Randerscheinung: Schulzeit

Wir schauen also neulich einen Film zusammen, darin stellt sich heraus, dass der Filmvater in seiner Jugend einmal verhaftet worden ist oder so ähnlich.

Was in so Filmen alles herauskommt und mit welchen Drehbüchern sich da Investoren zig Millionen Euro bzw. Dollar herausleiern lassen, werde ich in diesem Leben sowieso nicht mehr verstehen. „Papa, warst du eigentlich schon einmal im Gefängnis?“, fragt mich der Mittlere nebenbei, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen und in einem Tonfall, der ein Ja für durchaus möglich hält. Normalerweise ist es das Kindergartenkind, das bei uns solche Fragen stellt. „Nein, war ich nicht. Ich habe nicht einmal eine Klassenbucheintragung bekommen“, antworte ich lachend. „Was??? Keine einzige Klassenbucheintragung, die ganze Schulzeit nicht?“ Und ich bin sicher, entsetzter hätte er auch nicht reagieren können, wenn ich ihm eröffnet hätte, bis einen Tag vor seiner Geburt in San Quentin wegen Todschlags eingesessen zu haben. Grundsätzlich habe ich, was meine eigene Schulkarriere angeht, in der Erziehung überhaupt denkbar schlechte Karten. Ein Vater, der gut in der Schule war, nervt zwar, kann aber seinen Schulermahnungen wenigstens mit wenig persönlicher Angriffsfläche Nachdruck verleihen. Ein Vater, der selbst schlecht in der Schule war, aber vor allem in disziplinärer Hinsicht, weil er viel Schule geschwänzt oder sich sonst wie voll der Pubertät hingegeben hat, wird in Schulfragen mit Street ­Credibility zumindest als Gleichgesinnter akzeptiert. Ein Vater aber, der urbrav und trotzdem urschlecht in der Schule war, hat hingegen überhaupt keine Argumente. Für gar nichts. Und ich muss zugeben, ein Streber ohne Schulerfolg ist auch wirklich das Allerletzte. Wie der Film. Aber das ist eine andere Geschichte.

Schaufenster.DiePresse.com/Randerscheinung

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