Randerscheinung: Vaterperformance

Ich habe mir den Zorn des Mittleren zugezogen, indem ich nämlich an dieser Stelle behauptet habe, er wisse nicht, wer österreichischer Bundeskanzler sei.

Das sei aber unwahr, natürlich wisse er das, er habe vielleicht nicht auf Anhieb parat gehabt, wer gerade Vizekanzler sei, sagt der Oberstufler empört. Das sei aber natürlich ein Riesenunterschied. Wer müsse, bitte schön, schon den Vizekanzler kennen? Und wie stehe er jetzt da? „Lügenpresse“, ruft er und geht ins Zimmer ab. Nun ja. Erstens einmal haben wir alle deshalb irgendwann unser linguistisches Proseminar absolviert, um zu wissen: Den Inhalt der Botschaft bestimmt der Empfänger und nicht der Sender. Zweitens war es meiner Erinnerung nach (und die – siehe erstens – zählt, weil ich ja der Empfänger bin) genau so, wie ich es geschrieben habe. Und drittens muss man, glaube ich, schon auch noch einmal festhalten, eine Kolumne ist kein Erlebnisaufsatz (auch um das zu wissen, kann das eine oder andere geisteswissenschaftliche Semester dann durchaus gut gewesen sein). Überhaupt steht meine Vaterperformance (derzeit?) in der Kritik. So habe ich aus dem Begleitbrief für die Schulreise zwar den Erlagschein herausgezupft, aber den Rest ungelesen an unser rotes Brett gehängt, was dazu geführt hat, dass eine in dem Schreiben gesetzte Frist zur Einreichung der Kopie eines gültigen Reisedokuments ungenützt verstrichen ist. Die Vorwürfe des Mittleren danach sind groß („Alle anderen Eltern können sich ja auch kümmern!“), meine Haltung trotzig: „Du musst dich selbst kümmern, ich hab das Gymnasium ja schon gemacht.“ Aber für die Schule und die Regierungsspitze gilt ja gleichermaßen: Es gibt tatsächlich Wichtigeres, und beides hat einmal ein Ende. Wie Kolumnen auch.

Schaufenster.DiePresse.com/Randerscheinung

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