Sophie Stockinger: Wege zum Glück

Sophie Stockinger trägt ein Kleid und einen Mantel von Jil Sander.  Die Aufnahmen entstanden im Café Weidinger am Lerchenfelder Gürtel.
Sophie Stockinger trägt ein Kleid und einen Mantel von Jil Sander. Die Aufnahmen entstanden im Café Weidinger am Lerchenfelder Gürtel.(c) Foto: Carolina Frank, Produktion: Daniel Kalt und Barbara Zach
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In „L’Animale“ spielt Sophie Stockinger eine junge Frau an der Schwelle
zum Erwachsenenalter. Ein Gespräch zur Berlinale-Premiere des Films.

Das titelgebende Tier in Katharina Mücksteins Spielfilm „L’Animale“, der bei der bevorstehenden Berlinale seine Welt- und im März bei der Diagonale in Graz seine Österreich-Premiere feiert, ist kein besonders glückliches Wesen. Es ist nämlich dem gleichnamigen Lied von Cantautore Francesco Battiato entlaufen, wo es im Refrain heißt: „Das Tier, das ich in mir trage, lässt mich nie glücklich leben, [. . .] es macht mich zum Sklaven meiner Leidenschaften.“ Ganz so tragisch, wie der Battiato-Text nahelegen könnte, verläuft die Handlung von „L’Animale“ zwar nicht. Doch die Protagonisten, allen voran die burschikose Mati, Teil einer Motocross-Gang und gerade im Begriff, ihre Matura zu absolvieren, schicken sich an, ihr Selbst- und Lebensbild hinter sich zu lassen, dem sie in den vergangenen Jahren anhingen und das mehr oder weniger dringend einer Revision bedarf. Das betrifft sowohl Mati, die sich ihrer eigenen Sexualität erst sicher werden muss und die sich möglicherweise gerade in ein anderes Mädchen, Carla, gespielt von Julia Franz Richter, verliebt hat – und auch ihre Eltern, die aus der vordergründig idyllischen Familiensituation jäh herausfallen. Als Matis Mutter Gabi, gespielt von Kathrin Resetarits, zufällig Einblick in das homosexuelle Parallelleben ihres Mannes (Dominik Warta) erhält, geraten die Grundfeste des Zusammenlebens ebenso ins Wanken wie die noch nicht verputzten Mauern des eben erst entstehenden Familiendomizils irgendwo am Land, nicht allzu weit von Wien entfernt.

Top und Kleid von Miu Miu, Boots von Dior.
Top und Kleid von Miu Miu, Boots von Dior.(c) Foto: Carolina Frank, Produktion: Daniel Kalt und Barbara Zach

Mut zur Veränderung. Die Regisseurin Katharina Mückstein findet dem Vernehmen nach für „L’Animale“ die Zuschreibung eines Coming-of-Awareness-Films stimmiger als jene der schwul-lesbisch gefärbten Coming-of-Age-Geschichte. Denn es handelt sich, pflichtet ihr Sophie Stockinger, Darstellerin der Hauptfigur Mati, bei, um ein Motiv, das mehrere Generationen betrifft: „Die Eltern haben ähnliche Probleme wie Mati. Ihre Mutter schafft es nicht, die Situation anzusprechen, in der sie ihren Mann gesehen hat. Der Vater führt ohnehin ein Parallelleben. Zugleich bedeutet das aber, dass es in jeder Lage des Lebens möglich ist, den nötigen Mut aufzubringen und sich aus einer eingefahrenen Situation herauszubewegen. Insofern ist ,L’Animale‘ tatsächlich kein Coming-of-Age-Film, sondern alle Figuren haben ähnliche Probleme.“

Sophie Stockinger, heute gerade 20 Jahre alt, hat schon in der Vergangenheit mit Katharina Mückstein zusammengearbeitet: Sie spielte in „Talea“, dem Debütfilm der Regisseurin, im Jahr 2013 an der Seite von Nina Proll und katapultierte sich durch diesen Auftritt in die erste Reihe jugendlicher Film- und Fernsehschauspieler. „Katharina hat den Casting-Aufruf damals an Schulen verbreitet, und ich bin einfach hingegangen. Das war mein erstes Casting, und ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass damit eine Filmkarriere beginnen könnte“, erinnert sich Sophie Stockinger an die für sie in weite Ferne gerückten Anfänge beim Film – und ihre frühen Oberstufenjahre.

