Randerscheinung: Thermometermove

Florian Asamer
Florian AsamerDie Presse
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Ich bin ehrlich gestanden schon ein wenig überrascht darüber, wie überrascht da alle immer wieder über die überraschenden Wintereinbrüche im April sind.

Irgendwie bekommt man den Eindruck, der Klimawandel ist für viele ein willkommener Anlass, jeden heftigeren Niederschlag, jede längere Schönwetterperiode, ja, die Witterung an und für sich zum bestaunenswerten Phänomen aufzublasen. Dabei wäre die Lösung recht einfach: Winterreifen und warme Kleidung erst im Mai verstauen. Weit komplizierter ist übrigens die Frage zu beantworten, bis zu welchem Alter man sich bei den eigenen Kindern beim Anziehen einmischen darf. Und um Himmels willen, es geht natürlich nicht um Mode, ich werde mich hüten. Aber darf ich dem Oberstufler, der im T-Shirt bei zwei Grad (im April!!!) das Haus verlassen will, zart darauf hinweisen, dass er möglicherweise frieren wird? Muss ich dann, wenn er Augen rollend ein Kapuzensweatshirt in seinen Rucksack stopft, Ruhe geben? Oder darf ich ihn darauf hinweisen, dass eine Jacke im Rucksack nicht unter allen Umständen auch wärmt?

Und kann ich, wenn er sagt, er zieht sie, wenn ihm kalt ist, schon an, erwidern, es wird nicht mehr kälter werden als um sieben in der Früh? Und was tue ich, wenn er dann vor die Tür geht, seinen Thermometermove macht (er streckt dabei die Arme seitlich aus, schließt die Augen und dreht sich langsam ein paar Mal im Kreis) und sagt: „Aber es ist doch gar nicht kalt.“ Bei zwei Grad. Und Schneetreiben. Im April. Denk ich mir, geht mich nix mehr an, er wird bald 16? Oder denk ich mir, ich muss ja in die Apotheke rennen, wenn er fiebert? Spielt eigentlich keine Rolle, was ich denke, er hat – auch das ist wenig überraschend – die Kopfhörer schon drinnen und hört mich nicht mehr.

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