich disst. Ich habe zum Beispiel einen kleinen Bruder, und ich will nicht, dass er Probleme bekommt, weil er mit mir verwandt ist. Bevor das Ganze begonnen hat, war ich eigentlich eher der Letzte, der gern Aufmerksamkeit bekommen hat von irgendwelchen Menschen. Andererseits ist die Aufmerksamkeit, die ich bekomme, heute das ganze Kapital.

Du bist innerhalb von nur zwei Jahren vom Jugendzimmermusiker zum Nachwuchsstar geworden. Wie ist das passiert: einfach so, oder hast du deine Karriere „bewusst betrieben“?
Es ist schon einfach so passiert, würde ich sagen. Natürlich bekomme ich oft zu hören, dass ich eine Rampensau sein muss, weil sonst nicht möglich wäre, was in den letzten zwei Jahren passiert ist. Und heute bin ich das vielleicht auch, eine Rampensau. Aber man lernt halt dazu mit der Zeit. Wenn du andauernd vor Leuten auftrittst, dann musst du dich eben überwinden.

Aber man muss ja erst einmal so weit kommen, überhaupt aufzutreten. Wie ist das passiert?
Das ist alles einfach so gekommen, eins hat zum anderen geführt. Wir haben im Kinderzimmer einfach Blödsinn gerappt und dann einfach so auf Soundcloud gestellt. Damals ist es losgegangen, dass wir Aufmerksamkeit bekommen haben, auch aus Deutschland, selbst wenn alles noch mega underground war, was wir getan haben. Zugleich war es das Unvorstellbarste, dass wir in derselben Liga wie bekannte deutschsprachige Rapper mitspielen könnten. Geändert hat sich das erst mit dem Video zu „Nein“, das für meine damaligen Verhältnisse irrsinnig erfolgreich geworden ist und relativ schnell eine Million Klicks auf Youtube gelandet hat.

Wie erklärst du dir selbst deinen Erfolg? Manche Feuilletons beschreiben dich zum Beispiel als einen Helden der Verweigerungshaltung und das Paradebeispiel einer Neinsagerhaltung. Ist das der Schlüssel?
Man kann alles natürlich interpretieren, wie man will. Ich glaube auf jeden Fall, Nerv der Zeit trifft es wahrscheinlich ganz gut. Außerdem haben wir uns von Anfang an nicht besonders ernst genommen. Und ich war von uns allen eigentlich derjenige, der am ehesten gesagt hat, dass wir es uns sowieso gar nicht antun müssen weiterzumachen.

Wann hat sich das verändert?
Ich weiß nicht genau, wann. Aber, so traurig das auch klingen mag, es hat mit dem Geld zu tun. Ab dem Zeitpunkt, wo gewisse Summen im Spiel sind, die man als Honorar bekommt und von denen man findet, dass sie fast nicht normal sind, weil man sie vorher nicht einmal in einem Jahr verdient hat – das verändert schon etwas.

Ein Zitat aus einem frühen Interview, dass du findest, man sollte an keinem Text länger als zehn Minuten schreiben, hängt dir ein bisschen nach. Hat sich auch da deine Einstellung verändert?
Es gibt noch immer Momente, wo ich finde, ich schreibe am besten, wenn alles ganz schnell geht. Und dann gibt es Momente, wie in diesem Jahr, wo ich ein paar Monate lang keinen einzigen Song schreiben konnte. Das war kein Tief und keine Krise, sondern mir ist es in der Zeit besser gegangen denn je. Aber ich konnte in der Zeit eben keine Musik machen.

Genau in der Phase also, wo man eigentlich auf das erste lange Album von Yung Hurn gewartet hat? Hatte das vielleicht damit zu tun, dass du zum ersten Mal den Druck einer Erwartungshaltung verspürt hast?
Vom Label gab es gar keinen Druck, aber natürlich setzt du dich selbst unter Druck, wenn du merkst, dass viele Leute wollen, dass da etwas Besonderes kommt. Und zugleich wirst du in einigen Medien angepriesen oder bekommst zumindest viel Aufmerksamkeit. So kommt das eine zum anderen.

