John Cusack: »Hollywood ist mir zu dekadent«

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In David Cronenbergs »Maps To The Stars« verkörpert John Cusack einen beängstigend realen Hollywood-Archetyp. Privat lebt der Schauspieler längst in Chicago. Im Interview spricht er über den »Landschaftszustand« Los Angeles und das Rauschhafte am Blitzlicht.

Es ist kein schönes Bild von der Glamourwelt, das Regisseur David Cronenberg in seinem neuen Film „Maps to the Stars“ von Hollywood zeichnet: Dysfunktionale Familien, Narzissten und dazwischen eine durchgeknallte Pyromanin. Star-Schauspieler John Cusack gibt in diesem düsteren Tableau einen schillernden Selbsthilfe-Guru mit bösen menschlichen Abgründen.


Haben Sie für Ihre Rolle in „Maps to the Stars“ Ihren eigenen Psychotherapeuten zum Vorbild genommen?

John Cusack: (Lacht). Nein, sicher nicht. Ich habe zurzeit keinen Therapeuten und auch in meinem ganzen Leben niemals einen in Anspruch genommen – eine Tatsache, auf die ich übrigens wirklich ein bisschen stolz bin. Aber kennengelernt habe ich natürlich einige davon. Es gibt ja so viele Selbsthilfe-Gurus, Life-Coaches und Pop-Psychologen in Kalifornien, das sind sehr vertraute Archetypen. Meine Figur im Film ist ein Amalgam daraus.


Fast schon seltsam, einen Hollywood-Schauspieler ohne eigenen Guru zu treffen.

Stimmt. Aber ich bin schon vor vielen Jahren nach Chicago gezogen, vielleicht liegt es daran.


Was gefällt Ihnen dort besser als in L. A.?

Polemisch gesagt: Im Gegensatz zu Los Angeles ist Chicago eine richtige Stadt und kein Landschaftszustand (lacht). Es ist kompakter, man muss nicht überallhin mit dem Auto fahren. Es gibt dort so etwas wie einen öffentlichen Raum. Man kann einfach ausgehen und schauen, was passiert. In L. A. muss man immer planen, in wessen Haus man den Abend verbringt, fast das ganze Nachtleben spielt sich in irgendwelchen Privathäusern ab. Man muss immer alles im Voraus einteilen. Ich bevorzuge eine richtige Stadt, ich bin auch gern mal spontan. Und ich mag auch die Atmosphäre in L. A. nicht so gern, sie ist mir zu . . . dekadent. Die großartige Schriftstellerin Joan Didion hat einmal etwas Schönes geschrieben: „In Los Angeles herrscht eine geradezu Tschechow'sche Spannung. Eine bedrohliche Stimmung, die sich aus einer Erkenntnis nährt: Wenn wir bis hierher gekommen sind, dann müssen wir es hier auch schaffen – denn weiter westwärts können wir nicht mehr!“ Ich fand das sehr treffend. L. A. ist eine Grenzstadt, und als solche zieht sie seltsame Energien an. Zirkusleute, Schlangenmädchen, Zaubertrankverkäufer, Wüsten-Irrköpfe . . . Kein Wunder, dass der Film Noir dort seinen Ursprung genommen hat!


Heißt das, Sie können auf das ganze Hollywood-Glamorama dankend verzichten?

Ich versuche, es auf das Nötigste zu reduzieren und nehme nur die Events wahr, die mir aus irgendeinem Grund wirklich wichtig sind. Aber unter uns: Manchmal genieße ich das Star-Sein auch richtig. Es hat etwas Rauschhaftes, mitten im Blitzlichtgewitter zu stehen und der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein. Gerade als Schauspieler lebt man auch für diese Momente.


In Ihrer Karriere gibt es kaum eine Filmkategorie, in der man Sie noch nie gesehen hat.

Ich habe auch keine Berührungsängste. Überhaupt nicht. Ich versuche, Sachen zu machen, bei denen ich glaube, dass etwas Gutes dabei herauskommen kann – ob das jetzt ein obskurer Indie-Film ist oder ein Blockbuster ist keine primäre Entscheidungsgrundlage.


Auch nicht die Tatsache, dass Sie Miete zahlen müssen?

Naja, das manchmal schon (lacht). Aber im Ernst: Es ist sehr schwer, in diesem System so etwas wie künstlerische Integrität zu bewahren, weil es so sehr von Geld und Profit bestimmt ist.


Und wie geht man damit um?

Man scheitert. Und das, so gut man kann.


Was verstehen Sie konkret unter Scheitern?

Na ja, dass man eben experimentiert und verschiedene Sachen macht. So wie ich es in „Maps to the Stars“ versucht habe: Meine Figur Stafford ist ein sehr grauslicher Charakter. Wirklich kein Sympathieträger. Und als Schauspieler gehen einem da dann doch so Sachen durch den Kopf wie: „Man wird mich nie wieder als liebenswerten Menschen besetzen!“ Aber das muss man ausblenden, und es dann einfach machen. Das Risiko und auch das Scheitern sind in unserem Job sowieso schwer unterbewertet. Ich meine, alle Figuren im Film scheitern: Sie kriegen ihr Leben nicht auf die Reihe, sie kriegen gar nichts auf die Reihe. Scheitern finde ich hochinteressant, Perfektion langweilt mich. 

Steckbrief

1966 wurde John Cusack in Illinois als Sohn eines Schauspielers geboren und begann gemeinsam mit seinen Geschwistern schon als Kind selbst zu spielen.
1997 wurde er mit „Con Air“ auch in Europa populär. Es folgten u. a. „Being John Malkovich“, „High Fidelity“ und „2012“.
Cusack bloggt immer wieder zu politischen Themen, etwa gegen den Irak-Krieg, den US-Drohnen-Einsatz und Überwachung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2014)

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