Viele Ironmen und eine harte Frau

TRIATHLON - Ironman 70.3 Austria
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360 Grad Österreich: Am Sonntag findet der größte Ironman-Bewerb der Welt in Kärnten statt. 3000 Teilnehmer quälen sich über 226 Kilometer – darunter eine harte Ironwoman.

Manche greifen an diesem Sonntag um neun Uhr Früh gemütlich zu Kaffee und Zeitung, andere sind um diese Zeit schon fast vier Kilometer durch einen See geschwommen und 68 Kilometer mit dem Fahrrad gefahren. Und wenn die Spätaufsteher zu Mittag essen, haben die Morgensportler bereits weitere 112 Kilometer mit dem Rad absolviert und sind noch dazu 42,195 Kilometer gelaufen. Das ist der Unterschied zwischen einem gemütlichen Man und einem Ironman.

„Spinnen die, das hört man schon oft“, erklärt Gilbert Blechschmid. Und? „Naja, sie wollen eben ihre Grenzen ausloten.“ Pause. „Für mich wär' das nichts.“ Nicht nur für den Pressesprecher der Veranstaltung. Normalsportler werden schon müde, wenn sie hören, worum es geht: 3,86 Kilometer schwimmen. 180,2 Kilometer Rad fahren. 42,195 Kilometer laufen. Manche schaffen solche Strecken vielleicht in einer Woche intensiven Trainings, an diesem Sonntag in Klagenfurt wird sie der schnellste Teilnehmer in weniger als acht Stunden absolvieren.

Und es sind nicht wenige, die das versuchen: Etwa 3000 Frauen und Männer aus mehr als 60 Nationen nehmen am Ironman Austria in Kärnten teil, die ersten starteten um 6.45 Uhr. Nirgendwo sonst auf der Welt treten mehr Athleten an und nirgendwo sonst, außer vielleicht auf Hawaii, quält man sich schöner über die insgesamt 226 Kilometer: erst durch den Wörthersee (aktuell 22 bis 23 Grad Wassertemperatur), dann auf einer Radstrecke mit Tour-de-France-Charakter inklusive zwei interessanter Berganstiege und am Ende über eine Laufstrecke, auf der man sich erst einsam gegen seinen inneren Schweinehund durchsetzen muss und sich dann vom Applaus der Zuseher durch die Klagenfurter Altstadt ins Ziel tragen lassen kann. Die Teilnehmer werden sehr davon schwärmen – wenn sie sich irgendwann davon erholt haben.

Apropos Ironman-Bewerb, und weil wir vergangene Woche dank Andreas Gabalier ungewollt intensiv über die Heimat großer Söhne gesprochen haben: Einer von Österreichs härtesten Ironmen ist eine Frau.

„Ob mich die männliche Form stört? Nein, ich kann damit leben“, meint Michaela Rudolf recht entspannt. Das kann sie auch sein, weil sie härter ist, als 99,9 Prozent der großen Söhne. Die 42-Jährige ist amtierende Triathlon-Staatsmeisterin, sie wurde Ironman-Vizeweltmeisterin in ihrer Altersgruppe in Hawaii, und sie absolviert die 226 Kilometer in neun Stunden, 14 Minuten und 17 Sekunden. Heute in Klagenfurt, wo sie als eine von vier Österreicherinnen mit Profilizenz antritt, wird sie rund um diese Zeit durchs Ziel laufen. Es gibt nur wenige Männer, die schneller sind. Vergangenes Jahr belegte Rudolf beim Ironman Austria den neunten Gesamtrang.


Spät zur Qual. Bemerkenswert an den Erfolgen der Niederösterreicherin ist, dass sie sehr spät mit dem Triathlon begonnen hat (und noch nie einen positiven Doping-Test hatte). 2007, im Alter von 35 Jahren, machte sie ihren ersten Ironman mit (auf der Halbdistanz 70,3 Meilen), ein Jahr später lief sie schon als schnellste Österreicherin in Hawaii, bei der Mutter aller Ironman-Bewerbe, durchs Ziel.

„Manchmal denke ich mir schon, was alles noch möglich gewesen wäre, wenn ich früher angefangen hätte“, meint die jetzt 42-Jährige. Vielleicht hätte sie sich beim Schwimmen verbessern können, ihrer Problemdisziplin. in der sie sich jetzt keine neue Technik mehr antrainieren kann. Aber das Alter hat auch Vorteile: „Man hat mehr Ausdauer und mehr Erfahrung.“ Denn bei einem Ironman „findet mehr als die Hälfte im Kopf statt. Man muss mental sehr stark sein, um das durchzuziehen. Denn auf die Distanz kommt mehrmals der innere Schweinehund, man fragt sich immer wieder, warum man sich das antut. Man steht oft knapp davor, einfach aufzuhören.“

Dass die Lehrerin, die an der Fachschule für Sozialberufe in Langenlois Englisch und Sport unterrichtet, überhaupt mit dem Extremsport angefangen hat, habe mit ihrer Leidenschaft für Sport zu tun. „Ich bin einen Marathon gelaufen, dann habe ich eine neue Herausforderung gesucht. Und das war der Triathlon und dann die Ironman-Distanz.“

Um solche Belastungen durchzuhalten, muss sie pro Woche 25 bis 30 Stunden trainieren und im Jahr auf viele Verlockungen verzichten: keine Schnitzel, keine Pommes, und Schokolade gibt es maximal als Belohnung nach einem harten Trainingstag. In Massen sind Kohlenhydrate nur vor einem Rennen erlaubt.

An der Motivation, sich die Qualen anzutun, fehlt es Michaela Rudolf nicht. „Es ist immer wieder eine Herausforderung, wenn man an der Startlinie steht.“ Das, was sie zurückhält, sind finanzielle Hürden. Die Teilnahme an internationalen Bewerben, vor allem in Hawaii (vorausgesetzt, man qualifiziert sich), ist teuer, und Sponsoren in Österreich sind nicht sehr breit gestreut. Ein Ziel will Rudolf aber noch erreichen: Den Bewerb auf Hawaii in der Altersgruppe 45 zu gewinnen.

Und welche gesundheitlichen Schäden hat sie vom Ironman bisher davongetragen? Kaputte Knie? Schmerzender Rücken? „Nein, mir tut eigentlich nichts weh. Ich betreibe meinen Sport so, dass es nicht zu extrem wird und ich keine körperlichen Probleme bekomme.“ Auch das zeichnet Frauen vor den großen Söhnen der Heimat aus: Sie finden eine bessere Balance und neigen selten zu Extremen. Oder sie sind einfach wirklich härter.

Steckbrief

Michaela Rudolf
1972 in Neunkirchen geboren, ist amtierende Triathlon-Staatsmeisterin und belegte beim Ironman auf Hawaii den zweiten Platz in ihrer Altersgruppe.

Die 42-Jährige
arbeitet als Lehrerin für Sport und Englisch an der Fachschule für Sozialberufe in Langenlois.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2014)

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