Eddie Redmayne: Bluten für die Kunst

Eddie Redmayne über die spannenden, aber auch strapaziösen Dreharbeiten von „LesMisérables“, der opulenten Musicalverfilmung, in der er den Revolutionär Marius spielt.

Dies ist das Musical für Musicalfeinde: „Les Misérables“ ist großes Kino. Von der Besetzung – Anne Hathaway, Russell Crowe, Hugh Jackman – über die grandiosen Bilder bis zur Regie von Tom Hooper. Der Brite, der für „The King’s Speech“ den Oscar für die beste Regie gewann, kann sich nun seine Besetzungen aussuchen – auf und abseits der Leinwand. Den Studentenrevolutionär Marius spielt in der Musicalfassung des Epos von Victor Hugo Eddie Redmayne.
Erst bei näherer Betrachtung wird die emotionale Bandbreite und theatralische Wirkung des zeitweiligen Burberry-Models klar. Spätestens seit seiner Darstellung von Colin Clark in „My Week with Marilyn“ und seiner Rolle in dem Inzestdrama „Savage Grace“, in der er den Sohn, Liebhaber und Mörder von Barbara Daly (Julianne Moore) gespielt hat, ist Redmayne für kompliziertere Charaktere gefragt. Ähnlich wie Kollege und Freund Benedict Cumberbatch hat Redmayne trotz eines noch geringen Bekanntheitsgrads eine riesige, großteils weibliche Fangemeinde. Aber die Lorbeeren der Kritiker bleiben nicht aus: Er gewann einen „Tony“ und einen „Laurence Olivier“-Preis – und nach der Rolle als „Marius“ dürften Hauptrollen nicht mehr allzu fern sein.

15 Wochen Casting. Einen Casting-Marathon musste Redmayne absolvieren, bevor er die Rolle ergattern konnte.„Ich muss gestehen, es war absolut furchterregend“, erzählt er, „aber es hatte auch den positiven Effekt, dass wir, als wir am Set ankamen, bereits eine starke Kameraderie entwickelt hatten.“ Hooper bestand darauf, alle Lieder – mit Ausnahme der großen Chöre – live aufzunehmen. Im Falle von Samantha Barks, die das zwielichtige Mädchen Eponine von der Londoner Bühne auf die Leinwand transferierte, bedeutete das stundenlanges Singen im Regen, bis man ihre Zähne klappern hörte. Redmayne erwischte es nicht ganz so schlimm, er durfte im Trockenen bleiben, jedoch: „Während des Drehs schob Tom masochistischerweise das Solo des Marius, ,Empty Chairs at Empty Tables‘, in der Planung immer weiter nach hinten. Ich erinnere mich noch gut an das Wochenende, als er hereinkam und sagte: ,Heute ist der Tag.‘ Nun ist es ja so: Im Theater kannst du deine Fehler beim nächsten Auftritt wiedergutmachen, aber hier wusste ich, dass ich nach sechs Monaten auf der Leinwand sehen würde, was ich einfach nicht gut genug gemacht habe. Ich kenne das von anderen Fällen. Wir hatten sieben Aufnahmen im Kasten, und Tom meinte, dass es so passen würde. Aber ich erwiderte: ,Nein. Wir machen weiter, bis Blut aus meinen Augen quillt!‘“ Redmayne sang sein Lied 21 Mal, und wie sich herausstellte, war die 21. Aufnahme schließlich die richtige.

Im Gespräch mit dem „Schaufenster“ kommt er immer wieder auf die Angst als motivierende Kraft zurück: Angst, dass die Kritiker ihn in der Luft zerreißen. Angst, dass einer der schlechteren Takes für immer auf der Leinwand festgehalten bleibt. Angst, dass Koffer das Symbol für sein Leben sind und bleiben: „Jedes Mal, wenn ich an einer neuen Location drehe, verlasse ich den Ort mit all diesem Zeug, und irgendwie kaufe ich immer wieder Taschen, die auseinanderfallen. Und dann stehe ich auf dem Flughafen, diese kaputten, ramponierten Taschen kommen in Plastik eingewickelt auf dem Laufbahn daher, und ich denke mir: ,Ist das eine Metapher für mein Leben nach Abschluss eines Drehs?‘“

Einstiegsdroge Shakespeare.
Trotz Perfektionismus und des gelegentlichen Gefühls, dass seine Arbeit ihn emotional aussaugt, liebt Redmayne Film wie Theater. „Im Idealfall werde ich beides machen können. Als ich anfing, war ich hauptsächlich auf der Bühne und etwas ignorant, was Filmgeschichte betrifft – aber ich lerne!“ Die Schauspielerei hat Redmayne schon immer fasziniert. In einer ausschließlich männlichen Besetzung von „Was ihr wollt“ spielte er die Viola – und schon als kleiner Bub im Musical „Oliver“. Dabei besteht seine Familie hauptsächlich aus Bankern, die wohlwollend, aber verwundert seine Karriere verfolgen. „Niemand aus meiner Familie arbeitet in dieser Welt. Meine Leute sehen das Metier als etwas oberflächlich an und begreifen nicht, wie man sich so tief gehend mit etwas beschäftigen kann und dann, drei Monate später, jeder seinen eigenen Weg geht. Ich vergleiche meine Arbeit mit einem Ferienlager. Das verleiht dieser Industrie für mich eine gewisse Romantik.“ Zurzeit konzentriert sich Redmayne bewusst auf seine Karriere: „Ich bin gespannt, wie der Weg weitergeht, man selbst sieht das nie so gut.“ Mit „Les Misérables“ ist Redmayne der Spitze jedenfalls nähergekommen.

TIPP

„Les Misérables“: 1988–1990 war das Musical von Alan Boublil und Claude-Michel Schönberg im Wiener Raimundtheater zu sehen. Tom Hoopers Verfilmung mit Hugh Jackman, Russell Crowe, Anne Hathaway, Helena Bonham Carter, Sascha Baron Cohn u.  a. läuft am 22. Februar im Kino an.

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