Helen Mirren: "Social Media sind geschmacklos"

Helen Mirren arrives for the world premiere of her film 'The Hundred-Foot Journey' in the Manhattan borough of New York
Helen Mirren arrives for the world premiere of her film 'The Hundred-Foot Journey' in the Manhattan borough of New YorkREUTERS
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Mit "Madame Mallory und der Duft von Curry" ist Helen Mirren derzeit wieder im Kino zu sehen. Ein Gespräch über Teigtaschen auf dem Naschmarkt und ihren Versuch, als Britin eine französische Schauspielerin zu werden.

Wenn Helen Mirren Audienz hält, strömt die Presse herbei. Und das nicht nur, weil sie in dem Film „Die Queen“ niemand anderen als die britische Königin verkörperte und dafür mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Sondern weil die von adligen Russen abstammende Britin auch vorher schon ein Star auf den Bühnen und Bildschirmen ihrer Heimat war und mit Filmen wie „R.E.D.“, „Ein russischer Sommer“ oder „Hitchcock“ auch in Hollywood zu den allergrößten gehört. Anlässlich der Bestsellerverfilmung „Madame Mallory und der Duft von Curry“ scharte die 69-Jährige kürzlich in Beverly Hills wieder ein Grüppchen Journalisten um sich:

Sie schauen gerade so amüsiert auf die verschiedenen Aufnahmegeräte, die da vor Ihnen liegen ...

Hellen Mirren: Ich finde das immer wieder faszinierend. Wenn man so lange dabei ist wie ich, hat man so viele verschiedene Entwicklungsstadien miterlebt. Ich erinnere mich noch an Zeiten, als alle Journalisten einfach mit Block und Stift vor mir saßen. Und dann kamen diese Walkman-artigen Rekorder mit den Kassetten, bei denen man ständig überprüfen musste, ob sie auch wirklich laufen.

Ist Technik etwas, was Sie interessiert?

Ich beschäftige mich nicht wirklich damit. Aber spannend finde ich das schon alles. Nicht zuletzt deswegen wünsche ich mir eigentlich, 150 Jahre alt werden zu können. Einfach um zu sehen, was sich noch alles tut. Allein, was es heute schon alles gibt. GPS und Navigationssysteme sind doch zum Beispiel ganz erstaunliche Erfindungen. Oder Barcodes! Manchmal geht mir immer noch nicht in den Kopf, dass die Supermarktkasse weiß, dass das gerade eine Dose Bohnen ist, die da eingescannt wird.

Und wie steht es mit Social Media? Begeistern Sie die auch?

Die nun ausgerechnet nicht. Denen kann ich einfach nichts abgewinnen. Mir ist natürlich klar, dass diese sozialen Medien sehr nützlich sein können, sei es in politischer Hinsicht oder für Marketingzwecke. Aber irgendwie finde ich sie auch geschmacklos.

Haben Sie es denn einmal ausprobiert?

Ganz kurz. Für ungefähr 24 Stunden war ich mal bei Facebook angemeldet. Ich dachte, das könnte vielleicht ein guter Weg sein, auf all meinen Reisen mit den jüngeren Familienmitgliedern in Kontakt zu bleiben. Aber mir war das viel zu aufdringlich. Ich wollte nicht, dass Fremde mit mir befreundet sein wollen. Und das, obwohl ich mich natürlich nicht mit meinem echten Namen angemeldet hatte. Irgendwie fand ich das erschreckend.

Kommen wir auf „Madame Mallory und der Duft von Curry“ zu sprechen, in dem Sie auch Ihr Französisch zum Besten geben. Das verdankt sich vermutlich nicht nur dem britischen Schulsystem, oder?

Ein bisschen vielleicht, schließlich habe ich damals dort die Sprache zum ersten Mal gelernt. Aber ich habe einfach auch diese typische britische Liebe für alles Französische. Gerade in meiner Jugend galten die Franzosen ja als die coolsten, schicksten Leute überhaupt. Mein Gott, wollte ich gern Französin sein. Als Erstes angelte ich mir mit meinen 14 Jahren also einen französischen Freund. Jean-Louis war der Erste, der sich mein Schulfranzösisch anhören musste. Und trotzdem haben wir bis heute Kontakt.

Beruflich verschlug es Sie dann aber doch auch nach Frankreich, nicht wahr?

Stimmt, als ich für ein halbes Jahr mit Peter Brook an seinem Centre International de Recherche Théâtrale arbeitete. In der Zeit wurde mein Französisch ziemlich gut. Inzwischen ist es leider etwas eingerostet. Aber ich denke, es klingt zumindest passabel.

Sie besitzen auch ein Haus in Frankreich?

Ja, in der Provence, seit über 20 Jahren. Allerdings steht es gerade zum Verkauf. Denn in Sachen Ferienhaus sind mein Mann und ich inzwischen nach Italien weitergezogen. Weswegen ich derzeit eher versuche, mein Italienisch auf Vordermann zu bringen.

