Randerscheinung: Vegetarisch

Das mit dem Essen war bei uns immer schon eine komplizierte Angelegenheit.

Der Älteste mochte zuerst kein Obst und kaum Gemüse, später dann kein Fleisch mehr, sondern nur Fisch. Der Mittlere hatte überhaupt nur ein Liste von sechs Gerichten (Lachs-Sushi, Lasagne, Paprikahendl, Spinat mit Kartoffeln, Spaghetti bolognese und Schinken-Käse-Toast) plus irgendetwas aus dem Kelloggs-Universum mit Milch zum Frühstück und einen Streichkäse auf Toast mit einer rohen geschälten Karotte als Abendessen. Dafür isst der Jüngste immer schon alles – und davon mindestens drei Portionen. Doch vor Kurzem haben der Zivildiener (neue Lage: 15) und der Oberstufler gleichzeitig bekannt gegeben, ab sofort überhaupt keine Tiere mehr essen zu wollen. Beim Ältesten, der inzwischen einigermaßen normal isst, nimmt das nur den gelegentlichen Fisch von der Speisekarte, ist also ein durchaus realistisches Vorhaben. Beim Mittleren allerdings ergibt sich eine größere Versorgungslücke: Da er Obst und Gemüse (bis auf Spinat, die rohe Karotte und neuerdings Wassermelone und Trauben) nicht mag, bleiben außer Brot, Reis, Kartoffeln und Nudeln nicht mehr wahnsinnig viele Nahrungsmittel übrig. Er gibt auch offen zu, dass ihm seine neue vegetarische Lebensweise gar nicht schmeckt, allerdings habe er aus ethisch-moralischen Gründen keine andere Wahl: „Es gibt auch zum Thema Sklaverei keine zwei gültigen Sichtweisen, mit dem Essen von Tieren ist es genauso“, sagt er wild entschlossen und kaut weiter auf seiner trockenen Kartoffel herum, während der Jüngste gegenüber am Tisch schmatzend mehrere Grillwürstel vertilgt. Für die eigene Überzeugung einzustehen, geht eben nicht immer ohne Opfer. Ich hoffe, die Tiere wissen das wenigstens zu schätzen.

Schaufenster.DiePresse.com/Randerscheinung

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