Randerscheinung: Hackordnung

Ich kann ja nicht nachvollziehen, dass die Zeit wie im Flug vergehen soll, weil einzelne Sekunden für mich nie länger dauern als in einem Flugzeug.

Aber wenn der Jüngste bald seine letzte Woche Kindergarten beginnt, wird mir schon auch ein bisserl mulmig. Wobei das mit dem Kindergarten überhaupt paradox ist: Funktioniert er endlich so richtig gut, ist er auch schon aus. Am Anfang gehen die wenigsten Kinder gern hin (ich habe gerade wieder am Rande eine Eingewöhnungsphase in der anderen Gruppe miterlebt, drinnen schreit das Kind nach seiner Mama, die draußen bleich auf der viel zu niedrigen Garderobenbank kauert), dann spielt sich das zwar rasch ein, aber sind die Kinder lang noch zu klein, um vernünftig mit den anderen zu spielen, und wenn sie endlich wegen ihrer Freunde hingehen und nicht wegen den Betreuungspersonen, heißt es: „Du bist schon groß, du kommst bald in die Schule“ (so der Titel eines Liedes, das die Kinder neulich bei einer Elternaufführung gesungen haben).

Wenn sie aber im Herbst in der Schule anfangen (die Schultasche schaut schon leer viel zu groß und viel zu schwer aus), sind sie wieder ganz unten in einer neuen Hackordnung angekommen. Bewundernd schauen sie zu denen in der vierten Klasse auf, die sich im Jahr darauf im Gymnasium wieder ganz hinten anstellen müssen. Eine Erfahrung, die der Zivildiener erst neulich zum x-ten Mal auf der Uni gemacht hat. Als Elternteil steht man daneben, leidet mit, weil man das Gefühl noch ganz genau kennt, und ist trotzdem vor allem erleichtert, dass man selbst nie wieder mit einer Schultasche am Rücken in eine Bildungseinrichtung ausrücken muss. Weil noch langsamer als im Flugzeug vergeht die Zeit nur mehr in der Schule. Und vielleicht könnten wir uns ja auf „Die Zeit vergeht wie in den großen Ferien“ einigen?

Schaufenster.DiePresse.com/Randerscheinung

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