David Oyelowo: "Das verändert deine Weltsicht"

Actor Oyelowo attends news conference at 65th Berlinale International Film Festival in Berlin
Actor Oyelowo attends news conference at 65th Berlinale International Film Festival in BerlinREUTERS
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Mit dem zweifach Oscar-nominierten Historiendrama "Selma" holte sich der Brite David Oyelowo auch beim Berlinale-Publikum Ovationen. Im Interview erklärt er, wie es war, Martin Luther King jr. zu spielen.

„Selma“ ist genau die Art von Film, von dem man uns immer gesagt hat, dass er niemals außerhalb von Amerika Erfolg haben kann“, sagt David Oyelowo beim Interview in Berlin. „Umso mehr freut uns die große Begeisterung, die uns überall auf der Welt entgegenschlägt.“

Im Film geht es um den Protestmarsch im Jahr 1965 von Selma, Alabama, nach Montgomery – organisiert, um endlich das lang versprochene Wahlrecht für Afroamerikaner, das in den Südstaaten von den Weißen immer wieder sabotiert wurde, auch in der Praxis durchzusetzen. Vorn mit dabei war auch Martin Luther King jr., einer der Anführer der Bürgerrechtsbewegung und vehementer Verfechter eines gewaltlosen Widerstands, der sich und seine Familie schwersten Anfeindungen von allen politischen Seiten ausgesetzt sah und schließlich mit seinem Leben bezahlte.

Wie ist es für Sie, diesen Film nun auf einem europäischen Filmfestival vorzustellen?

David Oyelowo: Es ist ein unglaubliches Gefühl, im Berlinale-Palast vor 1500 Leuten so eine Reaktion auf einen Film wie den unseren zu bekommen. Selma ist genau die Art von Film, von dem man uns immer gesagt hat, dass er niemals außerhalb von Amerika Erfolg haben kann. Weil es um ein afroamerikanisches Thema geht, viele schwarze Hauptfiguren vorkommen – es hieß immer: So etwas will man in Europa nicht sehen. Dabei ist der Film – und das, wofür Dr. King stand – universell und betrifft nicht nur Menschen einer bestimmten Rasse, Religion oder eines Geschlechts. Liebe gegen Vorurteil, Gewaltlosigkeit als Waffe gegen Hass – das ist überall gültig und zeitlos.

Wie schwierig war es, sich als Schauspieler einer derartigen Ikone zu nähern?

Zum Glück bin ich nicht auf herkömmlichem Wege zu dieser Rolle gekommen, sondern war vom ersten Drehbuchentwurf an bei diesem Projekt involviert und habe insgesamt sieben Jahre lang mitgeholfen, es auf die Beine zu stellen. Als wir endlich mit dem Dreh beginnen konnten, war gar keine Zeit mehr für Nervosität. Natürlich war auch einiges an Naivität von meiner Seite dabei. Ich als Brite spiele eine amerikanische Ikone. Wenn ich damals schon gewusst hätte, was ich heute über die Historie weiß, hätte ich sicher mehr Angst davor gehabt. Aber jetzt sind sogar Dr. Kings eigene Kinder zufrieden mit meiner Darstellung, und wenn sie glücklich sind, bin ich es auch.

Sie haben ja auch seine sehr charakteristische Sprechweise perfekt hinbekommen.

Das war nicht einfach – aber die größte Herausforderung war die emotionale Ebene. Es war sehr anstrengend, mich in ihn hineinzuversetzen. Er war Vater von vier Kindern und verheiratet mit einer Frau, die er sehr liebte, genau wie ich – und nur darüber nachzudenken, dass seine Familie tagtäglich mit Morddrohungen konfrontiert war, nur aufgrund seines Tuns, und das 13 Jahre lang, war allein schon extrem belastend.

Empfanden Sie auch eine besondere Verantwortung der Geschichte gegenüber?

Selbstverständlich. Für niemanden, der bei diesem Film mitgewirkt hat, war es ein Job wie jeder andere, bei dem man eben am Schluss seinen Scheck bekommt. Und diesen Film an all den Originalschauplätzen zu drehen, in Atlanta, in Selma und in Montgomery, wo Dr. King seine legendäre Rede gehalten hat, dabei exakt auf dem gleichen Platz zu stehen wie er damals–das verändert deine Weltsicht ganz automatisch.

Seit Produktionsbeginn hat sich die Situation in den USA stark verändert.

In der Tat. Der letzte Drehtag war der 3.Juli, und am 9. August wurde Michael Brown in Ferguson erschossen. Wenn man einen Film macht, versucht man natürlich immer – auch wenn es um ein historisches Thema geht –, ihn für die Gegenwart relevant zu machen. Aber der Film ist ja nicht nur in den USA unerwartet aktuell geworden. Wenn man die Leute sah, wie sie Arm in Arm durch die Straßen von Paris gingen, um ein starkes Zeichen gegen Terrorattacken zu setzen, dann ist das auch ein Ausdruck davon, wie relevant das Thema friedlicher Widerstand heute ist. Oder in Nigeria, der Heimat meiner Eltern: Dort will man den Film unbedingt ins Kino bringen, weil bald Wahlen stattfinden werden, und danach gibt es sehr oft Unruhen. „Selma“ soll zeigen, dass ein friedliches Miteinander immer der bessere Weg ist.

Steckbrief

David Oyelowo
wurde 1976 in Oxford geboren, seine Eltern stammen aus Nigeria. Er studierte in London und begann seine Karriere bei der Royal Shakespeare Company.

2002 bis 2004 spielte er in der Serie „Spooks – Im Visier des MI5“, 2012 neben Tom Cruise in „Jack Reacher“.

2013 spielte er im Bürgerrechtsdrama „The Butler“, nun spielt er Martin Luther King in „Selma“. Oyelowo ist verheiratet und hat vier Kinder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2015)

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