Geisterflüsterin Lotte Ingrisch: „Mit Esoterik hab ich nichts am Hut“

Lotte Ingrisch
Lotte Ingrisch(c) Die Presse - Clemens Fabry
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Im Krimi der 84-Jährigen geht es um Killer und Geister. Ein Gespräch über Störfelder und Kraftorte, amputierte Gehirnhälften und Quantenphysik.

Bevor sich Lotte Ingrisch an den Tisch setzt, beobachtet sie ihren kleinen Finger. An dessen Bewegungen – der Finger sei, sagt sie, wie ein Pendel quasi ein Verstärker, der Wahrnehmungen sichtbar macht – erkennt sie, ob ein Platz gestört ist oder nicht. In ihrer Wohnung in der Hofburg lebt sie zwischen Kraftorten und Störfeldern – das intensivste Störfeld, sagt sie, sei das Fenster, das unter die Michaelerkuppel hinausgeht. Sitzt sie dort, hat sie starke übersinnliche Erfahrungen – beim Fernsehen sei da schon ein „blauer Mann“ durchs Zimmer gelaufen.

Das Übersinnliche, die Geister, der Tod und das Danach, das sind die großen Themen der 84-jährigen Autorin. Auch im neuen Buch: Darin stirbt ein Auftragskiller, ersteht als Geist wieder auf und verliebt sich in die Frau, die er töten sollte. Um sie zu retten, braucht er die Hilfe einer liebenswerten, verrückten alten Dame in der Hofburg, die als Einzige mit dem Geist kommunizieren kann. Und die ihm erklärt, dass das Sterben ganz anders ist, als er sich das vorgestellt hätte. Der Tod als Reich unbegrenzter Möglichkeiten.

Die Dame in der Hofburg, sie selbst? Schließlich signiert Lotte Ingrisch ihr Buch mit „von der komischen Alten in der Hofburg“. Aber, man täte Lotte Ingrisch unrecht, würde man sie als esoterisch-verrückte Alte abtun. Besucht man sie in der Hofburg – sie wohnt auf der Gottfried-von-Einem-Stiege, benannt nach ihrem verstorbenen Ehemann –, trifft man eine hellwache Frau, die mit dem, was man gemeinhin unter Esoterik versteht, nichts am Hut hat. „Mit Esoterik, diesen Geschäftemachereien, will ich nichts zu tun haben. Da ist mir die Quantenphysik lieber!“, sagt sie in ihrer Wohnung voller Bücher über Physik, Übersinnliches, den Tod, Kunst oder Kommunikation mit Geistern.

Dabei kommuniziert sie mit ihren Geistern, etwa ihrem verstorbenen Mann, nun nur mehr selten. Wohl eine Frage des Alters, denn diese Kommunikation brauche viel Energie, wie sie erklärt. Dabei gehe es aber nicht um Gespenster, es sei, sagt sie, so eine Art lautlose Stimme, die man höre, aber kaum erklären könne. Und die sie, wie viele andere Menschen, im Bereich des Brustbeins, der chinesischen Medizin nach dem Sitz der Ahnen, wahrnehme. Es seien, so Ingrisch, keine Gespenster im Nachthemd, die sich aus dem Jenseits melden. Und bemüht die Physik: Dass Materie, wie wir sie wahrnehmen, eine Illusion sei. Ebenso die Trennung in Zukunft und Vergangenheit, zitiert sie Albert Einstein. Ingrisch spricht von Bewusstseinsfeldern und Informationsfeldern, die sie „anzapfe“. Etwas, was die Leute früher noch konnten, wie sie sagt. Und erinnert an mystischere Zeiten, als Stimmen zu hören noch nicht die Empfehlung, einen Psychiater zu besuchen, zur Folge hatte.

Aber das ist ein anderes ihrer großen Themen: Dass alles, was mit Intuition, Instinkt, mit Kreativität, Spiritualität und dem, was man als übersinnlich abtut, heute viel zu kurz komme. „Die rechte Gehirnhälfte wird Kindern im Unterricht amputiert. So werden wir unter anderem unsere Kultur verlieren“, sagt sie, die sich mit ihrem Konzept einer „Schmetterlingsschule“ für eine Reformpädagogik engagiert – auch bei etlichen Ministern, wie sie erzählt, wo sie zwar auf Verständnis, aber dann doch nur Pragmatismus stoße.

Gespenster dank Quantenphysik

Gibt es doch viele, die ihr Tun als esoterische Spinnerei abtun, die ihr mit Hass, Morddrohungen oder gar, wie Franz Fuchs, einer (glücklicherweise falsch adressierten) Briefbombe begegnen. „Die sind dumm“, sagt Ingrisch heiter. „Daraus spricht die Angst vor allem Unvertrauten.“ Dabei liegt doch viel Tröstliches in den Schilderungen ihrer Erfahrungen. Das würden ihr auch viele Leser berichten, sagt sie, die selbst Angst hätten, ihre Erfahrungen mitzuteilen, um nicht zum Psychiater geschickt zu werden. Sie selbst wolle da nicht so dogmatisch denken.

Und zitiert wieder die Quantenphysiker: Dass es so etwas wie objektive Realität nicht gebe, dass Realität immer das ist, was wir beobachten. „Wenn ich Gespenster beobachte, gibt es sie. Wenn nicht, dann nicht.“ Und für sie, die sich vor diesen Wahrnehmungen nicht fürchtet, sei das ja „eine Freude“.

ZUR PERSON

Lotte Ingrisch, 1930 als Charlotte Gruber in Wien geboren, schrieb Komödien, Libretti und Sachbücher, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Ingrisch war erst mit dem Philosophen Hugo Ingrisch, ab 1966 mit dem Komponisten Gottfried von Einem verheiratet. Sie lebt in der Wiener Hofburg.

Ihr neues Buch, „Als ich merkte, dass ich gestorben bin. Ein Jenseits-Krimi“ (160 S., 14 Euro), ist im Verlag Langen Müller erschienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2015)

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