Mercedes Echerer: "Da ist ein kleines Teufelchen in mir"

Mercedes Echerer
Mercedes EchererDie Presse
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Gibt es Freundschaften zwischen Kolleginnen, die auf der Bühne Konkurrenten sind? Mercedes Echerer über das neue Stück "Schneckenjagen", in dem sie mit Konstanze Breitebner Einblick in zwei Karrieren gibt.

Sie spielen demnächst im Stadtsaal in Wien mit Ihrer Freundin Konstanze Breitebner zwei befreundete Schauspielerinnen, die sich um eine Rolle bemühen – „Schneckenjagen“ heißt Ihr Stück. Ist diese Geschichte denn tatsächlich autobiografisch?

Mercedes Echerer: Ja, alles ist wahr, nichts ist erfunden, nur eben für die Bühne arrangiert. Wir sind seit drei Dekaden befreundet, damals haben wir uns am Volkstheater kennengelernt. Man hat uns durch die Umstände rasch als Konkurrentinnen abstempeln wollen. Wir haben aber von Anfang an miteinander geredet, und so haben die Mauscheleien ihr Ziel nicht erreicht. Aber immer wieder wurden wir seither gefragt, wie wir trotz dieses Wettbewerbs um gute Rollen zugleich befreundet sein können. „Schneckenjagen“ soll diese Frage beantworten helfen. Außerdem wollten wir schon lang etwas miteinander machen. Ich kann mich tatsächlich aufrichtig freuen, wenn Konstanze einen Job bekommt, den ich selbst auch gern gehabt hätte. Wir wollen einen Einblick in bereits recht lange Karrieren zweier Schauspielerinnen geben. Es ist auch ein Stück über das Älterwerden.

Was für eine Erfahrung war für Sie das gemeinsame Verfassen des Textes?

Konstanze ist eine erfahrene Drehbuchautorin, für mich war es ein Debüt, was das Stückeschreiben betrifft. Der erste Entwurf war in wenigen Wochen fertig, da haben wir uns chronologisch an unseren Biografien entlanggehangelt. Doch als wir dann bei den einzelnen Szenen in die Tiefe gingen, war das Knochenarbeit. Ich habe größten Respekt vor dem Schreibprozess.

Wie hat sich das Dichten auf die Probenarbeit ausgewirkt? Ist ein eigener Text schwieriger oder leichter zu spielen?

Es war beflügelnd. Wir haben szenische Lesungen gemacht, das Projekt ausprobiert. Schon waren wir mitttendrin in einer Gefühlswelt, die uns seit dreißig Jahren so vertraut ist. Das Stück ist auf jeden Fall komödiantisch. Wir sind zwei Kunstfiguren, die Franzi und die Rosa – die Gescheite und die Blöde.

Sie arbeiten seit einigen Jahren als freie Schauspielerin. Muss man für diese Freiheit denn nicht einen hohen Preis bezahlen, vor allem in einer Zeit der Krise?

Die Krise nagt an uns allen, ob man das nun kultur- oder gesellschaftspolitisch betrachtet. Ich kann keine Wirtschaftsexpertise abgeben, aber eines weiß ich: Wenn man an der Kultur spart, führt das zum Qualitätsverlust, zu geringerer Vielfalt und zur Ausbeutung der eigenen Ressourcen – der Weg ins Prekariat wird geöffnet. Da geht es uns Künstlern nicht besser als allen, die mit Einschnitten leben müssen.

Man könnte einwenden, Österreich stehe bei der Kulturförderung doch immer noch besser da als die meisten anderen Länder. Oder sehen Sie spezielle Defizite in der Kulturpolitik hierzulande?

