Tamara Metelka: Leben hinter dem Holunderbusch

(c) imago stock&people (imago stock&people)
  • Drucken

Tamara Metelka ist dabei, das Reinhardt-Seminar zu öffnen, etwa mit Gastspielen in der Stadt. Die „Lulu“ an der Josefstadt erhielt gar Jugendverbot.

„Wegen expliziter Sex- und Gewaltszenen“ wurde über Wedekinds „Lulu“ von der Behörde ein Jugendverbot verhängt. Tamara Metelka erzählt es gelassen. Es seien auch gar nicht wirklich explizite Szenen, „sondern es ist so, dass der Regiestudierende davor Psychologie studiert hat und für das, was im Wedekind-Stück steckt, unglaubliche Bilder und Umsetzungen gefunden hat, die zum Teil beinahe unerträglich sind.“ Bei der Premiere hätten Leute den Saal verlassen. „Nicht weil es schlecht wäre, aber weil sie so berührt waren.“

Dafür, dass das altehrwürdige Max Reinhardt Seminar von seiner Position „hinter dem Holunderbusch“ (Eigendiktion) in Penzing hervorkommen will, ist so ein Jugendverbot jedenfalls nicht schlecht geeignet. Die Vorstellungen im eigenen Haus waren doppelt überbucht, und ob sie einen Platz für die Premiere an der Probebühne der Josefstadt bekommt, weiß Tamara Metelka selbst nicht.

Das Festival „Ungebremst“ ist Teil der neuen Strategie der neuen Chefin der Institution. An den Grundpfeilern will sie dabei gar nicht rütteln. „Das Reinhardt-Seminar bietet seit vielen Jahrzehnten sehr traditionell eine sehr gute Ausbildung. Neu ist, dass wir sagen: Hallo, hier sind wir!“ Zu Unrecht sei das Image so verstaubt. „Das hätte auch Max Reinhardt nicht gewollt, der war ein moderner Theatermacher.“

Neue Arbeitswelt

Für die Schauspielerin und Sprachgestaltungslehrerin bedeutete die neue Position „ein Crash-Kurs in allem“. Erst ein Jahr zuvor hatte sie sich erfolgreich für die Professur beworben. „Ich habe von Anfang an klargestellt, dass ich das nicht alleine mache“, sagt Metelka, „da ich ja auch noch unterrichte und künstlerisch tätig sein möchte.“

Folglich bildete sie ein Leitungsteam aus vier Leuten aus vier Fachrichtungen. „Ich glaube, es war dann die erste einstimmige Wahl je.“ Freilich, sie selbst wird als Abteilungsleiterin (das Reinhardt-Seminar gehört zur Universität für Musik und darstellende Kunst) geführt und ist „die, die schon von der reinen Präsenz her am meisten am Haus ist“.

Dort steht sie für einen Generationswechsel, für eine demokratischere Ordnung – und den Fokus auf die neue Arbeitswelt der Absolventen. „Noch als ich mit dem Reinhardt-Seminar fertig geworden bin, ist man an ein kleineres und dann ein größeres Theater gegangen und war für die nächsten 25 Jahre engagiert.“ Heute gibt es viele der kleineren und mittleren Bühnen nicht mehr, dafür eine große freie Szene, eine Überschneidung mit Performance – und dem großen Fernsehmarkt. „Arbeit vor der Kamera“ heißt ein neues Unterrichtsfach.

Dabei ist Metelka einst mit dem klaren Selbstverständnis „Theaterschauspielerin“ angetreten. Fernsehen brachte nur nebenbei Geld. Elf Jahre war sie an der Burg, dann kam ihre Tochter – „und es hat sich alles verändert. Ich bin auf der Bühne gestanden und hab' gedacht, das ist nicht genug. Ich bin aufgewacht und war unterfordert“. Über eine Körpertherapie-Ausbildung kam sie zur Sprachgestaltung und so zurück ans Reinhardt-Seminar. „Ich bin ein Mensch, der unglaublich gern lernt. Wenn ich aufhören muss, bin ich unglücklich.“

Spaß gemacht hat ihr auch die gemeinsame Fernsehidee mit ihrem Mann Nicholas Ofczarek zu „BÖsterreich“. Ein produktionstechnischer „Ritt über den Bodensee“, sagt sie heute. „Für eine Fortsetzung bräuchte man mehr Zeit, sprich Geld.“ Hätte sie nicht eine Bühnen-Film-und-Fernsehkarriere wie seine gereizt? „Es ist so, dass mein Mann, weil er ein Mann ist, mehr Möglichkeiten hatte. Für Frauen kommt ab 40 der Karriereknick. Und für mich war immer klar, dass ich für das, was ich mache, gewürdigt werden möchte – und nicht dafür, wie ich aussehe.“ In der Schauspielerei als erster Branche sei der Jugendwahn gerade schwer nach Europa übergeschwappt. „Aber für mich war immer klar, dass Botox nicht in Frage kommt.“

Zur Person

Tamara Metelka (42) wurde am Reinhardt-Seminar ausgebildet, war bis 2005 im Ensemble der Burg. Seit 2000 unterrichtet sie am Seminar, im Herbst übernahm sie die Leitung. Nach zwei Stücken am Akademietheater startet heute das Festival „Ungebremst“ an der Josefstadt-Probebühne mit „Clockwork Orange“, „Lulu“ und „Tod im Freibad“. www.maxreinhardtseminar.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.