Hast du diese kleine Schaffenskrise überwunden?
Ja, das Album ist fast fertig. Aber ich weiß halt nicht, wie es den Leuten gefallen wird.

Du hast für die nahe Zukunft deinen Bruch mit dem Rap angekündigt. Ist es auf dem Album schon soweit? 
Das habe ich erst danach vor. Das Album wird eher so ekelhaft Rap sein. Später im kommenden Jahr soll dann etwas ganz anderes kommen.

Liest du, was über dich geschrieben wird? 
Ich verfolge das nicht besonders aufmerksam. Aber am Ende sehe ich doch fast alles, denn immer, wenn etwas geschrieben wird, leitet mir das irgendwer weiter. Ich kann definitiv über mich selbst lachen und verstehe es auch, wenn jemand mich oder meine Musik nicht mag. Wenn ich nicht ich wär, würde ich mich wahrscheinlich auch nicht mögen.

Du zählst neben Wanda und Bilderbuch – oder auch Stefanie Sargnagel – derzeit zu den erfolgreichsten Wien-Exporten in Deutschland. Ist das okay für dich?
Dass ich als Wiener wahrgenommen werde, rührt ja daher, dass ich so rappe, wie ich rede. Ich hasse übrigens Leute, die aus Deutschland kommen und auf Englisch rappen. Wenn ich auf Bundesdeutsch Musik machen würde, würde das ebenfalls komisch klingen.

Von der Musikkritik werden dir Attribute wie „dadaistisch“ zugeschrieben – kannst du damit etwas anfangen?
Sagen wir, unter allen Labels, die man abbekommen kann, ist eines wie „dadaistisch“ definitiv eines der cooleren.

Du hast ein Tattoo mit dem Namen von Wiens Bürgermeister, Michael Häupl, und du hast vor den letzten Wahlen T-Shirts für eine fiktive „Hurn Partei“ verkauft: Ist das alles nur Jux, oder bist du, wie andere Rapper, im weiteren Sinne politisch?
Michael Häupl finde ich einfach als Person cool, und solang ich zurückdenken kann, ist er der Bürgermeister von Wien - er ist halt jemand mit Charakter. Aber davon abgesehen sind mir bestimmte Dinge schon wichtig. Ich habe zum Beispiel vor den letzten Wahlen einen Wahlaufruf für die Aktion O5 gegen den Rechtsruck gestartet, oder vor der Bundespräsidentenwahl mit Van-der-Bellen-Kappe ein Foto gemacht. Ich will nicht zu weit gehen damit, parteipolitische Werbung zu machen, aber bestimmte grundlegende Sachen sind mir auf jeden Fall wichtig. Umgekehrt hat Martin Sellner (prominentes Mitglied der „Identitären Bewegung Österreichs“, Anm. d. Red.) einmal gesagt, dass er meinen Song „Bianco“ gut findet und mich zum Beispiel auf Twitter markiert: Ich kann ihn und andere dann blockieren, aber grundsätzlich kann ich gegen so eine Vereinnahmung nichts machen.

In einem ganz anderen Kontext als dem politischen bist du 2017 auch aufgetaucht, nämlich auf dem Parkett der Pariser Haute Couture: Wie ist es zu deinem Live-Auftritt bei der Show von Vetements gekommen? Ist Demna Gvasalia dein Fan?
Ja, offenbar. Das Label hat sich bei mir gemeldet, und ich wurde zu einem Kennenlernen nach Zürich in das neue Office von Vetements eingeladen. Das war schon megacool, da all die Entwürfe für die Klamotten zu sehen, die gerade erst entstehen und noch total geheim sind. Und ja, Demna ist auf jeden Fall ein Fan, und er wollte unbedingt, dass wir etwas miteinander machen. Wir hatten so ein paar Ideen, und die erste, die wir umgesetzt haben, war der Auftritt bei der Modeschau. Es kommt aber noch etwas, nur kann ich darüber noch nicht reden.

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