Was erwidere ich auf rein kaufmännisches Denken? Kreativität ist wichtig, weil sie im Verlauf der Produktion viele Arbeitsplätze schafft, nicht nur in der Hotellerie, im Tourismus, sondern auch im Handwerk und in vielen Bereichen, die nicht unmittelbar assoziiert werden, wenn man an Kunst denkt. Jeder in die Kultur investierte Euro kommt mehrfach zurück. Zu meinem Metier: Wir haben hierzulande Kleinstbühnen und sehr große Bühnen, aber der Mittelbau fehlt ein wenig. Genau der ist der Nährboden für Dramatiker. Wenn man Kunstförderung auf das Wirtschaftliche reduziert, fällt einiges weg, und zwar für alle. Denn was noch wichtiger ist: Kunst schafft Bewusstsein. Wenn einem Staat das egal ist, habe ich ein Problem.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Film? Sie haben doch 2004 ein Festival gegründet. Wie geht es der Branche?

Festival ist vielleicht ein übertriebener Begriff für „EU XXL Film“. Wir haben eine Diskussionsplattform geschaffen, zeigen mit unserem Wanderkino europäische Filme auf dem Land, wo es kaum mehr Kinos gibt, haben mit KimiK ein Vermittlungsprojekt für Medienkompetenz an Schulen. Für ein kleines Land ist es in finanzieller Hinsicht schwer, mit dem internationalen Niveau mitzuhalten. Selbst Deutschland ist zu Koproduktionen gezwungen. Im heimischen Film muss man einfach von Jahr zu Jahr mehr leisten. Aber mehr als zwölf Stunden pro Tag am Set zu stehen, geht einfach nicht, da wird die Arbeit oft sogar schon gefährlich. Das ist nicht mehr lustig. Dabei haben unsere Film-Crews international einen guten Ruf, sie leisten hervorragende Arbeit.

Sie wurden von den Grünen 1999 ins EU-Parlament entsandt, wo sie bis 2004 Abgeordnete waren. Was waren die schönen und die bitteren Erfahrungen dabei?

Das Schöne ist das Gestalten. Stolz bin ich auf unsere Arbeit zur Buchpreisbindung. Es ist möglich, Dinge zu bewahren wie auch zu verändern, mit Argumenten. Eine Sisyphos-Arbeit! In die Politik bin ich damals mit dem Mut der Unwissenden geraten, ich bin nicht durch die Instanzen gegangen, sondern musste lernen, wie wichtig zum Beispiel Geschäftsordnungen sind. Ich hätte diesen Job nicht gemacht, wenn ich eine Ahnung gehabt hätte, auf was ich mich da einlasse. Man muss sehr viele Opfer im Privatleben bringen, lebt monatelang aus dem Koffer, hat einen aufreibenden Job, der einem kaum Luft lässt. Die Scheidungsrate im EU-Parlament betrug damals 60 bis 70 Prozent. Mein Mann, Rupert Henning, und ich haben diese Phase durchtaucht. Die Kinder waren noch klein, meine Mutter hat viel geholfen. Wenn die Familie nicht so stark zusammengehalten hätte, wäre es für mich überhaupt nicht gegangen.

Was hat bei Ihnen letztendlich den Ausschlag gegeben für Ihren Ausstieg aus der großen Politik?

Der Druck war enorm. Von Politikern werden ständig Lösungsansätze verlangt. Sie können es sich gar nicht leisten zuzugeben, dass sie keine Lösungen haben. Dieses Tempo, dieses Hamsterrad, tut etwas mit dir, es ändert dich, dein Wesen. Man verliert die Durchlässigkeit, und genau die ist für Künstler doch so wichtig. Ich wollte meine Familie nicht opfern, und zudem ist die Sehnsucht immer stärker geworden, wieder zu spielen. Das Spielen ist neben der Familie mein Leben.

Wie war Ihre Rückkehr zum Theater?

Es war nicht einfach, in Österreich wieder Fuß zu fassen. Damals regierte Schwarz-Blau. Und als ich dann im ORF wieder für Projekte engagiert werden wollte, zum Beispiel als Sprecherin, wurde gefragt, ob man denn ausgerechnet eine Grüne dafür brauche. Ich war übrigens kein Parteimitglied.

Warum wollten Sie danach nicht wieder zurück in ein Ensemble?