Klingt auf jeden Fall so, als sei die Rolle der Madame Mallory wie gemacht für Sie.

Was meinen Sie, warum ich mich dafür interessierte? Das Lustige ist ja, dass ich früher nur zu gern eine französische Schauspielerin sein wollte. Für eine Weile versuchte ich mein Glück sogar in Paris. Ich drehte einen Film dort und mietete eine kleine Dachkammer, südlich der Seine. Das war so ein richtiges Bohème-Ding, winzig klein und ganz oben auf einem sechsstöckigen Haus. Ich stellte mir vor, dass ich dort einfach so lange ausharre, bis ich eben zu einer französischen Schauspielerin geworden bin. Aber Jobs bekam ich nach wie vor vor allem in England – und die musste ich natürlich annehmen, um in Paris die Miete bezahlen zu können. Irgendwann habe ich dann eingesehen, dass das Leben einem eben nicht alle Träume erfüllt. Deswegen gefiel mir nun „Madame Mallory und der Duft von Curry“ so gut. Endlich konnte ich doch einmal so tun, als sei ich eine französische Schauspielerin.

Wobei man sagen muss, dass der Film weniger französisch, als vielmehr wie eine typische Feelgood-Geschichte aus Hollywood wirkt.

Natürlich sprechen wir hier nicht von einem intellektuellen Arthouse-Film. Aber ich würde es ungerecht finden, die Leistung unseres Regisseurs Lasse Hallström zu schmälern. Denn einen Film wie diesen zu drehen ist sehr viel schwieriger, als es aussieht. Im Grunde ist das wie die Zubereitung eines Soufflés. Natürlich dreht sich alles um die Leichtigkeit. Doch wenn man nicht aufpasst oder die falschen Zutaten hat, fällt das alles ganz schnell in sich zusammen und wird geschmacklos. Man braucht dafür unbedingt jemanden, der geschickt genug ist, bei aller Leichtigkeit die nötige Substanz nicht aus den Augen zu verlieren.

Für Madame Mallory dreht sich alles um den Michelin-Stern für ihr Restaurant. Gab es in Ihrer Karriere eine Ehrung, die Ihnen ähnlich viel bedeutet hat?

Hm ... Ich habe keinen Preis so bedingungslos angestrebt wie sie den Stern. Aber am meisten bedeutet hat mir wahrscheinlich der Olivier Award, den ich vergangenes Jahr für meine Rolle in dem Stück „The Audience“ gewonnen habe. Einfach, weil ich diese Auszeichnung in all meinen Jahren auf der Bühne nie gewonnen hatte.

Dass Sie keine besondere Köchin sind, haben Sie schon oft zu Protokoll gegeben. Hat sich das durch den Film verändert?

Meine Sicht aufs Kochen hat sich nicht unbedingt verändert. Dass das Zubereiten von gutem Essen eine Kunst für sich ist, wusste ich, auch ohne dass ich sie selbst zwingend beherrsche. Aber dafür habe ich einen neuen Blick auf das Betreiben eines Restaurants gewonnen. Da hat mir der Film noch einmal vor Augen geführt, wie viel Hingabe und vor allem Zeit man in einen solchen Betrieb stecken muss.

Essen ist nicht selten mit bestimmten Erinnerungen verbunden. Welche Gerichte lassen Sie an die Vergangenheit denken?

Da gibt es natürlich ein paar, die meine Mutter früher gekocht hat. Auch sie war keine allzu begabte Köchin, aber ihre Piroschki waren wirklich verdammt gut. Diese mit Kohl gefüllten Teigtaschen hat sie immer für meinen aus Russland stammenden Vater gemacht. Erst kürzlich habe ich einmal wieder welche gesessen, auf dem Naschmarkt in Wien. Da war ich gedanklich sofort wieder in meiner Kindheit.

Können Sie sich für die indische Küche erwärmen, die im Film eine Rolle spielt?

Oh ja. Mein Mann und ich haben die immer gleiche Tradition, wenn wir nach London kommen. Am ersten Abend gehen wir in ein indisches Restaurant namens Lahore und bestellen Karahai-Hühnchen, Lamm, Linsen und Kichererbsen. Danach kann man uns nach Hause rollen. Ich glaube, den meisten Briten geht es mittlerweile wie mir: Das Essen, das man im Ausland am meisten vermisst, ist ein gutes Curry.

Steckbrief

Helen Mirren (26. Juli 1945) wurde als Schauspielerin mehrfach ausgezeichnet (Golden Globe, Oscar). Die Britin brilliert sowohl auf der Theaterbühne als auch im Kino. Als ihre Paraderolle gilt die Darstellung von Elisabeth II. in Stephen Frears' Spielfilm „The Queen“, für die sie auch den Oscar als beste Schauspielerin bekam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2014)

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