Randerscheinung: Bruchlinien

Von den vielen Möglichkeiten, allfällige Bruchlinien innerhalb einer Familie aufzuzeigen, ist eine längere gemeinsame Autofahrt die erfolgversprechendste.

Von den vielen Möglichkeiten, allfällige Bruchlinien innerhalb einer Familie aufzuzeigen, ist eine längere gemeinsame Autofahrt die erfolgversprechendste. Der Jüngste schlägt dem Mittleren so ansatzlos ins Gesicht, dass dieser laut schreit und ich fast in die Leitschiene krache, was wiederum meine Beifahrerin veranlasst, mich zu rüffeln. Nur der Älteste hat seine In-Ear-Kopfhörer drinnen und schaut so unbeteiligt geradeaus, als säße er umgeben von Fremden mitten in einer überfüllten U-Bahn in irgendeiner Weltmetropole. Als sich der Mittlere gerade anschickt, dem Jüngsten eine reinzuhauen, versuche ich, Ruhe in die Situation zu bringen. "Der Klügere gibt nach, der Esel fällt in den Bach", höre ich mich sagen und würde mich dafür am liebsten ohrfeigen. Von den vielen, vielen dummen und überflüssigen Dingen, die weltweit den ganzen Tag über gesagt werden, gehen die Dümmsten auf das Konto von in Erziehung befindlichen Erwachsenen. Der Mittlere reagiert dann auch folgerichtig: "So ein Blödsinn, der Klügere gibt natürlich nicht nach, er setzt sich durch. Deshalb ist er ja der Klügere." Als wir dann schließlich doch noch im Hotel an der oberen Adria angekommen sind, frage ich mich, ob auch Sophia Loren, Silvio Berlusconi und Eros Ramazotti um Ostern herum unter Leintüchern samt viel zu dünnen (und immer grauslichen) Wollüberdecken frieren, oder ob die nur für Gäste aus dem benachbarten Ausland hergerichtet werden. Und wenn ja, warum gibt es von der sprichwörtlichen Gurkenkrümmung bis zum Traktorsitz EU-Richtlinien für alles, nicht aber für Bettdecken? Als wir am nächsten Tag am Strand in der Sonne sitzen und diskutieren, wann man noch Kaffee mit Milch und wann schon Milch mit Kaffee trinkt, ist dann alles wieder gut. Ja, das kommt auch vor.

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