Ich wollte immer schon meine Ausflüge weg von einem festen Haus machen, hatte früher immer auch Auftritte, etwa in der legendären Broadway Piano Bar, und diverse Veranstaltungen, bei denen ich selbst auch ein bisschen gestalterisch tätig sein konnte. Da ist ein kleines Teufelchen in mir, was diese Sachen betrifft. Die Rückkehr in ein Ensemble hätte mir wohl nicht mehr entsprochen. Außerdem hatte sich die Theaterlandschaft in sechs Jahren komplett geändert, du merkst, da braucht dich jetzt keiner. Das ist hart. Mir blieb also auch nur der freie Markt. Selbst die Rückkehr zum Sprechen im Rundfunk hat lang gedauert.

Wie sind Sie als Mädchen in Linz zum Theater gekommen?

Über den Tanz. Ich habe Filme gesehen und das Hupfen dann vor dem Spiegel nachgemacht. Auch meine Mutter hat gern getanzt, sie hat mich auf eine Ballettschule geschickt. Es hat sich schnell gezeigt, dass ich eine Rampensau bin. Eine Korrepetitorin hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass am Linzer Landestheater eine Ballettklasse eröffnet würde, mit der berühmten Choreografin Anna Vaughan. Ich wurde tatsächlich genommen, mit zehn, und hatte bald zahlreiche Auftritte – Oper, Operette, Kinderchor und bald auch Kleinstrollen. Oft musste ich, wenn jemand krank war, einspringen. Mit Anna Vaughan ging ich dann nach Salzburg.

Was waren für Sie die wunderbaren Jahre auf der Bühne?

Mich interessiert immer gerade das, woran ich arbeite. Ich schaue nicht nostalgisch zurück, obwohl ich manche Erinnerungen schätze. Zum Beispiel habe ich live erlebt, wie Falco in der Broadway Piano Bar zu sehr später Stunde am Klavier saß und etwas ausprobierte. Mit einer Phrase war er nicht glücklich. Plötzlich schreit er „Jeanny“. Ich will aber auch nicht die Niederlagen missen. An ihnen kann man nämlich besonders gut wachsen. Da bin ich mit meinem Mann Rupert einig: Kritik ist konstruktiv.

Frau Echerer, darf man Sie auch fragen...

1... ob man Ihnen nach Ihrer EU-Karriere angeboten hat, im Film eine Politikerin zu spielen?

Es gab ein Filmprojekt in Deutschland, das aber rasch in der Schublade verschwunden ist, als die TV-Serie „Borgen“ ausgestrahlt wurde. Man wollte keine Kopie.

2... ob Sie bereits als Jugendliche politisch interessiert waren?

Ich habe mir in sehr jungen Jahren durchaus revolutionäre Aktivitäten vorstellen können.

3... ob Sie dazu neigen, Regisseuren oder Intendanten heftig zu widersprechen?

Ich habe Otto Schenk einmal bei Proben in drastischen Worten widersprochen. Alle anderen erstarrten. Da hat er gesagt: „Gut, dann mach es besser.“ Wir haben nach dieser kleinen Konfrontation lang und heiß diskutiert. Er ist wunderbar.

Steckbrief

16. Mai 1963
Mercedes Echerer wird in Linz geboren. Sie wächst zweisprachig auf (mit Ungarisch und Deutsch). Während der Schule Ballettausbildung am Linzer Landestheater (bei Anna Vaughan), nach der Matura erstes Engagement nach Salzburg. Echerer wirkt seither auf der Bühne und im Film, als Moderatorin von Fernseh- und Radiosendungen. CD mit dem Trio Folksmilch: „Wellentanz“.

1999–2004
Abgeordnete des EU-Parlaments für die Grünen, besonderes Engagement für Buchpreisbindung, Fragen des Software-Patents und Urheberrechts.

„Schneckenjagen“
Premiere dieser „nur bedingt damenhaften Rampenschweinerei“ von Konstanze Breitebner und Mercedes Echerer im Stadtsaal (Mariahilfer Straße 81) am 27. Mai um 20 Uhr. Weitere Termine: 30.5., 1. 6.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2015)

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