"Wir sind keine Chippendales": Wenn Männer wie Dita tanzen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nach Burlesque kommt Boylesque: Statt der Frauen ziehen sich jetzt die Männer aus. Demnächst findet das erste Boylesque-Festival in Wien statt.

Das Licht geht an, und Jacques Patriaque betritt die Bühne. Als Matrose verkleidet, ein gestreiftes Hemd am Körper. Die Musik wummert, er beginnt mit dem Hintern zu wackeln, wirft die Arme hoch, kreist die Hüften, verliert Kleidungsstück um Kleidungsstück, bis ein Hai kommt und ihn frisst. Ende des Stücks.

Jacques Patriaque tanzt Burlesque. Einen erotischen Animiertanz, der seinen Ursprung zu Beginn des 20.Jahrhunderts hat. Bei dem Tanz zieht sich der Tänzer in neckischer Weise vor dem Publikum aus. Allerdings nie ganz, denn Burlesque – und das ist den Anhängern des Genres wichtig – sieht sich selbst als Kunstform und will nichts mit Striptease zu tun haben.

All das ist eigentlich längst bekannt, immerhin hat die Bundeshauptstadt in den vergangenen Jahren einen regelrechten Vintage-Boom erlebt, im Zuge dessen Retropartys im Stil der 1920er bis 1960er und Burlesque-Abende (allen voran der Cirque Rouge von Antonia Gruber in der Roten Bar) tausende Gäste angezogen haben.

Boylesque statt Burlesque

Nun folgt offenbar der nächste Entwicklungsschritt. Statt Burlesque kommt Boylesque, statt der Frauen ziehen sich jetzt die Männer aus. So wie Jacques Patriaque, der von 28. bis 29.Mai das erste Boylesque-Festival überhaupt in Europa veranstaltet. Und es quasi von New York direkt nach Wien holt. Unter dem Namen Imperial Madness werden an den beiden Abenden rund 45 internationale Akrobaten, Burlesque- und Boylesque-Tänzer auftreten. Viele von ihnen zählen zu den Großen in der Szene. Etwa Tigger!, Waxie Moon oder The World Famous *BOB*. Auch Wiens bekannte Dragqueen Tamara Mascara wird dort zu sehen sein. Der erste Abend läuft daher unter dem Motto „Queerlesque Teaser Party“ – und soll ein Zeichen für mehr Toleranz setzen, sagt Patriaque. Am Tag darauf folgen dann die Boylesque-Männer mit ihrer Show.

Patriaque (der sich selbst von seinen Freunden mit seinem Künstlernamen rufen lässt) ist vor rund vier Jahren das erste Mal auf der Bühne gestanden. Bei der Salon Kitty Revue, die noch heute als Anlaufstelle für Fans des Animiertanzes gilt. Der 33-Jährige war dort zuerst als Ansager tätig, später als Tänzer. Wobei seine Shows nicht mit den klassischen Auftritten von Stars wie Dita Von Teese (die Burlesque wohl erst dem Mainstream geöffnet hat) vergleichbar sind. Der Wiener ist Anhänger jener Strömung, die Burlesque freier interpretiert. Da werden mit den Auftritten kleine Geschichten erzählt, und da wird auch schon einmal Gesellschaftskritik geübt. Freilich immer mit einem Augenzwinkern. Die Erotik tritt in den Hintergrund, Boylesque soll unterhaltend sein. „Ich will die Zuseher überraschen“, sagt Patriaque, der bei seinen eigenen Auftritten gern auf pompöse Kostüme setzt.

Den Vergleich mit Striptease scheut auch er. „Wir sind keine Chippendales“, sagt er. Um noch ein paar Vorurteile aufzuklären: „Nein, Boylesquetänzer sind nicht alle homosexuell.“ Kennengelernt hat er die Tänzer, die nun in Wien auftreten werden, in New York, wo Patriaque selbst beim 2nd Annual Boylesque Festival aufgetreten ist – übrigens als nur einer von zwei Europäern. So ist auch die Idee entstanden, das Fest nach Wien zu holen.

Mit Conchita „verheiratet“

Ein Talent, sich in der Öffentlichkeit zu inszenieren, hat Patriaque ohnehin. Manch einer mag den Wiener nämlich auch als „Ehemann“ von Songcontest-Teilnehmerin Conchita Wurst kennen, mit der er schon mehrmals öffentlich aufgetreten ist – inklusive Interviews über ihre beider „Hochzeit“ in Paris. Alles freilich reine Show. „Unsere Kunstfiguren sind verheiratet“, sagt Patriaque. Conchita Wurst wird übrigens auch bei Imperial Madness auftreten.

Das Festival wird im Wiener Stadtsaal stattfinden, das Publikum bei solchen Shows reicht angeblich vom Studenten zum Seniorenehepaar. Dresscode für Besucher gebe es nicht, sagt Patriaque, jeder solle sich wohlfühlen. Spontane Burlesque-Einlagen mit Freiwilligen aus dem Publikum seien aber angedacht. Bieder ist etwas anderes.

AUF EINEN BLICK

Imperial Madness: Unter dem Motto veranstaltet der Wiener Jacques Patriaque das erste Boylesque-Festival in Wien. Anstatt der Frauen ziehen sich bei Boylesque die Männer aus. Allerdings nie ganz, sieht sich Boylesque (ebenso wie Burlesque) als Kunstform, die nichts mit dem gewöhnlichen Striptease zu tun haben will. Für Imperial Madness treten insgesamt 45 Burlesque-, Boylesque-, Vaudeville- und Akrobatikkünstler auf. Das Festival findet von 28. bis 29.Mai im Wiener Stadtsaal statt.

Infos: www.boylesquefestivalvienna.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2014)

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