Bekenntnisse einer Reisenden: "Bin gern anders"

(c) Stanislav Jenis
  • Drucken

Emel Heinreich liebt es, zwischen den Kulturen zu leben. In ihrem neuen Stück beleuchtet sie das Phänomen, sich im eigenen Körper unwohl zu fühlen.

Die meisten Menschen mit Migrationshintergrund legen Wert darauf, in ihrem beruflichen Leben nicht ständig ihre kulturellen Wurzeln nach außen zu kehren, um nicht darauf reduziert zu werden. Für Emel Heinreich gilt das nicht. Die türkischstämmige Regisseurin, Autorin und Schauspielerin, die neben Österreich und der Türkei auch in Frankreich, Malaysia und Indonesien gelebt hat, zelebriert ihre Multinationalität geradezu.

„Was soll ich sagen, das ist nun einmal meine Position in der Gesellschaft, unter der ich nicht im Geringsten leide. Ich bin gern anders und fremd“, sagt die 52-Jährige. „Geschichten zwischen den Kulturen zu erzählen ist für mich unvermeidbar. Mehr noch, diese Geschichten nähren meine Kreativität und machen meine künstlerische Identität aus.“ Multikulturalität ist für die Wienerin ohnehin „die einzige Zukunft unserer Gesellschaft. Eine Alternative gibt es nicht. Je früher wir uns mit dieser Realität abfinden, ohne Angst davor zu haben, desto leichter wird dieser Weg zu gehen sein.“

Einem breiten Publikum wurde Heinreich durch ihre Rolle in der „Tatort“-Folge „Baum der Erlösung“ bekannt, als sie an der Seite von Harald Krassnitzer die Mutter eines vermeintlichen Ehrenmordopfers spielte. Ihr aktuelles Projekt heißt „In Between“ und thematisiert – wie könnte es anders sein? – Zwischenwelten. „Dieses, wie ich es nenne, Einpersonen-Theaterstück erzählt die Geschichte von Menschen, für die der Zustand des Asyls zur permanenten Zwischenwelt wird, die zwischen unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Systemen eingeklemmt sind“, erzählt Heinreich. „Der theatrale Prozess spielt sich vor einer Leinwand ab, die ein multiples mediales Wechselspiel ermöglicht.“ Das Stück versuche, ihre bisher gewonnene künstlerische Erfahrung zu radikalisieren, und gehe der Frage nach: Was kommt nach dem „postmigrantischen“ Theater? „Denn abgesehen von klassischer Migration setzen wir uns auch mit Geschlechtsmigration auseinander“, so Heinreich. „Im Mittelpunkt des Stücks stehen Personen, die sowohl in einem Land als auch in ihrem Geschlecht im Zustand der Migration leben.“ Die Uraufführung fand 2014 in Ankara statt und wurde mit dem Preis des Ethos-International-Theater-Festivals ausgezeichnet. Am Montag, Dienstag und Mittwoch ist „In Between“ im Werk X Eldorado in Wien (1. Bezirk) zu sehen.

„Paradies“-Trilogie nächstes Projekt

Heinreichs nächstes Theaterprojekt nennt sich „Paradies“ und soll eine Trilogie werden. „Hat aber nichts mit Ulrich Seidls gleichnamiger Trilogie zu tun“, betont sie. „Im ersten Teil werde ich mich mit den Paradiesvorstellungen im Islam beschäftigen. Dann mit jenen des Christentums und schließlich des Judentums.“ Wichtig sei ihr dabei, die Gemeinsamkeiten zwischen diesen Weltreligionen zu beleuchten.

Angesprochen sollen auch Themen wie Gewalt an Frauen und Hinrichtungen werden. „Brandaktuelle Themen, die mich gleichermaßen fesseln wie frustrieren. Anstatt zu versuchen, sie zu ignorieren, setze ich mich lieber kreativ mit ihnen auseinander“, sagt Heinreich. „Anders könnte ich Meldungen wie eine aktuelle aus der Türkei gar nicht ertragen: Dort wurde ein 15-jähriges Mädchen von acht Männern vergewaltigt. Sie wurden freigesprochen, weil sich das Mädchen angeblich nicht heftig genug gewehrt habe.“

ZUR PERSON

Kosmopolitin.Emel Heinreich wurde 1962 in der mittelanatolischen Provinz Kayseri geboren, wanderte nach dem Militärputsch 1980 nach Wien aus und wurde später von einer Österreicherin adoptiert, weil sie sonst ausgewiesen worden wäre. Ihre Ausbildung zur Regisseurin und Schauspielerin absolvierte sie unter anderem in Frankreich, Malaysia und Indonesien. Mit Multikulturalität beschäftigt sich auch ihr neues Theaterprojekt „In Between“. Nähere Informationen zum Stück und zu den Vorstellungen gibt es auf der Seite www.cocon-kultur.com.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.