Randerscheinung: Nichtschläfer

„Ich schlafe überhaupt nie mehr“, erklärt mir der Jüngste, als ich mich mit ihm auf den Weg nach oben mache, um ihn ins Bett zu bringen.

„Das wäre ziemlich toll, du wärst nämlich der erste Bub der Welt, der nie mehr schläft“, sage ich betont locker. Innerlich bin ich aber unglaublich verkrampft, weil ich meinen geruhsamen Serienabend, den ich mir, weiß Gott!, verdient habe, in weite Ferne rücken sehe. Statt der dritten Season „Game of Thrones“ droht mir die 400. Staffel von „Es dauert Stunden, bis du mich im Bett hast, wetten?“.
Natürlich weiß ich, dass es prinzipiell ein gutes Zeichen ist, wenn ein Kind ungern schlagen geht. Dann war der Tag offenbar so schön, dass er endlos weitergehen könnte. Und das Schlafengehen wird zum „kleinen Tod“, Abschiednehmen von allen und allem inklusive. Zwar nur bis morgen, aber für einen Vierjährigen ist das eine Ewigkeit. Für einen 43-Jährigen wiederum zieht sich der Tag, der nun schon seit 5 Uhr 45 dauert, bereits erheblich. „Es gibt auch kein Tier, das nicht schläft. Manche Tiere bleiben zwar in der Nacht auf, die schlafen dafür dann am Tag. Die Eule zum Beispiel“, versuche ich der Debatte eine neue Wendung zu geben. „Ich bleibe mit der Eule auf, und in der Früh ist es dann eh wieder Tag“, meint derjenige, der als erster Nichtschläfer in die Geschichte eingehen will. „Also gut, du legst dich zwar ins Bett, aber schläfst dort die ganze Nacht nicht“, schlage ich während des Zähneputzens vor. „Ich gehe auch nicht ins Bett.“ Nicht einmal die Eule in mir hat jetzt noch Geduld: „Doch, du gehst jetzt ins Bett, du bist todmüde!“ Das folgende Theater erspare ich Ihnen. Nur so viel: Er wird doch nicht der erste Bub sein, der gar nie mehr schläft. Und ich bin nach zehn Minuten bei meiner Serie eingeschlafen.

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