Randerscheinung: Advent

„Schau Papa, das ist aber ein schiacher Christbaum.“ Deutlich vernehmbar hallt die Stimme des Jüngsten über den kleinen Adventmarkt.

Ein älteres Ehepaar – er eher ausladend, sie wenig einladend – schaut ungnädig in seine Richtung. Ich stehe ein paar Meter entfernt und beeile mich, in die Nähe meines Sohnes zu kommen, um das Gespräch bei normaler Lautstärke fortzuführen. Er steht vor einem Nadelbaum, der mit einer schnörkellosen Lichterkette beleuchtet ist. „Da sind keine Sterne drauf, keine Kugeln und nicht einmal Schokoschirme.“ Dann legt er sich auf dem nassen Boden auf den Bauch, um unter den Baum zu schauen: „Und Packerln sind auch keine drunter.“ Weil schon ein paar weitere Leute schauen (Christbaumschmähungen sind speziell auf Adventmärkten immer noch ein ziemliches Tabu), lotse ich ihn Richtung Maronistand. Dort lese ich das bemerkenswerte Schild: „Sollten Sie eine wurmstichige Maroni finden, bekommen Sie zwei dafür.“

Ich kenne einige Standeln, die mit diesem Versprechen recht rasch in Konkurs gehen würden. Der Jüngste ist inzwischen mit seinem Maronisackerl unter einen riesigen Kastanienbaum gelaufen. Und findet doch glatt (Anfang Dezember) noch ein paar Kastanien.

Kastaniensuchen mit Maroni in der Hand ist nach dem Maroniumtauschschild schon die zweite Premiere für mich. Am Abend ist das mit dem Einschlafen wieder einmal ziemlich schwierig. „Ich bin so aufgeregt, weil ich nicht weiß, was morgen im Adventkalender drinnen ist“, meint der Jüngste und ist gerade zum dritten Mal etwas trinken und danach noch einmal aufs Klo gegangen. „Das Blöde ist nur, wenn du nicht einschläfst, wird es nicht morgen, und du kannst das Türl nie aufmachen.“ Das leuchtet ihm ein. Die dritte Premiere des heutigen Tages.

Schaufenster.DiePresse.com/Randerscheinung

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