Die Memoiren der Jazz Gitti: "Das Erinnern hat wehgetan"

Die Memoiren der Jazz Gitti:
Die Memoiren der Jazz Gitti: "Das Erinnern hat wehgetan"Imago (Eibner)
  • Drucken

Die Entertainerin blickt auf ihr schicksalhaftes Leben zurück. Es soll aber kein Buch über das Hinfallen sein – sondern eines über das Wieder-Aufstehen.

Es gleicht beinahe einem kleinen Wunder, dass aus dem Buchprojekt etwas wurde: Denn so wirklich begeistert war Martha Butbul – besser bekannt als Jazz Gitti – von der Idee, ihre Autobiografie zu verfassen, zu Beginn nicht. „Meine Memoiren schreiben? Muss ich jetzt sterben?“, habe sie sich gedacht, als ihr die Idee angetragen wurde. Außerdem: „Gschichtl'n“ habe sie zwar zur Genüge zu erzählen. „Aber wen soll das interessieren?“ Nicht zuletzt sah auch ihre Tochter Shlomit den Blick in die Vergangenheit zwiespältig. „Mama, du bist doch die Meisterin im Verdrängen“, warnte sie. Nicht ganz zu Unrecht. Denn zu verdrängen gab es im Leben der mittlerweile 67-jährigen Entertainerin so einiges.

Die 160 Seiten starke Autobiografie, die ab sofort im Handel ist, zollt all dem Tribut. Es ist ein fast nachdenkliches Buch geworden. Oder zumindest eines, das nachdenklich macht. Es zeichnet das Bild einer vielschichtigen Künstlerin, das so gar nicht zum Prädikat der „Ulknudel“ und „Stimmungskanone“ passt, das sich Jazz Gitti in den vergangenen 30 Jahren auf der Bühne selbst umgehängt hat – und das so manchen die Nase rümpfen ließ.

Denn das Leben der Jazz Gitti – den Namen Gitti trägt sie seit ihrer Kindheit, als Gedenken an die von den Nazis ermordete Tante ihrer Mutter, die der Familie mit Lebensmittellieferungen aus Russland das Überleben im Krieg sicherte – ist vor allem eines der Rück- und Schicksalsschläge.

Kein Platz für Larmoyanz

Mitten in der Pubertät verlor sie ihre Mutter („Ein Verlust, der mein ganzes Leben prägte“). Wenig später brach sie mit ihrem Vater, in dessen Beziehung mit einer neuen Frau sie keinen Platz fand („In der jüdischen Familie kommen die Kinder an erster Stelle – und das war plötzlich nicht mehr so“), und ging nach Israel. Es folgten ein gewalttätiger und spielsüchtiger Ehemann, eine schwierige Schwangerschaft in Armut, eine fast fluchtartige Rückkehr nach Österreich und eine Abtreibung. Als Lokalbesitzerin, unter anderem mit „Gittis Jazz-Club“, startete sie ihre erste Karriere. Am Ende stand ein Konkurs, knapp entging sie einer Gefängnisstrafe wegen fahrlässiger Krida. Ihre Tochter sollte recht behalten: Es habe „wehgetan, sich an all das wieder zu erinnern“, sagt Jazz Gitti. Und man spürt, wie ihr das Gespräch plötzlich nahegeht. „Meine Tochter hat das Buch gelesen. Und sie hat geweint“, erzählt sie.

Dennoch: Das Buch, sagt sie, soll keines über das Hinfallen sein – sondern eines über das Wieder-Aufstehen. Darum, sagt sie, geht es im Leben: „Entweder du stehst auf und machst weiter – oder du lässt es sein. Und das war für mich nie eine Option.“ Aus jeder Situation das Beste zu machen, das sei ihr Anspruch.

So ist auch für Larmoyanz im Buch kein Platz. In fast lakonischer Sprache packt Jazz Gitti selbst die schicksalhaftesten Begebenheiten in jedem Kapitel in eben jene „Gschichtl'n“, die sie so gerne erzählt. Darüber, wie sie mit ihrem Übergewicht zu leben lernte. Wie sie die Angestellten im elterlichen Haushalt mit Süßigkeiten bestach. Und wie sie zuletzt, eher zufällig, ihre Leidenschaft – das Singen – zum Beruf machte.

Die Leser will sie mit dem Buch unterhalten. Sie will aber auch Mut machen, dass man „alles irgendwie schaffen kann“. Und ihnen, vielleicht ganz nebenbei, ein bisschen etwas von ihrer Lebensphilosophie mitgeben: „Blicke immer nach vorn. Weil, wie es so schön heißt: Aufs G'habte gibt der Jud' nix.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.