Randerscheinung: Räuber und Gelsen

Jüngst fragt mich der Jüngste, was denn eigentlich passiert, wenn ein Räuber und eine Gelse aufeinandertreffen.

Ob dann die Gelse den Räuber sticht, will er wissen. Wahrscheinlich, sage ich und frage ihn, wie er denn darauf kommt. Er schaut mich ernst an und sagt: „Weil ja beide böse sind.“ Mit Räubern habe ich offen gestanden bisher keine Erfahrungen gemacht (Exkurs: schreibe ich und will dabei auf Holz klopfen, damit es auch in Zukunft so räuberlos bleibt, was in einer Kolumne recht schwierig ist, nur Papier und Druckerschwärze rundherum, wobei Papier ja auch Holz ist im Grunde genommen, fällt mir da gerade ein, also klopfe ich eben auf Papier, Problem gelöst, Exkursende). Mit Gelsen dagegen habe ich jede Menge Erfahrungen. Derzeit drängen sie zusammen mit unzähligen Fruchtfliegen nach drinnen, um den ersten Frostnächten zu entgehen. Plötzlich wacht man wieder durch dieses penetrante, nicht ignorierbare Summen auf, das sonst nur heißen Sommernächten vorbehalten ist. Mein Deal mit der Gelse wäre ja einfach: Stich mich, trink Blut, so viel du willst, aber bitte, bitte sei leise dabei. Ich will nur in Ruhe schlafen. Aber die Gelse ist auf diesem Ohr taub. Sie will immer alles (was ja nicht unsympathisch ist) und das sofort: Blut und Summen. So spielen wir um drei in der Nacht wieder das alte Mensch-Gelse-Spiel, das immer gleich endet: mit einem Blutfleck an der Wand oder auf dem Bettzeug und ein paar juckenden Stellen samt müden Augen am nächsten Morgen. Der Kollege aus dem Wissenschaftsressort wird sicher wissen, warum sich die Gelse im Lauf der Evolution trotz der Gefahr, erschlagen zu werden, das Summen immer noch nicht abgewöhnt hat. Was vielleicht wirklich passiert, wenn der Räuber die Gelse trifft. Das Böse so ganz unter sich.

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