Palmprozession: Mehr als Eier und Osterhasen

Mehr als Eier und Osterhasen
Mehr als Eier und OsterhasenAPA (HERBERT PFARRHOFER)
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360 Grad Österreich: In Thaur feiert man die Palmprozession mit einem mehr als 200 Jahre alten Holzesel. Auch sonst gibt es interessante Oster- bräuche.

Es ist eine Ehre und eine Pflicht, seit sieben Generationen. Immer am Palmsonntag staubt Familie N. (sie will nicht genannt werden) den Holzesel ab, stellt ihn auf einen vierrädrigen, niedrigen Wagen, setzt die fast lebensgroße Christusfigur auf den Esel, bekleidet sie mit einem scharlachroten Mantel, steckt ihr einen Palmzweig in die linke Hand, die rechte ist zum Segen erhoben, und bringt Esel und Figur zur Kirche. Jetzt kann man in Thaur in Tirol wieder einer Traditionen nachgehen, die im Alpenraum einzigartig ist: der Palmeselprozession mit Figuren aus dem Jahr 1772.

Der Brauch des Umzugs mit einer Christusfigur auf einem Holzesel reicht viele hundert Jahre zurück. Laut deutschen Quellen gab es solche Prozessionen schon im 10. Jahrhundert, das Institut für Geschichtswissenschaften an der Universität Innsbruck legt für Tirol „spätestens das 13. Jahrhundert“ fest. Doch während in anderen Orten die Figuren längst im Museum stehen, werden sie in Thaur und im benachbarten Hall noch jährlich verwendet – und im Stadl eines Bauern gelagert.

Der Familie N. ist es unter anderem zu verdanken, dass man der Tradition überhaupt noch nachgehen kann. Viele Holzesel samt Christusfigur fielen nämlich einst dem Bildersturm der Reformationszeit und später der Aufklärung zu Ende des 18. Jahrhunderts zum Opfer. In Thaur versteckte man die Figuren in einem Stadl der Familie, die sich nach Auskunft der Pfarre seit etwa 200 Jahren um Esel und Christusfigur kümmert und sie jährlich zur Prozession vorbereitet (heute wieder ab 13 Uhr).

Mittlerweile haben sich auch andere Ortschaften des Brauchs erinnert, etwa das benachbarte Hall. Die dort für die Prozession verwendeten Figuren sind noch älter (laut Auskunft der Pfarre aus 1420/30), doch im Gegensatz zu Thaur hat man mehr als 100 Jahre auf die Tradition vergessen. Erst Ende der 1960er-Jahre hat der damalige Dorfpfarrer den Umzug mit Holzesel und Christusfigur wieder eingeführt.

Die Prozession wird in Gedächtnis des Einzugs Jesu Christi in Jerusalem, bescheiden auf einem Esel, gefeiert. Daran sollte einst auch der Palmritt der Salzburger Erzbischöfe zur Stiftskirche Nonnberg erinnern – allerdings nicht auf einem Esel, sondern weniger bescheiden auf einem Schimmel.

Ölberg-Singen im Pongau

Zu Fuß pflegt man einen Brauch im malerischen Großarl im Pongau, der einzigartig in Österreich ist: Das Ölberg- und Leiden-Christi-Singen. Die Männer des Ortes ziehen am Gründonnerstag und Karfreitag zwischen 20 Uhr und vier Uhr früh zu verschiedenen Stationen und besingen das Leben und Sterben Christi. „Merkt auf ihr Herren und lasst euch sagen, hat acht Uhr geschlagen“, setzt der Vorsänger mit dem Nachtwächterruf ein, bevor die restlichen Sänger im Chor folgen.

Am Gründonnerstag sind es die Bauern des Ortes, die vom Leiden Christi auf dem Ölberg singen. Am Karfreitag folgen die „Dorfer“ (die Bürger des Dorfes), die in ihrem Gesang über die Ereignisse nach dem Kreuztod berichten und die Auferstehung verheißen. 30, 40 Männer sind es – anfangs, „im Lauf der Nacht wird's dann schon deutlich weniger“, erzählt ein Einheimischer. Denn in Großarl muss man auch am Ostersonntag früh aufstehen: Der Auferstehungsgottesdienst mit Speisenweihe und Entzündung der Osterkerze findet traditionell um fünf Uhr morgens statt – und die Kirche ist mit etwa 900 Menschen immer bis auf den letzten Platz gefüllt.

Kampf der Ratschen

Am Sonntag sind auch die Glocken wieder zurückgekehrt. Die fliegen nämlich nach altem Glauben am Gründonnerstag nach Rom. Schon seit dem 16. Jahrhundert rufen daher die Ratschen die Menschen in die Kirche.

Vor allem in Niederösterreich ist das Ratschen stark verbreitet – derart, dass es zu regelrechten Konkurrenzkämpfen kommt. In Mödring bei Horn hob der Pfarrgemeinderat vor einigen Jahren das Monopol der Ministrantengruppe für den Ratschendienst auf – sehr zum Ärger der Ministranten, die bei ihrem Rundgang durch die Ortschaft nicht nur Spenden für die Kirche erhielten, sondern teilweise auch für sich selbst. Die Folge: Die Ministranten traten zurück. Mittlerweile hat man die Zwistigkeiten beigelegt, auch in Payerbach, wo es ähnliche Differenzen zwischen verschiedenen Kindergruppen des Ortes gab. Die „Reviere“ sind jetzt klar abgesteckt.

Osterschießen in Kärnten

Etwas lauter geht es beim Osterschießen zu, das man noch im südlichen Österreich pflegt. Hintergrund ist ein Ehrensalut zur Auferstehung Jesu Christi und zum Sieg über den Tod. Besonders laut geht man dem Brauch in Rosegg nach. Dort musste sogar das Bezirksgericht Villach nach der Beschwerde eines Anrainers über die Lärmbelästigung einschreiten. Nach einer Lärmmessung genehmigte man das Schießen der Brauchtumsgruppe. Heuer wird am Ostersamstag um 14 Uhr geschossen, am Abend ab 20 Uhr findet die Auferstehungsfeier mit Fackelzug statt.

Es gibt auch etwas seltsamere, dafür aber sehr gesellige Bräuche, etwa die Gründonnerstagspartie in Stockerau. An dem Tag treffen sich die Männer der Stadt (heuer um 8 Uhr auf dem Platz vor der Kirche) und wandern gemeinsam durch die Au nach Tulln. Die Wanderung klingt auf einem Donauschiff aus.

Diese Tradition geht angeblich auf das Jahr 1884 zurück. Damals soll der Lehrer Wasserburger Reißaus vom Osterputz seiner Haushälterin genommen haben – vielleicht, weil er nicht stören wollte, vielleicht, weil er nicht mithelfen wollte. Wie auch immer. Im Jahr darauf hatte er jedenfalls schon einige Begleiter, mittlerweile wandern weit über 100 Männer mit . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2014)

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