Sophie Stockinger trägt einen Hoody, eine Hose und eine Jacke von Fendi.
Sophie Stockinger trägt einen Hoody, eine Hose und eine Jacke von Fendi.(c) Foto: Carolina Frank, Produktion: Daniel Kalt und Barbara Zach

Der große – und unerwartete – Erfolg von „Talea“ führte für den Teenager zu einigen Rollenangeboten, sie drehte etwa an der Seite von Ursula Strauss für den ORF. „Wenn ich mit jemandem wie ihr drehe, lerne ich schon durch die Zusammenarbeit irrsinnig viel. Zu sehen, wie unkompliziert und ohne Allüren sie ihren Beruf angeht – das hat mir sehr imponiert und mich sicherlich auch irgendwo inspiriert.“ Ihr Interesse für das Schauspiel, das sich für Sophie Stockinger schon während ihrer Schulzeit zu einem beruflichen Standbein wandelte und ein zum Teil recht intensives Doppelleben bedingte („Nach der Doppelstunde Turnen in der Früh bin ich aufs Set gekommen und war plötzlich die berufstätige Jungschauspielerin“), hat die junge Frau freilich schon seit ihrer früheren Kindheit begleitet. Schon in der Volksschule habe sie in einen Fragebogen eingetragen, dass sie Schauspielerin werden wollte, und mit elf Jahren begann sie bei einer Jugendtheatergruppe zu spielen. Auch nach ihrem Filmdebüt spielte Sophie Stockinger noch Theater, war zwei Jahre lang Teil des nicht mehr existierenden „Junge Burg“-Projekts und wird demnächst wieder auf einer Theaterbühne zu sehen sein.

Zurück zum Theater. „Ich freue mich sehr darauf, wieder vor Publikum zu spielen, denn ich möchte weder den Film noch das Theater missen“, sagt Stockinger, die zu Ende ihrer Schulzeit wegen der Doppel- bzw. Dreifachbelastung aufgehört hat, auf der Bühne zu stehen, über dieses Engagement. Auch ihrem Wunsch, noch eine formale Ausbildung zu absolvieren, möchte sie demnächst wieder nachgehen und bewirbt sich derzeit an Schauspielschulen im In- und Ausland.

Sophie Stockinger
Sophie Stockinger(c) Foto: Carolina Frank, Produktion: Daniel Kalt und Barbara Zach

Selbst wenn ihr eigener Lebensweg grundverschieden ist von dem der etwas bockigen und – nicht zuletzt wohl für sich selbst – unergründlichen Mati, kommt Sophie Stockinger das Thema des Leistungsdrucks und der großen Erwartungshaltung in den Sinn, denen sie ihre Generation ausgesetzt sieht: „Meine Generation ist durchaus mit der Erwartung konfrontiert, dass jeder am besten schon gleich nach der Matura ganz genau wissen sollte, was er oder sie machen will und wo er hinmöchte. Alles ist genau vorgezeichnet.“ Bei Mati wäre das etwa eine Karriere als Tierärztin, die ihre Mutter, selbst Tierärztin, für sie vorgesehen hat.

Gut gepanzert. Erst in dem Augenblick, als durch den Wegfall einiger Gewissheiten deutlich wird, dass sich diese Option vielleicht gar nicht mit Matis eigenen – bislang nie formulierten – Zielen deckt, beginnt sie, ihren Zustand der behüteten Eingepacktheit, des Wie-in-Watte-gepackt-Seins, abzustreifen. „Ich weiß gar nicht, ob ich sagen würde, dass Mati in Watte gepackt ist“, lenkt Sophie Stockinger ein. „Ich finde die Motorradkluft, die Mati trägt, wenn sie mit ihren Freunden Motocross durch das Gelände fährt, als Metapher ganz passend. Weil sie in so etwas Schützendes eingepackt war in ihrem bisherigen Leben. Und weil sie sich auch einpanzern musste, um im Umfeld dieser Burschen durchzukommen.“ Durch ihre Auseinandersetzung mit der gleichaltrigen Carla, die unabhängig ist und schon in ihrer eigenen Wohnung lebt und in die Mati sich vielleicht zu verlieben beginnt, fängt diese Panzerung aber an, aufzubrechen. Man könnte auch sagen: Das Tier, das Mati in sich trägt, hat die Gitterstäbe seines Käfigs durchbrochen. Und es ist noch völlig offen, welchen Weg es gehen wird, um zu seinem Glück zu finden.

Sophie Sophie Stockinger trägt eine Bluse, einen Gürtel und eine Hose von Hermès.
Sophie Sophie Stockinger trägt eine Bluse, einen Gürtel und eine Hose von Hermès. (c) Foto: Carolina Frank, Produktion: Daniel Kalt und Barbara Zach

Tipp

„L’Animale“. Der Spielfilm von Katharina Mückstein mit Sophie Stockinger wird bei der Berlinale (ab 15. Februar) erstmals gezeigt. Die Österreich-Premiere folgt bei der Diagonale (ab 13. März) in Graz. Kinostart ist der 16. März. Im Bronski & Grünberg spielt Stockinger in „Kleist – Familie Schroffenstein“ ab 15. Februar.

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